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biblio : aktuelle buchtipps

Buchtipps / 2020 / April

erstellt von der STUBE und dem Österreichischen Bibliothekswerk

Alison McGhee: Liebe Schwester

: Briefe an meine kleine Nervensäge / Alison McGhee. Ill. von Joe Bluhm. Aus dem Engl. von Kathrin Köller. - München : Knesebeck, 2020. - 192 S. : Ill.
ISBN 978-3-95728-358-0      fest geb. : ca.  14,40

"Liebe Schwester, das Leben war echt viel unkomplizierter, bevor sie dich mit nach Hause gebracht haben. Ich sag ja nur!" - Vorbilder, Verbündete gegen die Eltern, Konkurrenten um deren Aufmerksamkeit: Geschwister prägen einander. Die Spannung, die entsteht, wenn aus einem Einzelkind plötzlich ein großer Bruder wird, haben Alison McGhee und Joe Bluhm hier humorvoll und glaubwürdig dargestellt. Zehn Jahre lang schreibt der namenlose Junge auf Anordnung der "Wärter", sprich: der Eltern, seiner kleinen Schwester Briefe und Geburtstagskarten. Von der Geburt des Mädchens bis zu seinem eigenen Auszug in Richtung Universität berichtet er vom gemeinsamen Leben, das nicht konfliktfrei, aber im Großen und Ganzen doch harmonisch abläuft. Schlaglichtartig und scheinbar unreflektiert werden so Alltagssituationen und Entwicklungsschritte beider Geschwister beleuchtet: Während die kleine Schwester laufen lernt und ihrem Bruder überallhin folgen will, fordert dieser immer mehr Privatsphäre ein und beginnt, über die Zukunft  nachzudenken. Dass das Leben auch abseits der Familie herausfordernd ist, zeigt das plötzliche Wegziehen vom besten Freund des Protagonisten nach Florida. Joe Bluhms in Schwarz und Blau gehaltene, lebhafte Illustrationen weichen hier ganz zurück und lassen der Trauer ihren (Weiß-)Raum. Nach diesem Abschied wechselt die illustratorische Perspektive deutlich öfter; man sieht nicht mehr nur aus den Augen des Bruders, sondern zunehmend auch mit einem neutralen Blick beide Kinder von außen.
Mit wenigen Worten wird hier eine berührende, witzige und letztlich ganz alltägliche Geschichte vom Erwachsenwerden erzählt. Mit all seinen Abenteuern, Glücksmomenten (das hübsche Mädchen am Spielplatz, das auf den nervigen kleinen Bruder aufpassen muss - geteiltes Leid ist doppeltes Gesprächsthema) und schmerzhaften Erfahrungen. Die emotionale Annäherung an die kleine Schwester braucht Zeit, erst im letzten Viertel des Buches lässt Alison McGhee ihren Erzähler das schreiben, worauf Schwester und Leser_innen schon lange warten: "Dein dich liebender Bruder."
Am Ende schließt sich der Kreis, das letzte Bild zeigt ein Buch in einem Postfach: "Lieber Bruder". Ob daraus ein reales Buch wird, darf bezweifelt werden - dieses Exemplar ist jedenfalls für alle Brüder und Schwestern wärmstens zu empfehlen!

Simone Weiss | STUBE

 

Ulf Stark: Als ich die Pflaumen des Riesen klaute

/ Ulf Stark. Ill. von Regina Kehn. Aus dem Schwed. von Birgitta Kicherer. - Stuttgart : Urachhaus, 2020. - 96 S. : Ill.
ISBN 978-3-8251-5222-2      fest geb. : ca. € 16,50

Ulf und Bernt sind beste Freunde. Wenn sie sich ordentlich gruseln wollen, dann gehen sie einfach zu Oskarsson, dem Riesen. Der wohnt nicht weit entfernt, in einem Haus, das eigentlich viel zu nett aussieht für so einen schaurigen Riesen. "Er war riesengroß, laut und lebensgefährlich. Wenn er den Mund aufmachte, sah man seine Goldzähne aufblitzen. Seine Unterarme und Handrücken waren von einem Teppich aus krausen schwarzen Haaren bedeckt." Sein Hawaiihemd zeuge von schlechtem Geschmack, sagt Papa, und lasse sich deshalb nicht schließen, weil der Riese zu viel Wurst und Speck esse. Bernt behauptet außerdem, der Stummel seiner Baskenmütze sei eine Antenne, um mit anderen Riesen zu kommunizieren. Eine Menge Leute sagen eine Menge Dinge über den Riesen, deswegen beobachtet ihn Ulf lieber nur aus der Ferne. Dabei bemerkt er allerdings auch, dass der Riese, wenn er der Musik von Ulfs Mutter lauscht, ganz sanft und ruhig wird.
Als der Rückzugsort von Ulfs Mutter bei einem Sturm zerstört wird und Bernt dann auch noch wegen eines Vorfalls mit dem Nachbarschaftsfiesling nicht mehr mit Ulf redet, ist womöglich genau der Riese der einzige, der noch helfen kann. Vielleicht steckt ja in der harten Schale ein weicher Kern?
"Als ich die Pflaumen des Riesen klaute" ist eines der letzten Kinderbücher, die der schwedische Erfolgsautor Ulf Stark vor seinem Tod 2017 noch fertigstellte. Abwechslungsreich und spritzig erzählt es über Vorurteile und Zusammenhalt, ohne dabei in irgendeiner Art zu pädagogisieren. Die Handlung und die von Regina Kehn auf ihre bewährt liebevolle Weise illustrierten Figuren versprühen einen ausgeflippten Charme. Ein riesiges Lesevergnügen ab 6 Jahren.

Alexander Pommer | STUBE

 

Lucia Leidenfrost: Wir verlassenen Kinder

: Roman / Lucia Leidenfrost. - Wien : Kremayr & Scheriau, 2020. - 190 S.
ISBN 978-3-218-01208-9      fest geb. : ca. € 19,90

Düstere Parabel über ein Dorf, in dem die Kinder gezwungenermaßen das Sagen haben. (DR)

Ein abgeschiedenes Dorf in einem nicht benannten Land zu einer unbekannten Zeit ist der Schauplatz dieses beklemmenden Debütromans der österreichischen Autorin Lucia Leidenfrost. Dystopisches Flair wird bereits mit den ersten Zeilen versprüht: Die letzten im Dorf verbliebenen Eltern verlassen, ohne ersichtlichen Grund, ihre Kinder, sodass sich dort nur mehr neunzehn größere und kleinere Kinder und vereinzelte Großeltern, die sich im Verlauf der Geschichte jedoch auch aus dem Staub machen, befinden. Ohne die elterliche Führung bestimmen fortan die Kinder über Gesetze und Regeln des Dorfes - ein anfänglich harmloses Regelwerk wächst sich zunehmend zu einem erbarmungslosen System aus Macht und Gewalt aus, dem sich alle zu unterwerfen haben. Nur Mila beugt sich diesem nicht. Hoffnung und Moral schwinden, sie allein hält daran fest, dass sie ihrem düsteren Schicksal entkommen können.
Der Roman lässt vieles im Unklaren und spart mit Erklärungen. Damit entspinnt sich die über dem gesamten Roman stehende Frage: Warum verlassen die Erwachsenen das Dorf und weshalb treiben Eltern ihre eigenen Kinder in diese universale Vernachlässigung? Auf der anderen Seite erzeugt das Gedankenspiel rund um die Kinder als Gesetzgeber ethische Sprengkraft. Höchst spannendes, aber auch verstörendes Buch, das viel Spielraum für Interpretationen bietet. Unbedingt zu empfehlen.

Anna Goiginger | biblio

Karin Peschka: Putzt euch, tanzt, lacht

: Roman / Karin Peschka. - Salzburg : Otto Müller Verlag, 2020. - 312 S.
ISBN 978-3-7013-1274-0      fest geb. : ca € 18,99

Projekt eines widerständigeren Älterwerdens. (DR)

Die 57-jährige Fanni flüchtet - zunächst impulsiv und unsicher - aus ihren Lebensumständen, verlässt aber dann Ehe, Familie, Haus und Beruf und die damit verbundenen tradierten Regeln und Rollen. Sie findet Unterschlupf in einer halb verlassenen Almhütte und einer ebensolchen Freundschaft, hat Panikattacken, wird von einer neuen Freundin aufgepäppelt und stabilisiert, macht eine psychologische Reise in ihre Biografie und entdeckt die Stränge, die sie zeitlebens durchzogen haben. In immer sicherer gelingenden Akten der Selbstermächtigung schafft sie Rebellion und Emanzipation und gründet eine alternative freisinnige Wohnform, wo sie "sich an Besitz und Beziehung nicht binden lassen" möchte. Diese "Schutzhütte" stellt im Verhältnis zu ihrem vorherigen Leben eine Art optimistisches, aus der Zeit gefallenes Idyll dar, das ihr glückhaft zugefallen ist und welches sie zu kultivieren vorhat.
Mithilfe mehrerer Zeitebenen, ausgesparter Informationen, Bewegungen zwischen Orten und Figuren sowie leichter Verfremdung durch Verschiebung in die nahe Zukunft und mit einer Unmenge an Metaphern schafft Peschka sowohl einen gelungenen Spannungsbogen als auch funktionierende Bezugskontexte.
Peschkas literarisches Werk sollte - vielleicht mit diesem Buch - Platz finden in der Abteilung österreichischen Gegenwartsliteratur.

German Brandstötter | biblio

Liebe

/ Hélène Delforge ; Quentin Gréban. Aus dem Franz. von Anna Taube. - München : arsEdition, 2020. - [72] S. : überw. Ill.
ISBN 978-3-8458-3670-6      fest geb. : ca. 20,60

Die Liebe in all ihren Facetten. (DD)

Literaten und bildende Künstlerinnen widmen sich seit Jahrhunderten dem ewigen Thema der Liebe, beides wird in diesem französischen Bilderbuch für Erwachsene bravourös zusammengeführt. Abgesehen von zwei Doppelseiten werden in diesem Werk 30 Spielarten der Liebe mit einem kurzen poetischen Text und einer Schwarz-Weiß-Abbildung auf der linken sowie einer farbigen Illustration auf der rechten Seite thematisiert. Die ansprechenden Bilder verweisen größtenteils auf historische Szenen aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und lassen mitunter den Blick über den europäischen Raum hinaus nach Amerika, Asien oder zu den Inuit schweifen. Außerdem finden sich Bezüge zur Kunstgeschichte, so wird im Text auf Ingres Odaliske verwiesen, noch offensichtlicher sind die Referenzen im Bild, sei es eine Abbildung, die an Man Rays Oeuvre erinnert, sei es eine homoerotische Szenerie in der Ästhetik Alfons Muchas. Die abwechslungsreichen Liebesgeschichten sind nur in Ausnahmefällen in der Geschichte verankert, meist sind sie - wie die Liebe - zeitlos. Dieses Buch ist ein wunderschön gestaltetes Bilderbuch über Verliebtheit, Verführung, Erotik, Liebe und deren Scheitern.

Sandra Brugger | biblio

Trinh Xuan Thuan: Die Magie der Nacht

: eine wissenschaftliche Reise von der Abenddämmerung bis zum Morgengrauen / Trinh Xuan Thuan. Aus dem Franz. von Andreas Jandl. Mit 51 farb. Abb.. - München : Piper, 2019. - 247 S. : Ill.
ISBN 978-3-492-05936-7      fest geb. : ca. € 25,70

Ein naturwissenschaftlicher Streifzug durch die Nacht aus Sicht der Astrophysik. (NS)

In drei großen Kapiteln nimmt der Autor die LeserInnen auf eine faszinierende Reise mit durch den Nachthimmel und zu den unendlichen Weiten der Galaxie. Es beginnt beim "Übergang vom Tag zur Nacht" mit einem kleinen Exkurs zur Nachtzeit der Liebenden, taucht dann ein in die "Tiefe der Nacht", die auch eine Zeit der Ängste ist und schließt, wenn "die Nacht zur Neige" geht. Das wechselnde Gesichter der Nacht ist der erzählerische Leitfaden, der sehr anschaulich durch persönliche Erlebnisse des Autors und Beobachtungen anhand astrophysischer Forschungstätigkeiten ergänzt wird. Es werden viele Informationen zur Entstehung des Universums, zu einzelnen Planeten, Astroiden oder Neutrinos geliefert , aber auch schwierige Begriffe wie Dunkle Materie, Dunkle Energie, Schwarzen Löcher oder Rote Riesen und Weiße Zwerge werden erklärt. Zusammenfassend folgt dann die Vorstellung vom "Multiversum" mit der Überzeugung des Autors, dass das menschliche Bewusstsein und die kosmische Evolution "vorprogrammiert" seien. Diese Fakten sind eingebettet in Meditationen über die Nacht und den Sternenhimmel und werden durch doppelseitige Fotos und Gemälde von Munch, Magritte, van Gogh, Chagall oder Turner veranschaulicht, was ein hoch emotionales Leseerlebnis auslöst und spirituelle Zugänge neben fundierter Wissensvermittlung eröffnet.

Jutta Kleedorfer | biblio

Kristina Müller: Fold & Relax

: Origami und innere Ruhe / Kristina Müller. - Stuttgart : Freies Geistesleben, 2019. - 159 S. : überw. Ill.
ISBN 978-3-7725-2940-5      fest geb. : ca. € 24,70

Papierfaltkunst trifft auf Meditation. (VB)

Ansprechende Fotos, Anleitungen zu Origami-Modellen in unterschiedlichen Schwierigkeitsstufen, japanische Weisheiten und Hintergrundwissen zur Kunst des Papierfaltens vereint Kristina Müller in ihrem hochwertigen und ausgesprochen geschmackvoll gestalteten Buch.
Authentisch vermittelt die Autorin in ihren knappen Texten, etwa zur "Schönheit der Dinge" oder "Kunst des Wahrnehmens" das sinnliche, aber auch konzentrationsfördernde Potenzial des Origami. Grundlegende Informationen, beispielsweise zu Papier und Falttechniken sowie übersichtliche Schritt-für-Schritt-Anleitungen erleichtern AnfängerInnen den Einstieg. Außerdem inszeniert die Grafikerin die Faltprojekte in ihren Fotos so, dass selbst bei leichten Modellen wie dem Papierflieger klar wird, wie diese Dekorationsobjekte im Alltag eingesetzt werden können. Für jedes Origamiprojekt gibt es konkrete Verwendungsvorschläge, von der Muffin-Deko, über die (Geld-)Geschenk-Verpackung bis hin zum Blütenball, einer modularen Origami-Skulptur. Origami-Profis werden wohl wenig Neues entdecken, aber das hochwertige Buch eignet sich für EinsteigerInnen, kreative Japan-LiebhaberInnen und Menschen, die diese Art des Gedächtnistrainings ausprobieren wollen.

Monika Brugger | biblio

Christoph Kreitmeir: Der Seele eine Heimat geben

: spirituelle Impulse für ein gutes Leben / Christoph Kreitmeir. - Gütersloh : Gütersloher Verl.-Haus, 2019. - 156 S.
ISBN 978-3-579-07036-0      fest geb. : ca. € 16,50

Die Quellen innerer Kraft entdecken. (PR)

In einer Welt, die immer schneller und lauter wird, wächst die Sehnsucht nach Halt und innerem Frieden. Die Menschen von heute sehnen sich immer mehr nach Heimat, Zugehörigkeit und Geborgenheit. Die Sehnsucht ist ein entscheidendes Grundmotiv menschlichen Suchens und Denkens. In seinem Buch geht der Franziskanermönch und Seelsorger Christoph Kreitmeir den Wünschen spirituell interessierter LeserInnen nach,damit diese bei sich selbst ankommen können.
Ziel seines Buches ist es zu ermuntern, den eigenen, individuellen "Weg nach innen" zu suchen und auch zu gehen. Die LeserInnen können aus einer Vielzahl von Wegen wählen, denen sie folgen können. Es ist eine gute Quelle, aus der man für sich die richtigen Impulse suchen und finden kann. Es unterstützt dabei, seinen eigenen inneren Raum und damit seine Kraftquelle und Seelenruhe zu entdecken. Denn die Aufgabe eines jeden Menschen ist es, der Sehnsucht nach diesem selbst gewählten inneren Entwurf Schritt für Schritt zu folgen. Es geht darum, immer präziser zu derjenigen Person zu werden, die man in seiner Tiefe bereits ist.
Dieses sehr empfehlenswerte Buch zeigt den LeserInnen einen brauchbaren Weg, wie sie über die Entschleunigung, die Stille und die das Alleinsein zu sich selbst finden können.

Ingrid Preßl | biblio

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