hintergrundbild
biblio : aktuelle buchtipps

Buchtipps / 2023 / Februar

erstellt von der STUBE und dem Österreichischen Bibliothekswerk

Antje Damm: Was passiert denn da?

/ Antje Damm. - Hildesheim : Gerstenberg, 2023.
- 96 ungezählte Seiten : Illustrationen
ISBN 978-3-8369-6194-3      Festeinband : EUR 16,50 (AT)

Ein Foto von einer Tube Senf auf hölzernen Untergrund – was würde man auf der kommenden Seite erwarten? Vermutlich fallen vielen Menschen an dieser Stelle unzählige Möglichkeiten ein, doch ob das wirkliche Endergebnis, ein aus Senf aufgemaltes Chamäleon, dazu gehört hat, bleibt zu bezweifeln. Auf 96 Seiten präsentiert Antje Damm Bild-Paare, die meist unerwartete Geschichten erzählen. Manchmal lustig oder ausgefallen, einige Male sogar recht makaber. Der Spaß daran: Man muss zuerst umblättern, um die Auflösung des Geschehens zu sehen, hat also Zeit, um sich zu überlegen, was denn nun passieren könnte. Etwa wenn ein Holzschwertkampf zwischen zwei Kindern ausgetragen wird, ein Junge durch ein Schlüsselloch späht oder in einem ganz eindeutig nicht aufgeräumten Zimmer sitzt. Die deutsche Illustratorin spielt nicht nur mit den Erwartungen der Leser*innen, auch die Stile der Bildpaare weichen voneinander ab und sind für Überraschungen zu haben. Während auf manchen Seiten Situationen fotografiert wurden, sind andere im typischen Stil von Antje Damm gezeichnet, auch Siebdruck- und Collagetechniken sind eingebaut.
So wird das Silent Book zu einem Mitmachspaß für junge und ältere Leser*innen. Nach jedem Umblättern kann man von Neuem lachen, staunen und raten, was denn da passiert.

Eleni Steinborn | STUBE

Shelly Brown und Chad Morris: Bunte Schnurrbart-Tage

/ Shelly Brown ; Chad Morris ; aus dem Englischen von Meritxell Janina Piel.
- Zürich : Woow Books, 2022. - 218 Seiten
ISBN 978-3-96177-106-6      Festeinband : EUR 18,50 (AT)

Die 10-jähirge Maddie hat eine ganz besondere Leidenschaft: Sie will ihre Klasse und andere Kinder zum Lachen bringen. Am besten geht das – so sieht das zumindest Maddie – mit aufklebbaren Schnurrbärten in den unterschiedlichsten Farben und Formen. Schon allein deswegen wohnt diesem Text eine gewisse Situationskomik inne; zückt die Protagonistin doch in allen denk- und undenkbaren Augenblicken einen bunten Schnurrbart und klebt ihn sich selbst unter die Nase. Eine Komik, die jedoch recht rasch verfliegt, als bei der Ich-Erzählerin ein Gehirntumor diagnostiziert wird. Dieser erklärt zwar, warum sich ihr Körper ab und an verselbstständigt, die Diagnose kommt aber zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Denn in der Schule steht eine große Theateraufführung an, bei der unterschiedliche Szenen aus Klassikern aufgeführt werden sollen und Maddie möchte unbedingt die Julia mimen – selbstverständlich mit Schnurrbart. Dafür nimmt sie sogar den Unmut von Klassenqueen Cassie auf sich. Cassie, die jede Pause eine Gruppe von Mädchen bestimmt, die mit ihr die Freizeit verbringen darf. Zu Beginn des Textes bemüht sich Maddie, den von Cassie gewünschten Anforderungen zu entsprechen, um zu dieser Gruppe zu gehören, mit der Zeit merkt sie aber, dass Freundschaft wichtiger ist als Beliebtheit – und das nicht nur aufgrund der anstehenden Operation, die unausweichlich ist. Denn auch, wenn die Krankheit ungelegen kommt, so muss sie doch behandelt werden. Eingebettet in eine umsorgende Familie beginnt der Kampf gegen den Krebs.
Wenngleich die positive Haltung der Protagonistin kurz von Ängsten vor der anstehenden Operation überschattet wird, gelingt den Autor*innen ein Text, der in den Grundzügen der Geschichte ihrer eigenen Tochter folgt und der nicht etwa auf die Krankheit selbst fokussiert wird. Vielmehr stehen Freundschaft und Selbstermächtigung der kindlichen Hauptfigur ins Zentrum. Der gleichermaßen rührend wie witzig erzählte Text gipfelt in der Erkenntnis, dass auch schwierigere Zeiten mithilfe einer positiven Einstellung, guten Freund*innen und dem einen oder anderen aufklebbaren Schnurrbart zu überstehen sind.

Alexandra Hofer | STUBE

Jamey Bradbury: Wild

: Roman / Jamey Bradbury ; aus dem Amerikanischen von Lydia Dimitrow.
- Basel : Lenos Verlag, 2022. - 390 Seiten
ISBN 978-3-03925-024-0      Festeinband : EUR 26,80 (AT)

Ein junges Mädchen gerät nach einem verstörenden Ereignis in der Wildnis Alaskas immer tiefer in den Sog eines unheilvollen Geschehens. (DR)

Die siebzehnjährige Tracy lebt mit Vater und Bruder in der Wildnis Alaskas. Sie hilft beim Training der Schlittenhunde und verbringt jede freie Minute im Wald. Die Jagd ist ihre Passion. Eines Tages wird sie von einem Fremden überfallen, wehrt sich mit ihrem Messer und verliert das Bewusstsein. Am nächsten Tag schleppt sich ein blutüberströmter Mann auf den Grund der Familie. Tracys Vater leistet erste Hilfe und sorgt dafür, dass der Verletzte ins Spital gebracht wird. Wenn er überlebt, wird er zurückkommen und sich rächen, aber das weiß nur Tracy, denn sie hat ihrem Vater nichts von dem Erlebnis im Wald erzählt. In dieser Bedrängnis gewinnt sie unverhofft einen Freund. Ein jugendlicher Ausreißer taucht bei der Familie auf und behauptet, von einem Mann verfolgt zu werden. Allerdings scheint auch er etwas zu verbergen und nicht der zu sein, für den er sich ausgibt...
Jamey Bradbury hat mit »Wild« eine Art »Country Noir« geschrieben und wurde bereits mit Stephen King verglichen, was durchaus etwas für sich hat. Was zunächst wie eine typische Coming of Age-Story beginnt, gleitet zunehmend ins Düster-Fantastische. Großartig, wie die Autorin die ambivalente Persönlichkeit der Protagonistin schildert, in der blutrünstige Triebe schlummern und die gleichzeitig ihren Platz in der Gesellschaft sucht. Die atemberaubende Landschaft Alaskas bietet dazu die ideale Kulisse. Ein spannender Thriller, der junge, aber auch ältere Erwachsene in Bann schlagen wird.

Ingrid Kainzner | biblio

Monique Roffey: Die Meerjungfrau von Black Conch

: Roman / Monique Roffey ; aus dem Englischen von Gesine Schröder.
- Stuttgart : Tropen, 2022. - 235 Seiten
ISBN 978-3-608-50522-1      Festeinband : EUR 22,70 (AT)

Die Legende um eine verfluchte Meerjungfrau neu erzählt. (DR)

In der Sage wird eine junge Frau, die mit ihrem Gesang betören konnte, von eifersüchtigen Frauen ihres Clans verflucht und auf ewig in eine Meerjungfrau verwandelt.
Die Meerjungfrau Aycayia, nach Jahrhunderten der Einsamkeit im Meer vom Gesang des jungen Fischers David Baptiste angezogen, landet schließlich in den Fängen von geldgierigen Anglern. David rettet sie, Aycayia verlässt das Meer und wird wieder zum Menschen. Die beiden lernen die Liebe kennen, sie die körperliche Lust und er das behutsame, zarte Gefühl, das ihm ganz unbekannt war. Doch der Fluch der Frauen bleibt bestehen und Aycayia muss schließlich wieder ins Meer zurückkehren.
Das Buch ist ein faszinierendes Stück Literatur, das verschiedene sprachliche Mittel einsetzt und eine äußerst vielschichtige Thematik hat. Zu der auktorialen Erzählstimme kommen Davids Tagebucheintragungen 40 Jahre später und Aycayias mythisch anmutende Gesangsverse. Die Sprache ist dem Kreolischen nachempfunden. Die Übersetzerin Gesine Schröder erfand eigens dafür ein »karibisches Deutsch«.
Thematisiert wird das Fremd-Sein in vielerlei Hinsicht, sowohl das der Meerjungfrau, als auch von anderen Figuren im Buch. Ein schillerndes Meisterwerk unserer Zeit und damit eine unbedingt empfehlenswerte Lektüre.

Doris Göldner | biblio

Przemek Zybowski: Das pinke Hochzeits-Buch

: Roman / Przemek Zybowski.
- Frankfurt am Main : Luchterhand-Literaturverlag, 2022. - 218 Seiten
ISBN 978-3-630-87688-7      Festeinband : EUR 22,70 (AT)

Erstlingsroman über ein traumatisches Kindheitserlebnis in Polen knapp nach Aufhebung des Kriegsrechts, über politischen Terror, Flucht und Heimatlosigkeit. (DR)

Polen, Sommer 1984: Der achtjährige Anhelli wird bei der Rückkehr von einem Ferienlager nahe Lodz nicht von den Eltern, sondern von seiner Großmutter abgeholt. Wie sich herausstellt, haben die Eltern einen Urlaub mit seiner kleinen Schwester genutzt, um aus Polen nach Deutschland zu fliehen. Aus einem Polen, in dem gerade ein Jahr kein Kriegsrecht mehr gilt, der Terror der Geheimpolizei jedoch allgegenwärtig ist.
Anhelli bleibt bei seiner Babcia zurück und kann ein Jahr lang nicht zu seinen Eltern ausreisen. Dieses traumatische Kindheitserlebnis mit der Erfahrung, allein gelassen worden zu sein und nicht genügt zu haben, wird mit einer zweiten Zeitebene in der Gegenwart konfrontiert, in der der erwachsene Anhelli zum Begräbnis seiner Großmutter kommt und die Frage nach der Beziehung zu seinen Eltern und ob ihm Vergebung und Neubeginn möglich ist, von neuem aufbricht.
Der Autor Przemek Zybowski, jahrelang Assistenzarzt für Psychiatrie an diversen Berliner Kliniken, derzeit als Psychiater in der Schweiz tätig, hat am vorliegenden Erstlingsroman 15 Jahre gearbeitet und laut einem Interview mit Radio Berlin Brandenburg wohl auch Autobiografisches aufgearbeitet. Er blieb selbst als Achtjähriger ein Jahr bei seiner Großmutter in Polen zurück. Ein Roman, der eine Fülle von Themen verhandelt: Die bedrückende Erfahrung eines Kindes, von einem Moment auf den anderen verlassen zu werden, dabei gleichzeitig die Erfahrung einer nie gekannten Freiheit, weil die Eltern nicht da sind und die Großmutter einen anderen Erziehungsstil pflegt. Die realistische Angst, in ein Waisenhaus gesteckt zu werden, als die Großmutter ins Spital muss. Die schwierigen Versuche, den Eltern nachzureisen.  Der Druck durch den Geheimdienst, bei dem sich die Babcia und Anhelli einem Verhör unterziehen müssen. Die ambivalente Haltung zur neuen Heimat Deutschland, stehen die Deutschen in der Familiengeschichte doch für Stasi, Judenverfolgung und Kriegsverbrechen. Die Frage, ob Migrant*innen eine neue Heimat finden oder wie die Eltern Anhellis eher zwischen den Ländern stehen. Ein Roman, der durch das geschickte Spiel mit den zwei Zeitebenen, durch Familiendramen, die Vielfalt der aufgeworfenen Fragen um Migration und Vergebung und trotz der schwierigen Thematik durch einen tiefgründigen Humor besticht. Sehr empfehlenswert!

Monika Roth | biblio

Kerri Andrews: Frauen, die wandern, sind nie allein

: unterwegs mit berühmten Denkerinnen - von Anaïs Nin bis Virginia Woolf
/ Kerri Andrews ; mit einem Vorwort von Rebecca Maria Salentin
; aus dem Englischen übersetzt von Anne Emmert und Katrin Harlaß.
- München : Goldmann, 2022. - 350 Seiten
ISBN 978-3-442-31677-9      Festeinband : EUR 24,70 (AT)

Wandernde Schriftstellerinnen. (BO)

Wandern oder Bergsteigen als Ausdruck erfolgreicher sportlicher Betätigung ist mittlerweile nicht mehr nur Männern vorbehalten, obwohl diese darin immer noch dominieren. Wandern als Ventil für schriftstellerisch tätige Frauen ist trotz der gesellschaftlichen Zwänge, denen Frauen unterlagen, seit dem 18. Jahrhundert durch zahlreiche berühmte Schriftstellerinnen belegt. Diese eigenständigen, willensstarken Frauen ermöglichen eine gänzlich andere Sicht auf das Bergsteigen. Das maßlose Sammeln von Gipfelbesteigungen ist eher nebensächlich, viel wichtiger hingegen ist das Schaffen von Freiraum für Frauen, die starken gesellschaftlichen Konventionen unterworfen sind, die kontemplative Auseinandersetzung mit der Natur und die Bestätigung eines starken weiblichen Körpers, der in Folge zur Herausbildung eines starken weiblichen Selbstbewusstseins führt.
Kerri Andrews, selbst leidenschaftliche Wanderin, beschreibt die Frauen hinter den Tagebüchern, Romanen und Briefwechseln, Frauen, die sie auf ihren Wanderungen in England, Schottland und Amerika sowie durch einige europäische Städte begleitet, deren Texte sie in ihrem Gepäck mitführt und denen sie nachspürt.
Wunderbare Porträts von furchtlosen Frauen, die uns role models in literarischen Figuren bieten und als Wanderinnen inspirieren.

Hannah Stolze | biblio

Thorsten Duit: Knitflix

: geniale Strickprojekte für Fans von Sabrina, The Witcher,
Peaky Blinders und mehr / Thorsten Duit.
- Igling : EMF, 2022. - 111 Seiten : Illustrationen
ISBN 978-3-7459-0307-2      Festeinband : EUR 20,60 (AT)

Sympathisches Strickbuch mit vielen Anleitungen und Farbfotos. (VL)

Der Autor Thorsten Duit strickt selbst schon seit über 40 Jahren und da er dabei oft Netflix schaut, kam ihm der Gedanke zu diesem ungewöhnlichen Strickbuch. Er weist allerdings darauf hin, dass Netflix dieses Buch weder lizensiert noch genehmigt hat.
Die vorgestellten Strickprojekte entstammen dem originellen Ansatz, charakteristische Serien-Kleidungsstücke zu kopieren. Die Palette reicht dabei von der Wendemütze des Seriendiebs Lupin über die Pelzkrägen der Damen in »Peaky Blinders« bis hin zu den knalligen Pullovern von Miss Sands aus »Sex Education«. Wer die Serien gesehen hat, hat besonderen Spaß bei der Umsetzung der Strickvorhaben, aber auch ohne die Vorbilder zu kennen, ist die ganze Gestaltung des Buches motivierend und macht Spaß.
Jedes Strickprojekt wird mit einer kurzen Serieninfo eingeleitet, dann folgt ein Farbfoto des Strickstückes und die ausführliche Anleitung. Ergänzend zu den Strickanleitungen werden im Vorspann die wichtigsten Stricktechniken vorgestellt, ebenfalls mit anschaulichen Fotos illustriert.
Aus meiner Sicht ein rundum gelungenes Strickbuch, das einfach Spaß macht! Sehr empfehlenswert.

Ursula Pirker | biblio

Mirja Kutzer und Peter Walter:
Maria in der Geschichte und Gegenwart

: befreiende Perspektiven auf die Mutter Jesu
/ Mirja Kutzer ; Peter Walter ; herausgegeben von Michael Hauber.
- Freiburg : Herder , 2022.
ISBN 978-3-451-33734-5      Festeinband : EUR 25.80 (AT)

Beiträge zu einer zeitgemäßen Mariologie. (PR)

Im vorliegenden Band hat der Herausgeber mariologische Vorlesungen des verstorbenen Professors für Dogmatik an der Universität Freiburg, Peter Walter, sowie Arbeiten der Professorin für systematische Theologie, Mirja Kutzer, die derzeit in Kassel lehrt, zusammengestellt. Der erste Teil aus dem Nachlass von Walter zeichnet die Entwicklung dessen nach, was Christen über Maria annahmen und was das kirchliche Lehramt dazu entwickelt hat. Trotz der geringen Zeugnisse des Neuen Testaments über die Gottesmutter entfalteten sich im Laufe von Jahrhunderten Vorstellungen über sie. Indem Walter diese Vorstellungen nachzeichnet und einordnet, macht er nachvollziehbar, wie sich Lehrsätze der Kirche entwickeln und ausufern können, wenn nicht auf ihre Rückbindung an die Bibel geachtet wird.
Kutzer hat es übernommen, auf Basis der biblisch-historischen Überlegungen von Walter eine gegenwartsbezogene Mariologie zu entwickeln und dabei herauszuarbeiten, wie Maria in der Frömmigkeitsgeschichte zur Legitimation fragwürdiger und überzogener Einstellungen herhalten musste. Der Auftrag an Theologie und Verkündigung heute ist es, Maria als den Menschen herauszustellen, der Gott vorbehaltlos vertraut hat und deshalb einen Lebensweg mit vielen Hürden und Unwägbarkeiten gehen konnte.
Dieses Buch ist wegen seiner Darstellung des Werdegangs der Mariologie und aus mehreren anderen Gründen interessant und weiterführend, hat allerdings aufgrund seiner theologischen Sprache eher Platz in Fachbibliotheken, sollte dort aber auch gefunden werden.

Hanns Sauter | biblio

Projekte . Kooperationen
Advertorial