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biblio : aktuelle buchtipps

Buchtipps / 2024 / November

erstellt von der STUBE und dem Österreichischen Bibliothekswerk

Kristina Andres: Zicke Zacke Igelkacke

/ Kristina Andres. - Frankfurt am Main : Moritz, 2024.
- 59 Seiten : Illustrationen ISBN
978-3-89565-459-6      Festeinband : EUR 12,40 (AT)

Es sind aufregende Tage, die Janne und Matti bei Tante Olga auf dem Land verbringen. Das liegt nicht nur daran, dass sie erstmals ganz allein mit dem Zug fahren dürfen; es liegt nicht am rot-gelben Laub; es liegt nicht am Feuerholz für Wintertage, das gesammelt oder den letzten Kartoffeln, die noch ausgegraben werden müssen. Es liegt an Emil und Albrecht. Gemeint sind damit nicht pfiffige Nachbarsbuben, mit denen es zu wilden Revierkämpfen kommt. Gemeint sind zwei viel unscheinbarere Wesen, klein, stachelig und eigentlich gar nicht lebensfähig: Der Hund hat zwei Igelkinder angeschleppt, die es nun zu pflegen gilt. Emil und Albrecht haben Wunden, die gesäubert und von Fliegeneiern befreit werden müssen. Emil und Albrecht muss tröpfchenweise Milch eingeflößt werden. Emil und Albrecht brauchen ein Nachtlager. Und wir wollen erst gar nicht davon sprechen, wieviel Gestank Emil und Albrecht absondern ... Ganz und gar geprägt durch die Faszination, die die beiden Tiere auf die Menschenkinder ausüben, wird der Blick in kurzen Kapiteln auf die abenteuerliche Überlebenshilfe gelenkt. Der Erzählrhythmus ist verlangsamt, die Satzgestaltungen richten sich an das frühe Lesealter, die Illustrationen greifen Details der Ereignisse auf und helfen in ihrer zartgliedrigen Gestaltung beim Textverständnis. Liebevoll und unaufgeregt wird also von der großen Aufregung erzählt, für die die beiden stacheligen Kerlchen im Miniaturformat sorgen. Wer die herbstliche Geschichte über die kleinen Wunder des Lebens auch noch mit einer Live-Experience untermalen will, sei auf den Instagram-Account von @kristina.andres.malerin verwiesen.

Heidi Lexe | STUBE

Eva Rottmann: Fucking fucking schön

: das erste Mal / Eva Rottmann.
- Berlin : Jacoby & Stuart, 2024. - 176 Seiten
ISBN 978-3-96428-243-9      Festeinband : EUR 16,50 (AT)

Der erste Kuss, das erste Mal Nähe, das erste Mal Händchen halten. Das erste Mal kennt viele Farben, Formen und Namen und ist damit ebenso vielgestaltig wie die jugendliche Lebenswelt, die in zehn Kurzgeschichten, in denen je andere Figuren im Zentrum steht, aufgefächert werden.
Das Figurenarsenal der kurzen Texte kennen Rottmann-Leser*innen zum Teil aus ihren beiden anderen Jugendbüchern »Kurz vor dem Rand« (2023) und »Mats & Milad« (2021), zum Teil lernt man völlig neue Figuren kennen: So trifft man beispielsweise auf Ari und Tom, die gemeinsam ihr erstes Mal wagen, oder auf Layla, deren erster körperlicher Kontakt ein sexueller Übergriff war, wodurch die Message, »Nur ein Ja ist ein Ja« herausgestrichen wird. Dann ist da noch Melek, die Freundin von Mats, die Geschlechterkonventionen gegen den Strich bürstet und stellvertretend für die körperliche Selbstbestimmtheit steht.
Die verschiedenen Tonalitäten, die Rottmann für ihre Figuren findet, suggeriert Individualität, verweist auf Einzelschicksale und stellt unterschiedliche Formen von Intimität vor den Vorhang. Sie beweist einmal mehr ihr Gespür für Situationsatmosphäre, wenn sie davon erzählt, dass beim Erkunden der eigenen Sexualität mit der ersten festen Partnerperson nicht immer alles glatt läuft, mit Pannen gerechnet werden kann und man sich selbst auch mal nicht so ernst nehmen darf. Und nebenbei arbeitet sie heraus, dass Nähe so viel mehr sein kann als Sex.
Körperlichkeit, sexuelle Orientierung und Lebensrealitäten wird mit Humor und der nötigen Ernsthaftigkeit nachgespürt und dabei Raum für Zwischentöne gelassen. Und Zwischenspiele, die die Autorin zwischen die Kurzgeschichten stellt, in denen Definitionen, Fragen oder persönliche Statements abseits der Geschichten ihren Platz finden. Ein literarisch fein gearbeitetes Plädoyer für individuelle Nähe, das ein viel zu selten genütztes Format wählt: die Kurzgeschichte, die gerade für die jugendliche Selbsterkundung und die kaleidoskopartige Zusammenschau hervorragend funktioniert.

Alexandra Hofer | STUBE

Michiko Aoyama:
Donnerstags im Café unter der Kirschbäumen

: Roman / Michiko Aoyama ; aus dem Japanischen von Sabine Mangold.
- München : Rowohlt Kindler, 2024. - 185 Seiten
ISBN 978-3-463-00064-0      Festeinband : EUR 22,70 (AT)

Ein kleines Kaffeehaus als Oase der Ruhe und Quelle von Lebensweisheiten. (DR)

Wataru arbeitet im Café Marble, einer ruhigen Oase am Stadtrand von Tokio. Das Café besteht nur aus drei groben Holztischen unter Kirschbäumen, doch in diesem winzigen »Raum« entfaltet sich ein ganzes Universum. In einfühlsamen Kurzgeschichten erzählt die Autorin vom Leben der Cafébesucher. Da ist zum Beispiel eine junge Mutter, die eigentlich Karrierefrau ist und keinerlei Erfahrung mit Haushalt und Kindererziehung hat. In Japan ist das ungewöhnlich. Ihr Mann, ein Künstler, kümmert sich normalerweise um diese Dinge. Doch als er eines Tages keine Zeit hat, steht sie vor großen Herausforderungen: Wie arrangiert man eine Bento-Box? Wie holt man sein Kind vom Kindergarten ab, wenn die Betreuerinnen einen womöglich gar nicht kennen? Solche für Außenstehende eigentlich unaufgeregten Geschichten ereignen sich hier. Jeden Donnerstag kommt eine besondere junge Frau, die Wataru fasziniert. Sie trinkt eine Tasse Kakao und schreibt dabei englische Briefe. Manchmal ist sie gut gelaunt, manchmal traurig. Zu ihr fühlt sich Wataru besonders hingezogen.
Wie schon in »Frau Komachi empfiehlt ein Buch« erleben die Figuren dieses Romans eine Art Erleuchtung. Am Ende fügen sich die kleinen Geschichten zu einem großen Ganzen zusammen. Sehr empfehlenswert für alle Bestände.

Sabine Eidenberger | biblio

Daisy Alpert Florin: Mein letztes Jahr der Unschuld

: Roman / Daisy Alpert Florin
; aus dem amerikanischen Englisch von pociao und Roberto de Hollanda.
- München : Eisele, 2024. - 336 Seiten
ISBN 978-3-9616118-6-7      Festeinband : EUR 24,70 (AT)

Wenn ein Professor seine Macht missbraucht … (DR)

Isabel Rose ist im letzten Jahr ihres Studiums – und nichts ist so, wie sie es sich vorgestellt hat. Sie weiß nicht, was sie mit ihrem Leben anfangen soll, fühlt sich einsam und von ihren Freundinnen unverstanden. Und ob das mit Zev, mit dem sie eigentlich immer nur aus Höflichkeit geredet hat, einvernehmlicher Sex war, das weiß sie auch nicht. Isabels Leben fühlt sich an, als würde es auseinanderfallen – und sie leidet sehr darunter. Dabei wollte sie es doch immer nur allen recht machen, aber das gelingt ihr immer weniger.
Ihr einziger Lichtblick ist ihr neuer Professor für Kreatives Schreiben: R.H. Connelly. Er hält ihre Texte für etwas ganz Besonderes und Isabel selbst natürlich auch – sehr zum Ärger der anderen Studierenden. Langsam entwickelt sich eine geheime Affäre zwischen den beiden …
Ein unglaublich spannender Roman, der wohl ein breites Publikum ansprechen wird und daher allen Bibliotheken wärmstens zu empfehlen ist. Die Geschichte Isabels wird gefühlvoll erzählt und ohne die Studentin dabei abzuwerten – und trotzdem wird die Lehrer-Studentin-Beziehung nicht verharmlost oder gar romantisiert. Isabel befindet sich in einer Phase der Selbstfindung – und der Autorin ist es gelungen, diese Phase glaubwürdig zu beschreiben.

Laura Pellizzari | biblio

Pajtim Statovci: Meine Katze Jugoslawien

/ Pajtim Statovci ; aus dem Finnischen von Stefan Möser.
- Frankfurt am Main : Luchterhand, 2024. - 317 Seiten
ISBN 978-3-630-87767-9      Festeinband : EUR 24,70 (AT)

Unerwiderte Liebe, enttäuschte Erwartungen. (DR)

Zwei Stimmen, die einander abwechseln, erzählen die sich im Kosovo und in Finnland abspielende Handlung. Die eine Stimme gehört einer Frau namens Emine, die als 17-Jährige von dem attraktiven Bajram angesprochen wird, als sie sinnierend auf einem Stein am Weg zur Schule sitzt. Kurze Zeit später kommt der Vater dieses breitschultrigen Studenten zu Emines Vater, um mit ihm über eine Heirat der beiden zu verhandeln. Das große Hochzeitsfest wird aufwendig und den albanischen Traditionen gemäß vorbereitet. Emine freut sich, in eine wohlhabende Familie einheiraten zu dürfen. Doch bereits die Hochzeitsnacht im Frühling 1980 ist sehr ernüchternd, nicht nur, weil just an jenem Tag Josip Broz Tito stirbt und Jugoslawien zu zerfallen beginnt.
Die zweite Stimme gehört dem homosexuellen Studenten Bekim in Finnland, der sich als Ausländer nicht heimisch fühlt, keine Freunde hat und sich gegen die Einsamkeit eine Königsboa als Haustier zulegt. Später lernt Bekim in einer Schwulenbar eine egozentrische Katze kennen, die er mit nach Hause nimmt.
Erst in der zweiten Hälfte des Romans kristallisiert sich die Verbindung zwischen den beiden Figuren Emine und Bekim heraus, wird die Tragödie der kosovarischen Flüchtlinge sichtbar. Die Grundstimmung in dieser Fluchtgeschichte ist düster. Glück scheint es für die Protagonist*innen bestenfalls in kleinen Dosen zu geben. Aus einer traditionellen, patriarchalischen Kultur stammend, fühlen sie sich in einer liberalen, pluralistischen Umgebung vollkommen entfremdet. – Ein trauriger Befund, formuliert in einzigartig schöner Sprache und angereichert mit höchst ungewöhnlichen Dingsymbolen. Sehr empfohlen!

Maria Schmuckermair | biblio

Wolfgang Salomon: Triest

: ad hoc & spontan : in 48 Stunden kennenlernen / mit Wolfgang Salomon.
- Wien : Braumüller, 2024. - 220 Seiten : Illustrationen
ISBN 978-3-99100-396-0      Broschur : EUR 18,00 (AT)

Eine glänzend recherchierte Zweitagestour durch Triest. (EL)

Wenn man seine Reisen nicht monatelang minutiös vorbereiten will, gibt es immer noch die Möglichkeit, ad hoc und spontan die Koffer zu packen und sich an den Ort seiner Sehnsucht zu begeben. Wolfgang Salomon, der sich als Triestliebhaber und Kenner des Karstgebietes einen klingenden Namen gemacht hat, bietet seinen Leser*innen drei Routen an, die in 48 Stunden bewältigbar sind und die Reisenden wie ein »roter Faden« durch die interessantesten und schönsten Gegenden der »Stadt des Windes« führen. Wie praxisorientiert der mehrfach ausgezeichnete Journalist und Koch seinen Reiseführer aufgebaut hat, zeigt die Tatsache, dass jede der drei Touren mit einer Gesamtübersichtskarte beginnt, an die sich mehrere Detailkarten anschließen. Dann folgt ein genau recherchierter Teil mit historischen und kulturellen Informationen und einer Fülle von gastronomischen Tipps, die von den berühmten Triestiner Cafés über Bars und Schokoladengeschäfte bis zu Restaurants jeder Preislage reichen. Dabei macht sich die Erfahrung Wolfgang Salomons als renommierter Koch, der 17 Jahre lang seine Gäste auf hohem Niveau bekocht hat, bemerkbar.
Wer sich mit diesem handlichen Büchlein auf den Weg durch Triest macht, braucht keine weiteren Stadtpläne und Reiseführer. Ein großartiges Buch!

Johannes Preßl | biblio

Silke Müller: Wer schützt unsere Kinder?

: wie künstliche Intelligenz Familien und Schule verändert
und was jetzt zu tun ist
/ Silke Müller. - München : Droemer, 2024. - 213 Seiten
ISBN 978-3-426-44902-8      Festeinband : EUR 21,60 (AT)

Profunde Einführung in die Problematik der Künstlichen Intelligenz. (PN)

Die Schulleiterin Silke Müller ist sich sicher: Künstliche Intelligenz (KI) stellt eine ernsthafte Gefahr für unsere Kinder dar, wenn sie nicht ausreichend unterstützt und angeleitet werden. Während die meisten Eltern zumindest einigermaßen mit ihren Kindern bei sozialen Medien mithalten können, sind viele mit der Komplexität von KI überfordert. Dies ist verständlich, denn die Vorgänge im Netz werden durch KI noch undurchschaubarer, schnelllebiger und beinahe unkontrollierbar. Kinder nutzen KI unvoreingenommen und können größtenteils noch nicht zuverlässig unterscheiden, was wahr und was falsch ist, welche Bilder authentisch sind und welche schlichtweg erfunden, ja sogar Deep Fakes sein könnten.
Wer hilft Heranwachsenden nun in diesem Dschungel der Parallel-Wirklichkeit? Laut der Autorin ist die Schule dieser Aufgabe nicht gewachsen. Somit sind die Eltern gefragt. In ihrem Buch liefert Müller einen profunden Überblick über die Gefahren, die durch KI entstehen, gestützt durch Experten-Interviews und -beiträge. Sie thematisiert die Probleme mit gefälschten Identitäten und gezielt programmierten Bots, die beispielsweise von Pädophilen genutzt werden könnten, um mit möglichst vielen Kindern in Kontakt zu treten. Zudem zeigt sie auf, wie wenig es bringt, KI-Tools wie ChatGPT die Hausaufgaben erledigen zu lassen. Gleichzeitig nennt Müller sehr konkrete Beispiele, wie man KI im Alltag mit Kindern sinnvoll nutzen kann und wo auch für die Schule viel Potenzial vorhanden wäre.
Das Buch bietet somit einen umfassenden Leitfaden für Eltern und andere Interessierte, die sich zum ersten Mal mit der Materie auseinandersetzen. Trotz der relativen Kurzlebigkeit dieses Themas – das Internet ändert sich bekanntlich ständig – ist dieses Buch für alle Bibliotheksbestände zu empfehlen. Es stellt eine wertvolle Ressource dar, um den Herausforderungen der digitalen Welt informierter und bewusster begegnen zu können.

Sabine Eidenberger | biblio

Silke-Andrea Mallmann:
Manchmal muss ich mich suchen gehen

: 47 Alltagsimpulse für mehr Achtsamkeit / Silke-Andrea Mallmann.
- Freiburg : Verlag Herder, 2024. - 109 Seiten : Illustrationen
ISBN 978-3-451-03449-7      Festeinband : EUR 15,50 (AT)

Ein spiritueller Fasten- wie Lebensbegleiter. (PR)

Schon der Buchtitel verweist darauf, wie bedeutsam es für jeden Menschen – ob groß oder klein – sein kann, sich und die Welt immer wieder neu zu entdecken. In globalen wie persönlichen Umbruchzeiten ist dieser handliche Ratgeber ein inspirierendes »Mutmachbuch«, um individuelle Neuorientierungen und Lebenszufriedenheit zu finden. Die Autorin war vor ihrem Klostereintritt als Psychologin tätig – u.a. auch acht Jahre in Afrika –, ebenso setzte sie sich tatkräftig für Migrant*innen, Prostituierte und Opfer von Menschenhandel ein. In dem vorliegenden kleinen »Achtsamkeitsbuch« erzählt sie von 47 »alltäglichen« eigenen wie allgemeinen Erfahrungen und Erlebnissen und wie man sie mit Alltagsgegenständen wie »Bleistift, Schlüssel, Streichholz, Brille ...« bewältigen kann. Sie verweist darauf, wie beruhigend es für jeden Menschen ist, »in sich selbst verwurzelt« zu sein und sich zugleich in göttlicher Geborgenheit aufgehoben zu fühlen.
Ihr Erzählreigen beginnt mit Gott, »dem Schöpfer aller Dinge«: Sie spricht von der jedem Menschen gegebenen Freiheit, individuelle Lebensentscheidungen zu treffen, um selbstbestimmt zu leben und »Kon-struktiv« schwierige Lebensphasen und Zeiten zu bewältigen. Dies wird am Beispiel von 47 »Alltagsimpulsen« anschaulich beschrieben, indem die Autorin nicht nur von eigenen Alltagserlebnissen erzählt, sondern auch von ihren erstaunlichen Erfahrungen und Begegnungen mit unterschiedlichsten Situationen und Menschen. Es war das große Anliegen bzw. das Vermächtnis der im Frühjahr 2024 verstorbenen Autorin, indem sie – nach christlicher Sicht – darauf hinweist, dass der Glaube die »Knoten des Lebens« löst und einem gläubigen Menschen auf spirituellen Wegen jene ersehnte Erlösung ermöglicht. Ein handliches »Taschenbuch«, dessen sorgfältige optische wie grafische Gestaltung eine ganz besondere wie ansprechende Lektüre bietet.

Jutta Kleedorfer | biblio

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