Buchtipps / 2019 / Dezember
erstellt von der STUBE und dem Österreichischen Bibliothekswerk
Zoran Drvenkar: Licht und Schatten
/ Zoran Drvenkar. - Orig.-Ausg. - Weinheim : Beltz & Gelberg, 2019. - 584 S.
ISBN 978-3-407-75462-2 fest geb. : ca. € 20,60
Wer sich im dem Trubel der Weihnachtszeit in eine winterlich-fantastische Welt hineinlesen möchte, wird hier fündig: An einem eiskalten Wintertag des Jahres 1704 kommt in einem sibirischen Dorf ein Kind auf die Welt. Ein Mädchen namens Vida, dem in der Kapitelüberschrift bereits eine zentrale Charaktereigenschaft zugewiesen wird: "Das Mädchen, das geboren werden wollte." Das erinnert nicht zufällig an Harry Potter, denn mit ihm und vielen anderen Figuren der Weltliteratur (und -religionen…) hat sie gemeinsam, dass ihr eine besondere Aufgabe zukommt: Sie ist die erste reine Seele, sie ist ein erlösendes Kind. Doch worin genau diese Aufgabe liegt und welche Eigenschaften sie sich dafür aneignen muss, wird sich erst zeigen. Auf üppig auserzählten fast 600 Seiten entfaltet der Autor eine faszinierende, aber auch durchaus grausame Welt, die verschiedenste mythologische und märchenhafte Elemente beinhaltet: Die drei Tanten, die Vida gemeinsam mit ihrem Vater Solomon aufziehen, sind bereits Millionen Jahre alt und waren ursprünglich Licht. Der Wächter will Vida zerstören, braucht dafür jedoch einen geeigneten Wirtskörper. Doch beauftragt wird er von einer Göttin, die wiederum auf besondere Weise mit den Tanten verbunden ist…
Kathrin Wexberg | STUBE
Wir sind Tiger
/ Edward van de Vendel ; Ingrid und Dieter Schubert. Aus dem Niederländ. von Rolf Erdorf. - Frankfurt : Fischer Sauerländer, 2019. - [13] Bl. : überw. Ill. (farb.)
ISBN 978-3-7373-5576-6 fest geb. : ca. € 15,50
Eigentlich sind sie ganz anders als es wirkt – davon sind Erdmännchen Mo und Gazelle Max überzeugt. Sie sind in Wirklichkeit Tiger, zumindest „innen drin“. Die Maus Wendelin jedoch widerspricht entschlossen und ein wenig arrogant: „Nei-hein!“, woraufhin ihm natürlich mit flott aufgemalten Streifen und wildem Gebrüll das Gegenteil bewiesen werden muss. Und die Eigenschaften eines Tigers sogar noch bis zum Supertiger gesteigert werden… Aber es gibt Situationen, da reicht selbst das Supertiger-Dasein nicht, wenn sich z. B. die Frage stellt, wie man von einem hohen Baum wieder herunterkommt. Bis sich die Rollen umkehren und diesmal Maus Wendelin die rettende Idee hat, welcher tierischer Superlativ nun gefragt ist.
Die vor allem in gedeckten Erdtönen gehaltenen, unglaublich witzigen Illustrationen von Dieter und Ingrid Schubert entsprechen der natürlichen Umgebung der tierischen Hauptfiguren. Als zusätzliche Bild-Pointe für aufmerksame Bilderbuchbetrachter_innen ist in den erdigen Farbverläufen des Hintergrunds von Anfang an jemand versteckt…
Melanie Reder | STUBE
Sarah Breen: OMG, diese Aisling!
: Roman / Sarah Breen ; Emer McLysaght. [Übers.: Barbara König]. - München : bold, 2019. - 332 S.
ISBN 978-3-423-23002-5 kart. : ca. € 15,40
Quietschlebendiger Liebesroman, der sein Profil auch durch ernste Themen schärft. (DR)
Aisling ist seit Jahren in einer eigentlich glücklichen Beziehung - eigentlich, weil sie sehnlichst auf einen Heiratsantrag ihres Freunds John wartet. Als dieser im Urlaub sein Handy für ein Selfie anstatt eines Rings aus der Hosentasche zaubert, platzt Aisling der Kragen. Sie macht Schluss, zieht in eine Mädels-WG in Dublin, findet großartige Freundinnen und feiert wilde Partys. Doch Aislings Lebensfreude wird schnell getrübt, als die Erkrankung ihres Vaters zurückkehrt. Ihre Freundinnen sind ihr in dieser Zeit eine große Stütze und auch John taucht immer wieder auf. Ist die Geschichte der beiden vielleicht doch noch nicht zu Ende?
"OMG, diese Aisling" beginnt wie ein typischer Liebesroman, der auf komische Weise eine sympathische, leicht neurotische Protagonistin und ihre Welt darstellt. Zu Beginn werden die Schilderungen zu sehr ausgedehnt, verdichten sich aber nach und nach. Mit fortschreitender Handlung differenziert sich das Buch von anderen Vertretern seines Genres. Das Bangen um einen geliebten Menschen und die Beschäftigung mit dem Tod nehmen vor allem in der zweiten Hälfte Raum ein, ohne jedoch allzu bedrückend zu werden.
Der lustig-leichte Liebesroman profitiert durchaus von den ernsten Einstreuungen und ist insgesamt unterhaltsam, berührend und authentisch.
Alexandra Gölly-Liebich | biblio
Fuminori Nakamura: Der Revolver
: Roman / Fuminori Nakamura. Aus dem Japan. von Thomas Eggenberg. - Zürich : Diogenes, 2019. - 184 S.
ISBN 978-3-257-07061-3 fest geb. : ca. € 22,70
Die Anziehungskraft des Bösen und wie man zu einem Waffen-Narren wird. (DR)
Der Ich-Erzähler, ein Student, findet bei einem nächtlichen Spaziergang in Tokio nicht nur eine Leiche, sondern auch einen Revolver. Es ist unklar, ob es sich um die Mordwaffe handelt oder ob ein Selbsttötungsdelikt vorliegt. Jedenfalls nimmt der Student den Revolver an sich und mit nach Hause. Die Waffe löst ein beglückendes, berauschendes Gefühl bei ihm aus, belebt ihn direkt. Er nimmt sie sogar mit an die Uni. Mehr und mehr ergreift sie von ihm, seinen Gedanken und Phantasien Besitz. Bei seinen sozialen und sexuellen Kontakten hingegen verhält er sich recht unbezogen, ja, herzlos, vermag ihnen weder Dauer noch Intensität zu verleihen. Selbst der nahe Tod seines Vaters, der ihn einst zur Adoption freigegeben hat, löst kaum Gefühle in ihm aus. Seine ganze Aufmerksamkeit gilt dem Revolver, der direkt danach verlangt, wieder einmal abgefeuert zu werden. Denn noch stecken vier Kugeln in der Trommel der Handfeuerwaffe. Obwohl der Todesfall, dem die Waffe zuzuordnen war, bald zu den polizeilichen Akten gelegt wird, taucht eines Tages ein Polizist auf, der davon überzeugt ist, dass der Student die Waffe besitzt. Mehr soll vom Inhalt des sich stetig zuspitzenden Romans nicht erzählt werden.
Spannend und stringent erzählt Nakamura in seinem Erstlingsroman, der bereits 2003 auf Japanisch erschien, auf ein überraschendes Ende hin. LeserInnen von Psychokrimis und Bibliotheken sehr zur Anschaffung empfohlen.
Fritz Popp | biblio
Shannon Dunlap: We will fall
: eine Liebesgeschichte / Shannon Dunlap. Aus dem amerikan. Engl. von Henriette Zeltner. - Mannheim : Sauerländer, 2019. - 365 S.
ISBN 978-3-7373-5601-5 fest geb. : ca. € 17,90
Eine Neuinterpretation zu "Tristan und Isolde", in der eine junge Liebe geschildert wird, die etliche Konflikte und selbstverständlich viel Gefühl mit sich bringt. (ab 14) (DR)
Die 16-jährige Izzy ist alles andere als begeistert, als sie mit ihrer Familie von der Lower East Side nach Brooklyn ziehen muss. Wohl oder übel muss sie sich an den Gedanken gewöhnen, von nun an ihren Alltag in einem anderen Viertel und in einer anderen Schule zu bestreiten. Doch ein schicksalhafter Augenblick lässt sie all die Mühsal vergessen: der Moment, in dem sie Tristan zum ersten Mal begegnet. Als sich ihre Blicke treffen, ändert sich für Izzy schlagartig alles und die Zeit scheint stillzustehen. Aber wo die Liebe ist, ist das Leiden auch nicht weit. Dieses wird durch Tristans Cousin Marcus ausgelöst, der bereits eigene Pläne mit Izzy schmiedet, um ihren Zwillingsbruder zu verärgern. Zumindest ist das sein ursprünglicher Gedanke...
Neben den Perspektiven des Liebespaares Izzy und Tristan wird die von Brianna erzählt, die heimliche Gefühle für Marcus hegt, wodurch eine weitere Spannung vorprogrammiert ist. Durch diese drei verschiedenen Perspektiven fühlt man als Leser/in mit den einzelnen erzählenden Figuren mit, wie sie sich Gedanken um die Liebe und deren Konsequenzen machen.
Abgesehen von den verwendeten Namen weisen auch die Handlungsstränge dieses Buchs auf jene Geschichte hin, auf welcher diese Neuinterpretation basiert: Tristan und Isolde. Diese moderne Version schildert eine zeitgenössische Liebesgeschichte, in der es wie im Original nicht an Spannung und Dramatik fehlt. Für all jene, die das Original kennen, kann das Buch eine gelungene Neuinterpretation eines geliebten Werkes sein. Und für all jene, denen der Stoff nicht bekannt ist, eröffnet sich ein spannendes Lesevergnügen, das Lust auf das Original machen kann.
Lena Silberschneider | biblio
György Dalos: Für, gegen und ohne Kommunismus
: Erinnerungen / György Dalos. Dt. Bearb. von Elsbeth Zylla. - München : C.H.Beck , 2019. - 312 S. : Ill.
ISBN 978-3-406-74103-6 fest geb. : ca. € 26,80
Die selbstkritische Autobiografie eines kommunistischen Abweichlers und Regimekritikers aus Ungarn. (BO)
György Dalos, der auch bei uns bekannte, 1943 geborene ungarische Schriftsteller und Dissident, erzählt sein Leben bis zum Fall des Kommunismus 1989. In der ungewöhnlichen Aneinanderreihung der Präpositionen "für, gegen und ohne" spiegelt sich seine Entwicklung von seiner schwierigen Kindheit als Holocaust-Überlebender über eine Jugendzeit als blindgläubiger Anhänger des Kommunismus, dem Studium in Moskau und die groteske maoistische Phase bis hin zur Opposition gegen den Gulasch-Kommunismus János Kádárs, die mit materieller Not und familiären Krisen einherging.
Wie kaum ein anderer kann der ungarische Literat und Übersetzer Persönliches und Politisches, Autobiografie und Zeitgeschichte zueinander in Beziehung setzen und dabei ohne Selbstmitleid darstellen, was er aus seinen politischen Irrungen für sich und sein Land, ja für ganz Europa gelernt hat. Ein hoch brisantes Buch, auch wenn der Kommunismus - nicht aber autoritäre Regierungsformen! - derzeit überwunden zu sein scheint.
Wolfgang Moser | biblio
Martha Stewart: Das Handbuch für (fast) alles
/ Martha Stewart. Aus dem Amerikan. übertr. von Monika Böhme-Garnweidner, Stefanie Schaeffler und Ulrike Frey. - München : Edition Michael Fischer, 2019. - 383 S. : zahlr. Ill. (farb.)
ISBN 978-3-9609346-0-8 fest geb. : ca. € 28,80
Ein aktuelles Nachschlagewerk rund um Haushalt und Wohnen. (VL)
Martha Stewart bietet in diesem Sammelband eine Auswahl ihres alltagspraktischen Wissens für Haus und Garten aus drei Jahrzehnten. Es ist ein aktuelles Sachbuch für ein schönes Zuhause in der Nachfolge jener "Handbuchtradition für die gute Hausfrau", die in den 50er Jahren in England entstand und sich zum DIY-Trend - Do it yourself - weiterentwickelte. Auf knapp 400 Seiten finden sich Anleitungen, wie man alltägliche und notwendige Aufgaben im Haus und Garten effizient, gründlich, kreativ und mit Freude erledigt. In den insgesamt zwölf Themenblöcken geht u. a. um Ordnung halten, Reparieren und Instandhalten, Renovieren und Verschönern, Saubermachen und Wäsche machen, kreatives Handarbeiten, Pflanzenpflege in Haus und Garten, Gäste empfangen, Freizeit gestalten, Kochen und Backen, Feste feiern, Haustiere halten und vieles mehr. Bei all diesen Tätigkeiten geht es darum, ohne professionelle Hilfe etwas selbst zu reparieren und zu verbessern, Dinge wiederzuverwenden oder aus eigener Initiative etwas selbst herzustellen.
Wichtig ist jedoch, über die erforderlichen Produktionsmittel, d. h. Werkzeuge, Materialien und Fähigkeiten zu verfügen und sich auch Zeit für die Arbeiten zu nehmen. Zu jedem der zwölf Themenbereiche gibt es eine einführende Beschreibung mit persönlichen Ich-Botschaften der Autorin, in denen sie vorab erklärt, was zu tun ist, was man selbst machen kann und wie man anhand von Schritt-für-Schritt-Anleitungen zu einem guten Ergebnis kommt. Anschauliches Bildmaterial, Skizzen und inspirierende Farbfotos motivieren zudem, sich ein schönes, behagliches Zuhause zu gestalten. Auflockernd wirken auch die eingestreuten Kommentare der Autorin, wie z. B. dass jeder durch Resteverwertung automatisch seinen ökologischen Fußabdruck verkleinert. Eine Empfehlung für jeden Haushalt, jedes Bücherregal und natürlich für Bibliotheken.
Jutta Kleedorfer | biblio
Hubert Wolf: Zölibat
: 16 Thesen / Hubert Wolf. - München : C.H. Beck , 2019. - 190 S.
ISBN 978-3-406-74185-2 kart. : ca. € 15,40
16 historisch fundierte Thesen zur Abschaffung des Pflichtzölibats. (PR)
Das hierarchisch-klerikale System sei am Ende und der Zölibat als Instrument seines Machterhalts abzuschaffen. Das fordert kein renitenter Antiklerikaler, sondern der Priester und renommierte Kirchenhistoriker Hubert Wolf in seiner aktuell vorliegenden Monografie zum kirchlichen Dauerbrenner Zölibat. Die Fakten und Argumente für seine radikale Ansage bringt der Autor in einem Gang durch die Kirchengeschichte in 16 Thesen vor und führt zum Beispiel an: Der Zölibat sei biblisch nicht begründbar und kein Dogma, er habe im Mittelalter nur dem ökonomischen Machterhalt gedient und sei ein Risikofaktor im Hinblick auf den sexuellen Missbrauch durch Priester, zudem gäbe es viele Ausnahmen, etwa in katholischen Ostkirchen oder bei konvertierten evangelischen oder anglikanischen Geistlichen. Letztlich laufe die Zölibatsfrage auf eine Güterabwägung hinaus, sich im Interesse der heilsnotwendigen Eucharistie gegen den nicht heilsnotwendigen Zölibat zur Behebung des Priestermangels zu entscheiden. Im Grunde bringt Wolf damit keine neuen Fakten in die Diskussion ein. Sein Verdienst ist es aber, dass er die Argumente gegen den Zölibat - mögliche Pro-Argumente fehlen - systematisch, wissenschaftlich fundiert und zudem verständlich lesbar vorbringt.
Karl Krendl | biblio