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biblio : aktuelle buchtipps

Buchtipps / 2020 / Juni

erstellt von der STUBE und dem Österreichischen Bibliothekswerk

Sharna Jackson: High-Rise Mystery

: ein tödlicher Sommer / Sharna Jackson. Aus dem Engl. von Henriette Zeltner. - München : Knesebeck, 2020. - 281 S.
ISBN 978-3-95728-368-9      fest geb. : 16,50

Die beiden Schwestern Nick und Norva würden gerne ein Detektivbüro aufmachen, später einmal. Bis es so weit ist, lösen sie weiterhin kleinere Fälle in ihrem Wohnkomplex "The Tri" in London. Für ihre Detektivarbeit schreiben sie immer exakt auf, was sie machen und was ihnen besonders vorkommt. Deshalb sind auch sie die Ersten, die hinter dem Verschwinden ihres Kunstlehrers Hugo einen Mord vermuten. Sie beginnen erste Nachforschungen anzustellen. Dafür sind sie nämlich bestens vorbereitet: Durch ihre Aufzeichnungen "The Tri-Files", die Protokolle, Checklisten, Tabellen, Fotos und noch mehr beinhalten. Worauf sie nicht vorbereitet sind: tatsächlich die Leiche ihres Freundes und Lehrers Hugo zu finden. Zusätzlich kennen sie alle Verdächtigen persönlich, da es nur jemand von ihren Nachbar_innen sein kann. Sehr schnell wird jedoch ihr Vater zum Hauptverdächtigen der Polizei. Dadurch werden die heimlichen Ermittlungen von Nick und Norva plötzlich ernst, und der Plan geschmiedet, ihn aus der Untersuchungshaft zu holen.
Nick und Norva haben dafür zwei sehr unterschiedliche Herangehensweisen. Norva folgt ihren Instinkten, ihre Schwester geht durchdacht vor. Die analytische Vorgehensweise von Nick, welche zugleich die Erzählerin ist, wird auch typografisch im Buch widergespiegelt. So finden sich immer wieder durch Punkte strukturierte Auflistungen im Text, ebenso wie Tabellen oder manchmal auch Skizzen. Besonders die wiederkehrenden Listen tragen zur unterhaltsamen Erzählweise von Sharna Jackson bei. Das Motiv des Vaters als Hauptverdächtigen bringt dabei zusätzliche Spannung, denn teilweise sind Nick und Norva sich selbst nicht mehr sicher, ob sie seine Unschuld beweisen können.

Melanie Reder | STUBE

 

Marawa Ibrahim: Girl Guide

: wie du lernst, deinen Körper so zu lieben, wie er ist / Marawa Ibrahim. Ill. von Sinem Erkas. Katharina Meyer [Übers.]. - Hamburg : Carlsen , 2020. - 224 S. : Ill.
ISBN 978-3-551-25226-5      kart. : ca. € 14,40

In dem vor allem durch seine peppige Aufmachung ins Auge stechenden "Girl Guide" haben es sich Marawa Ibrahim und Sinem Erkas zur Aufgabe gemacht, jugendlichen Leserinnen zu helfen, eine bewusste und positive Beziehung zu ihrem sich verändernden weiblichen Körper zu entwickeln. Dabei vermitteln sie einerseits wichtige Informationen über körperliche Vorgänge während der Pubertät, im Zentrum stehen jedoch die täglichen kleinen und großen, unscheinbaren und unübersehbaren, peinlichen und beglückenden Erfahrungen junger Mädchen, in die sich das sympathische Künstlerinnenduo gekonnt einzufühlen versteht. In ihren kurzen, in 50 Kapitel gegliederten Texten wendet sich die australische Zirkuskünstlerin Marawa Ibrahim direkt an ihre Leserinnen und setzt in ihren oftmals sehr persönlichen Schilderungen ganz auf das Moment der Empathie und den Anschluss an die Erfahrungshorizonte ihrer Adressatinnen. In launiger Sprache erzeugt sie dabei nicht nur glaubhafte Bilder jugendlicher weiblicher Alltagserfahrungen, sondern liefert auch zahlreiche hilfreiche Tipps für den eigenen Umgang mit einem Körper, der sich im Prozess des Erwachsenwerdens befindet. Von Menstruation und Stöckelschuhen über Emotionen und Ernährung bis hin zu mentaler Gesundheit - die jeweiligen Themen weiß die Südlondoner Illustratorin Sinem Erkas gekonnt in ausdrucksstarke Bilder zu übertragen. In ihren teilweise ganz unmittelbar-konkreten, teilweise assoziativ-symbolischen Illustrationen greift sie auf unterschiedliche Techniken wie Collage, Pop Art, Fotografie und Computerdesign zurück und stellt die (verschiedenartige) Materialität des Gezeigten in frischen Farben in den Vordergrund. Gemeinsam machen der plauderhafte Ton, die verspielten Bilder und vor allem die lebensnahen, ehrlichen Darstellungen den "Girl Guide" nicht nur zu einer sehr zugänglichen und informativen, sondern vor allem zu einer unterhaltsamen, das eigene Körperbewusstsein und Selbstwertgefühl auf leichtfüßige Weise bestärkenden Lektüre.

Claudia Sackl | STUBE

 

Die Welt in der Wunderkammer

/ Alexandre Galand [Text]. Delphine Jacquot [Ill.]. [Übers.: Anke Wagner-Wolff]. - Hildesheim : Gerstenberg, 2020. - [48] S. : überw. Ill. (farb.) ; 38,50 x 27,00 cm
ISBN 978-3-8369-6053-3      fest geb. : ca. € 22,70

Leicht verständlich werden einleitend Geschichte, Reiz und Problematik der Kuriositätenkabinette für junge LeserInnen überblicksmäßig erläutert, es wird ausgehend von den Wunderkammern auf die Entstehung von Museen hingewiesen, Diderots Enzyklopädie findet Erwähnung und der Blick wird, ausgehend von der Gegenwart, sogar in die Zukunft gerichtet. Informative Texte, die aufgeklappt werden können, geben die großformatigen Illustrationen der Wunderkammern des 16., 17. & 18., 19. & 20. Jahrhunderts frei, anschließend folgen jeweils detaillierte Informationen zu den dargestellten Objekten. Ein abschließendes viertes Kapitel widmet sich dem Sammeln und Ordnen im "Heute und Morgen". Auf den letzten Seiten der aufwendig gestalteten Publikation findet sich ein detailreicher Überblick zu den einzelnen Wunderkammern, wo jedes Objekt noch einmal nummeriert aufgelistet wurde. Das sorgsam gestaltete, schön illustrierte und gut aufgebaute Buch zu einem Nischenthema ist sehr empfehlenswert für eine natur- und kulturinteressierte junge Leserschaft ab 9 Jahren. "Die Welt in der Wunderkammer" knüpft an die Neugierde und Sammelleidenschaft der Kinder und Jugendlichen an und stellt eine Bereicherung für jede Bibliothek dar, die sich an eine junge Leserschaft richtet!

Monika Brugger | biblio

Madeline Miller: Ich bin Circe

: Roman / Madeline Miller. Aus dem amerikan. Engl. von Frauke Brodd. - München : Eisele, 2019. - 516 S.
ISBN 978-3-9616106-8-6      fest geb. : ca. € 24,70

Eine feministische Neuinterpretation des antiken Mythos. (DR)

In dieser Bearbeitung des antiken Mythos um die Hexe Circe erhält die Geschichte eine neue Perspektive. Es geht hier nicht mehr um eine Zauberin, die Männer aus purer Bosheit in Schweine verwandelt, sondern um weibliche Selbstermächtigung.
Circe ist anders. Als Tochter des Helios und der Perse ist ihr in den Hallen der Götter eine bestimmte Rolle zugedacht, doch sie begehrt dagegen auf, will und kann sich nicht einfügen. Circe verstößt gegen die Regeln und wird zur Strafe auf eine einsame Insel verbannt - und fühlt sich in ihrem Exil das erste Mal frei.
Millers Roman beschäftigt sich mit Identitätsfindung, insbesondere um den Konflikt zwischen den von außen kommenden Erwartungen und jenen, die man an sich selbst stellt. Erst als Circe völlig allein auf dem abgeschiedenen Eiland lebt und mit sich selbst konfrontiert ist, lernt sie mehr über sich und über das, was sie vermag. Das war ihr in den Reihen der Götter, die stark hierarchisch geprägt sind, nicht möglich. Sie musste die sie umgebenden Strukturen verlassen, um ihr Potenzial voll ausschöpfen zu können.
Sie verabschiedet sich davon, entsprechen zu wollen (was ihr im Übrigen schon allein durch ihre physischen Voraussetzungen nicht gelingt - Circe wurde nicht mit der Stimme einer Göttin geboren, sondern mit der einer Sterblichen) und erkennt, dass nur eine aktive Selbstermächtigung zu Glück führen kann, kein Leben in Passivität.
Die charismatische Protagonistin findet klare Worte für die Art und Weise, wie über Frauen geurteilt wird. Über Penelope, Odysseus' Ehefrau, meint sie hierzu: "Als loyal wurde sie später besungen. Treu und aufrichtig und vorausblickend. Was für duldsame, farblose Adjektive für das, was sie war." (S. 438)
In Madeline Millers Interpretation sind Frauen mehr als graue Randgestalten, nicht nur Stationen, die Helden auf ihren Abenteuern begegnen. Sie sind charismatische und starke Persönlichkeiten mit Vorbildwirkung. Eine große Empfehlung für alle Bibliotheken.

Julia Walter | biblio

Nataly Bleuel: Das sind die Hormone

: wie sie uns durchs Leben dirigieren, wie sie Stimmung machen und wie wir damit umgehen / Nataly Bleuel. - München : C. Bertelsmann, 2020. - 256 S.
ISBN 978-3-570-10361-6      kart. : ca. € 16,50

Unterhaltsam, informativ, vielschichtig - das komplexe Thema ist in diesem Buch verständlich aufbereitet. (NK)

"Das sind die Hormone…" - eine Aussage, die viele von uns vermutlich automatisch mit dem Bild einer weinenden Schwangeren oder Ähnlichem assoziieren. Mit diesem Klischee und entsprechenden Vorurteilen aufzuräumen, ist das Anliegen der Autorin Nataly Bleuel. Sie versteht ihren Titel als Aufklärungsbuch für Erwachsene. Es geht ihr darum, der breiten Masse ein Bewusstsein für die Rolle von Hormonen in unser aller Leben zu vermitteln. Und das gelingt ihr hervorragend. Das Buch ist nach Lebensabschnitten gegliedert: Pubertät - Partnersuche und Existenzaufbau - Reproduktion - Wechseljahre - Alter. Und, was man auf den ersten Blick vielleicht unterschätzt, auch das Thema Hormone im männlichen Körper und Leben wird aufgegriffen. Denn die Macht der Hormone ist weitreichender und umfassender als gemeinhin angenommen. Es geht um Stimmung, Sex, Familie, Geburt, Erziehung, Kultur, Liebe und vieles mehr. Fachliches Wissen wird verständlich aufbereitet und es wird aufgezeigt, dass Hormone so ziemlich jeden Bereich unseres Lebens (mit)beeinflussen. Ein interviewähnlicher Teil am Beginn jedes Kapitels lockert die Thematik auf willkommene Weise auf. Das Stichwortverzeichnis am Ende des Buches erleichtert es, speziell nach Sachgebieten zu suchen.

Alexandra Gölly-Liebich | biblio

Rachel Cusk: Lebenswerk

: über das Mutterwerden / Rachel Cusk. Aus dem Eng. von Eva Bonné. - Berlin : Suhrkamp, 2019. - 223 S.
ISBN 978-3-518-42889-4      fest geb. : ca. € 22,70

Essay über die Paradoxie der Mutterschaft. (PP)

Obwohl "Lebenswerk" bereits 2001 im englischsprachigen Raum erschienen ist, wurde es erst 2019 in deutscher Sprache veröffentlicht. Damit begibt es sich in die gute Gesellschaft anderer Titel, die das Muttersein kritisch betrachten.
In einer sehr persönlichen Reise in die Vergangenheit blickt Rachel Cusk höchst reflektiert auf den Moment zurück, der aus ihr eine völlig neue Person werden ließ - die Geburt ihres ersten Kindes. Mit der Mutterschaft kehrte eine grundsätzliche Zerrissenheit in ihr Leben: Alte und neue Rollenbilder kollidierten, die überbordenden Bedürfnisse eines Neugeborenen isolierten sie zunehmend von ihrem bisherigen Leben. Auf der anderen Seite stand ihre Unfähigkeit, die Fürsorge abzugeben. Obwohl die AdressatInnen höchstwahrscheinlich eher im Kreis der (zukünftigen) Eltern zu finden sind, weist das Buch dennoch großes philosophisches Potenzial auf: "Lebenswerk" spürt Dichotomien der Mutterschaft auf - Mobilität vs. Isolation, Egoismus vs. Altruismus, Kinder vs. Kinderlosigkeit und letztlich die Körper-Seele-Problematik. Höhen und Tiefen sind im Leben vorprogrammiert, sodass gerade das Zaudern, die zahlreichen Kämpfe, von denen Cusk auf gefühlvoll prosaische Art und Weise berichtet, die LeserInnen in den Bann zieht und die Ich-Erzählerin so nahbar macht. Grundsätzlich ist das knapp 220-seitige Buch jedem zu empfehlen, denn es geht hier um den Menschen und dessen Bestimmung.
Interessant ist überdies die Tatsache, dass der Essay zum Zeitpunkt seiner Erstveröffentlichung eine sehr negative Resonanz erfuhr, gegenwärtig jedoch eher Zuspruch erhält, wodurch sich wiederum neue Fragen ergeben: Ist Mutterschaft zeitlicher Formbarkeit und Konventionen unterworfen? Empfehlenswert.

Anna Goiginger | biblio

Frida Ramstadt: Fühl dich wohl in deinem Zuhause

: Einrichtung und Gestaltung - die Grundregeln für die eigenen vier Wände / Frida Ramstedt. Aus den Schwed. von Wibke Kuhn. - Berlin : Ullstein extra, 2020. - 263 S. : Ill.
ISBN 978-3-86493-131-4      kart. : ca. € 18,50

Sachbuch über gut durchdachtes Innendesign. (VL)

Frida Ramstedt ist Innenarchitektin, Innendesignerin und Trendberaterin. In neun übersichtlichen Kapiteln möchte sie den LeserInnen die Grundregeln des Einrichtens näherbringen. Dabei geht es ihr sowohl um mathematische Formeln zum Berechnen der optimalen Flächennutzung als auch um die Fokussierung darauf, welche Farben und welcher Stil zu einem passen.
Das Sachbuch hebt sich wohltuend ab von den üblichen Hochglanz-Ratgebern, die den LeserInnen oft das Gefühl vermitteln, den dargestellten Stil ohnehin nie erreichen zu können. Ramstedt hat hier ein schlichteres Format gewählt, das ohne Fotos und nur mit zwei Farben auskommt. Durch diesen Minimalismus gelingt es ihr, die LeserInnen mit den Grundlagen des Innendesigns vertraut zu machen und sich dabei die Bilder mittels der eigenen Wohn-Umgebung zu machen. Es geht nicht darum, wieviel Geld man hat oder wie groß die Wohnung ist, sondern wie man die vorhandenen Räume akzentuieren kann. Entscheidend ist, was man bei der Lichtgebung, beim Aufhängen von Bildern, der Anordnung von Möbeln etc. berücksichtigt.
Ein gut gegliedertes und sehr informatives Sachbuch, das aber aufgrund seiner schlichten Aufmachung gut platziert werden sollte.

Ursula Pirker | biblio

Paolo Rumiz: Der unendliche Faden

: Reise zu den Benediktinern, den Erbauern Europas / Paolo Rumiz. Aus dem Ital. von Karin Fleischhanderl. - Wien : Folio, 2020. - 234 S.
ISBN 978-3-85256-805-8      fest geb. : ca. € 22,00

Europa braucht Werte. Der Reiseschriftsteller Paolo Rumiz findet sie bei den seit 1500 Jahren aktiven Benediktinern und Benediktinerinnen und ihrer kulturprägenden Aufbauarbeit. (PR)

Der Triestiner Paolo Rumiz ist ein ruheloser Extremsportler und der erfolgreichste Reiseschriftsteller Italiens. Eine Wanderung im Apennin lässt ihn die jahrhundertlange Gestaltung der Landschaft durch die Benediktiner erkennen, nachdem ein starkes Erdbeben 2016 Norcia zerstört hatte, wo der Ordensgründer Benedikt von Nursia um 480 geboren wurde.
Benedikt ist der Schutzpatron Europas, seine Mönche haben seit Zeiten der Hoffnungslosigkeit in der Spätantike mit ihren Werten und ihrer Arbeit - ora et labora! - Europa gestaltet. Der 72-jährige Rumiz reist mit seiner Lebensgefährtin zu 15 Klöstern, auch Frauenklöstern, in Italien, Frankreich, Belgien und Bayern, nach Muri-Gries und Marienberg in Südtirol, St. Gallen in der Schweiz, Göttweig in Niederösterreich und Pannonhalma in Ungarn.
Angesichts des Elends der ertrinkenden Flüchtlinge im Mittelmeer und der Ratlosigkeit der europäischen Politik sucht er die benediktinische Tradition und ihre positiven Kräfte wie Gastlichkeit, Respekt vor der Natur, grenzüberschreitende Gemeinschaft und vor allem Barmherzigkeit gegenüber den Fremden und Neuankömmlingen.

Wolfgang Moser | biblio

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