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biblio : aktuelle buchtipps

Buchtipps / 2023 / Juni

erstellt von der STUBE und dem Österreichischen Bibliothekswerk

Corey R. Tabor: Pips fliegt

/ Corey R. Tabor ; übersetzt von Ebi Neumann.
- Stuttgart : Thienemann, 2023. - 40 Seiten : Illustrationen
ISBN 978-3-522-46003-3       Festeinband : EUR 15,50 (AT)

Der Eisvogel war bislang noch eher selten zu Gast im erzählenden Bilderbuch. Dafür setzt ihn der US-amerikanische Autor Corey R. Tabor umso mehr in Szene. Oder vielmehr sie. Denn Pips erklärt ihren Geschwistern, dass sie jetzt flügge sein wird, denn »Heut lern ich fliegen. Endlich Schluss mit der Nesthockerei.« Und diesen Worten folgen Taten: Todesmutig wirft sich Pips vom Ast - und fällt. Einer rasanten Abwärtsbewegung folgend wird hier mit dem Buchformat gespielt. Im Querformat fällt das Vogelkind: Während auf der rechten Bildhälfte der nicht enden wollende Baumstamm als Konstante fungiert, setzt der Künstler immer andere Tierwesen in den Weißraum, an denen Pips vorbeifällt. Eulen, die die Augen weit aufreißen, Eichhörnchen, die den Vogel unbedingt auffangen wollen oder Schnecken, die leider zu langsam sind, um irgendwas zu unternehmen. Mit aufgerissenen Augen, was den Illustrationen einen gewissen Witz verleiht, wird dem fallenden Geschöpf hilflos nachgeblickt. Bis Pips mit einen großen Platsch in das Gewässer am Fuße des Stamms eintaucht. Mit dem Eintauchen ins Wasser – was dem natürlichen Jagdvorgang eines Eisvogels entspricht – wechselt die Perspektive und Ausrichtung des Buchs. Nach dem Eintauchen und dem Fangen eines Fisches muss auch wieder aufgetaucht werden und damit werden die Leser*innen dazu eingeladen, gemeinsam mit dem Vogelkind die Richtung zu wechseln und fliegen zu lernen. Denn wo vorher gefallen wurde, wird jetzt geflogen: Vorbei an all den Tieren, die gebangt haben, nun jubeln, wird das Nest wieder erreicht. Und es wird gejubelt, auch wenn die Beute unterwegs verloren gegangen ist und der Fisch seinerseits fällt, fällt, fällt. Mit wenig Text, viel Weißraum und tierischem Figurenensemble erzählt Tabor von einem mutigen Vogelkind, dem das Experiment »Fliegenlernen« glückt.

Alexandra Hofer | STUBE

Sigrid Zeevaert: Greta

; mit Bildern von Ulrike Möltgen.
- München : Tulipan Verlag, 2023. - 159 Seiten : Illustrationen
ISBN 978-3-86429-571-3       Festeinband : EUR 15,50 (AT)

Ein verwunschenes Haus, direkt an einem einsamen See: Das ist jener Ort, an dem Greta den langen ersehnten Sommerurlaub mit ihrer alleinerziehenden Mutter verbringen wird. Doch es ist nicht irgendein Haus und nicht irgendein See: Es ist das Haus von Jella, einer Schuldfreundin von Gretas Mutter, die hier mit ihren beiden Kindern Jonah und Jamila wohnt, seit sie aus Kenia zurückgekehrt sind. Alles könnte so schön und idyllisch wie die das Haus umgebende Natur sein, aber – wie so oft – trügt der Schein: Jonah hat ein Geheimnis, verschwindet immer wieder und scheint sich über Gretas Besuch nicht wirklich zu freuen. Hängt das mit dem Boot zusammen, das mehrmals auf dem See treibt, obwohl es gut am Steg vertäut war? Und welche Rolle spielen die – vermeintlichen – Freunde von Jonah? Nach und nach erfährt Greta, was sich hinter all den Geheimnissen und Fragen verbirgt, und lernt, was es heißt, als unerwünschte Fremde in der Dorfgemeinschaft zu gelten. Denn Jonah und Jamila gelten – qua ihrer Herkunft – in dem konservativ geprägten Dorf als Außenseiter*innen; ein Status, der sie immer wieder, auch körperlich, zu Angriffszielen macht… Doch für Greta ist klar: Sie steht den beiden bei. Feinfühlig erzählt Sigrid Zeevaert eine Geschichte von Freundschaft und Zusammenhalt, in der Themen wie Rassismus und Ausgrenzung nicht plakativ, sondern poetisch verhandelt werden. Abgerundet wird der Roman durch die wunderbaren Schwarz-weiß-Illustrationen von Ulrike Möltgen.

Julia Lückl | STUBE

Gudrun Seidenauer: Libellen im Winter

: Roman / Gudrun Seidenauer. - Salzburg : Jung und Jung, 2023.
- 434 Seiten ISBN 978-3-99027-274-9      Festeinband : EUR 24,00 (AT)

Drei Frauen sind einander in unverbrüchlicher Freundschaft
verbunden. (DR)

Die erzählte Zeit umfasst die Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg, Ort der Handlung ist vorwiegend Wien. Es geht um drei Frauen, die sich in diesen sehr schweren Zeiten allein durchschlagen müssen bzw. wollen. Mali ist - schwanger von ihrem Halbbruder Roland - als Volksdeutsche vor der herannahenden Roten Armee nach Wien geflohen, wo sie in der geräumigen Wohnung ihrer Tante Ada Unterschlupf findet. Vera hat einem amerikanischen GI, der sie vergewaltigen wollte, in ihrer Not mit einem Stein auf den Kopf geschlagen. Da in dieser Gewitternacht ein umstürzender Baum auf den Soldaten fällt, bleibt dieser vermutliche Totschlag unbemerkt. Diese die beiden Frauen quälenden Geheimnisse erzählen sie sich gegenseitig in einer Nacht in Adas Wohnung und halten dicht. Grete dolmetscht für die Amerikaner, hat zahlreiche Liebschaften mit Besatzungssoldaten, lässt sich dafür mit Luxusartikeln wie Nylonstrümpfen und Schokolade bezahlen. In Wahrheit ist sie aber lesbisch, was ebenfalls ein bedrohliches Geheimnis ist, das sie mit ihren Freundinnen Vera und Mali teilt.
Wie Libellen im Winter, die man zwar nicht sieht, die es aber auf jeden Fall gibt, trägt eine wahre Freundschaft die Beziehung dieser drei Frauen: Sie fühlen sich mit Malis Sohn Robert wie eine Familie. Gegen Ende der ermutigenden Geschichte, als Mali bereits über 90 und in einem Heim ist, tritt noch die von IS-Mördern geschändete Jesidin Manal als ihre Pflegerin ins Geschehen ein. Mali und Manal fühlen sich wegen ihres vergleichbaren Schicksals innerlich verbunden.
Ein sehr berührender, letztlich tröstlicher Roman zum Thema »wahre Freundschaft«. Empfehlenswert!

Maria Schmuckermair | biblio

Jenny Lund Madsen: 30 Tage Dunkelheit

: Kriminalroman / Jenny Lund Madsen ; aus dem Dänischen von Julia Gschwilm.
- Stuttgart : Tropen, 2023. - 397 Seiten
ISBN 978-3-608-50165-0      Broschur : EUR 18,50 (AT)

Eine Krimi-Autorin auf Inspirationssuche wird unfreiwillig zur Ermittlerin in einem Mordfall auf Island. (DR)

So hat sich die Autorin Hannah Krause-Bendix ihre kreative Auszeit auf Island nicht vorgestellt. Ursprünglich ist sie auf der Suche nach Inspiration auf die Insel gekommen, denn in einem Anfall von Überschwang hat sie behauptet, dass jeder Idiot innerhalb eines Monats einen Krimi schreiben könne. Diese Worte waren eigentlich auf ihren Konkurrenten Jorn gemünzt und wurden vor großem Publikum auf der Buchmesse ausgesprochen. Ihr Lektor schickt sie nun ausgerechnet für genau diese Aufgabe nach Island, wo sie hofft, Ruhe und genug Zeit zu finden, um an ihrem neuen Kriminalroman zu arbeiten. Denn schon zu lange leidet sie an einer Schreibblockade. Nur wenige Tage nach ihrer Ankunft wird eine Leiche in dem idyllischen kleinen Dorf entdeckt - ausgerechnet der Neffe von Hannahs Gastgeberin! Und die Einwohner halten natürlich dicht. Das Letzte, was bei einem solchen Vorfall gebraucht wird, ist eine ausländische Schriftstellerin, die herumschnüffelt. Doch Hannah lässt ihre Ermittlungen in den Roman einfließen.
Das Roman-Debüt der dänischen Drehbuchautorin Jenny Lund Madsen ist ein überaus gelungener Krimi: kurzweilig, humorvoll und spannend zugleich. Eine tolle Empfehlung auch für die kommende Urlaubszeit und für alle Bestände geeignet.

Sabine Eidenberger | biblio

Martin Suter: Melody

: Roman / Martin Suter. - Zürich : Diogenes, 2023. - 331 Seiten
ISBN 978-3-257-07234-1      Festeinband : EUR 26,80 (AT)

Geheimnisse und Mysteriöses aus Jahrzehnten werden während einer Nachlassverwaltung aufgewirbelt. (DR)

Der Jurist Tom Elmer, nach sechs Wochen noch immer erfolglos in seiner Jobsuche, bekommt unerwartet ein reizvolles Angebot. Er soll gegen überdurchschnittliche Bezahlung den Nachlass eines reichen alten Mannes sichern, ordnen und gemäß den Wünschen seines Auftraggebers entsprechend gefiltert für die Nachwelt aufbereiten und dauerhaft archivieren. Dieser ist niemand Geringerer als der reiche, in einer feudalen Villa am Zürichsee logierende Dr. Peter Stotz, Nationalrat a. D., ein einflussreicher Politiker, erfolgreicher Unternehmer und eine bestens vernetzte Gesellschaftsgröße. Tom wird für seine Aufgabe reichlich belohnt, erhält freie Kost und Logis, muss sich allerdings dem Tagesablauf seines exzentrischen Auftraggebers absolut unterordnen und jederzeit zu dessen Verfügung stehen.
Bald erfährt er Interessantes von jener geheimnisvollen dunkelhaarigen Frau, deren Porträts im ganzen Haus hängen. Melody war einst Stotzs große Liebe, doch kurz vor der geplanten Heirat verschwand sie auf mysteriöse Weise. Zusehends gerät nun der junge Jurist in den Sog dieser vermeintlich tragischen Beziehung, deckt Ungereimtheiten auf und meint einem rätselhaften, wenn nicht gar kriminellen Geheimnis auf der Spur zu sein. Doch dann stirbt Stotz und damit versiegen auch seine mysteriösen Erzählungen. Tom, durch das Testament finanziell und rechtlich gut abgesichert, beginnt, unterstützt von Stotzs Nichte, Melody nachzuspüren. Dabei entdeckt er so manches vertuschte Detail in der Erzählung des sitzengelassenen Bräutigams.
Suters neuer Roman reiht sich perfekt und routiniert in sein bereits sehr umfangreiches und lesenswertes Oeuvre ein. Gekonnt subtil lässt er die Leser*innen hinter die bröckelnde Fassade einer willentlich konstruierten Lebensgeschichte eines reichen manipulativen Menschen blicken. Fazit: Spannend, unterhaltsam und überaus lesenswerte Literatur.

Barbara Tumfart | biblio

Hannah Fry & Adam Rutherford:
Der ultimative Guide zu absolut Allem*

: (*gekürzt) / Hannah Fry ; Adam Rutherford
; aus dem Englischen von Hans-Peter Remmler.
- München : C. H. Beck, 2023. - 285 Seiten
ISBN 978-3-406-79785-9      Festeinband : EUR 23,70 (AT)

Weltwissen kompakt. (NA)

Die Mathematikerin Hannah Fry und der Genetiker Adam Rutherford servieren in ihrem jüngsten Werk das, was der Titel verspricht: absolut alles. Geballte Fakten werden dabei humorvoll und durchaus verständlich vermittelt, doch trotz des Lesevergnügens fordert die Interdisziplinarität und Fülle an Informationen die Lesenden permanent. Vom Pakicetus führt die Wissenschaftler nur ein kleiner Sprung zu antiken Schöpfungsmythen, Borges riesiger Bibliothek oder der Greenwich Time Lady.
Die neun großen Kapitel sind in weitere Unterkapitel gegliedert, sodass man diese Wissensladung auch in kleinen Dosen zu sich nehmen kann. Zusätzlich bieten Exkurse informative Texte etwa zur Supersehkraft der Fangschreckenkrebse, zu Alfred Hitchcock oder der Geschichte der Kalender. Fußnoten und ausführliche Quellenangaben zu jedem Kapitel liefern Interessierten vertiefende Informationen. Es scheint, als würden zwei sympathische Universalgelehrte aus dem Nähkästchen plaudern. Ein geistreiches Lesevergnügen!

Sandra Brugger | biblio

Josephine Kirsch: Makramee für Anfänger

: das Step-by-Step Einsteigerbuch / Josephine Kirsch.
- Gerlingen : Frechverlag, 2023. - 89 Seiten : Illustrationen
ISBN 978-3-7358-5119-2      Festeinband : EUR 15,50 (AT)

Orientalische Knotenkunst zum Selbermachen. (VB)

Makramee ist eine historische Art des Knotenknüpfens, die aktuell wieder überall zu sehen ist. Blumenampeln, umgarnte Windlichter, Lampenschirme, Wanddeko – Makramee kann für viele Bereiche eingesetzt werden.
Makramee besteht aus unterschiedlichen Arten von Knoten, die auch innerhalb eines Werkstückes variieren können. Bei der Auswahl des Garnes sind kaum Grenzen gesetzt, für Anfänger*innen ist es aber ratsam, sich an die Vorschläge der Autorin zu halten.
Der Aufbau des Buches ist linear: Nach einer allgemeinen Einleitung und Materialkunde werden die verschiedenen Knotenknüpftechniken anschaulich erklärt und danach folgen in ansteigendem Schwierigkeitsgrad die einzelnen Projekte. Dabei reicht die Spanne von kleinen Ohrringen mit wenigen Knoten bis zu großen Wandbehängen. Ein gelungener Ratgeber mit vielen Farbfotos und ausführlichen Erklärungen. Dem ersten eigenen Makramee-Projekt steht also nichts mehr im Weg.

Ursula Pirker | biblio

Franz Küberl: Zukunft muss nach Besserem schmecken

: die Herausforderungen für Kirche und Gesellschaft / Franz Küberl.
- Innsbruck ; Wien : Tyrolia Verlag, 2023. - 144 Seiten
ISBN 978-3-7022-4097-4      Festeinband : EUR 22,00 (AT)

Reflexionen zum Geschehen in Kirche und Welt auf der Grundlage eines Glaubens, der durch »Caritas« wirkt. (PR)

Franz Küberl, Präsident der Caritas Österreich zwischen 1995 und 2013, blickt hier auf sein Leben zurück. Ausführlich schildert er, wer und was von Kindesalter an seinen Glauben prägte. Der Autor zeigt aber auch die Grenzen auf, an die er geriet. Doch gerade diese veranlassten ihn wiederum, seinen Glaubensweg weiterzudenken. Unter den Personen, die er nennt, finden sich zwar Bischöfe und Mönche, aber auch Widerstandskämpfer. Besonders sticht eine Bäuerin aus Malawi hervor, die als Caritasbeauftragte ihres Ortes auf einem verlorenen Posten steht, aber trotzdem nicht aufgibt, weil es ja doch einmal besser werden könnte. Menschen wie sie leben das christliche Liebesgebot durch und durch, sie verkörpern damit ein Christentum, das für eine offene Kirche und eine gerechte Gesellschaft steht. Die katholische Soziallehre formuliert dieses Gebot zwar immer neu, dass die Kirche damit aber nicht wirklich punktet, liegt - neben vielen anderen Faktoren -auch an ihr selbst. Der Reformstau, der sich angesammelt hat, ist unübersehbar.
Die Beobachtungen, die Küberl im Blick auf die Kirche und auf das derzeit eher beunruhigende Weltgeschehen macht, die Schlussfolgerungen, die er zieht und die Lösungsansätze, die er anbietet, sind vielleicht für eine breite Allgemeinheit neu oder überraschend. Kritischer denkende Menschen, die sich auch um hintergründigere Informationen bemühen, werden sich bestätigt fühlen. Alles in allem ist hier schlüssig und prägnant auf den Punkt gebracht, was viele denken und wofür sie sich einsetzen.

Hanns Sauter | biblio

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