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biblio : aktuelle buchtipps

Buchtipps / 2021 / Februar

erstellt von der STUBE und dem Österreichischen Bibliothekswerk

Kathrin Schärer: Da sein

: was fühlst du? / Katrin Schärer. - München : Hanser, 2021. - [64] S. : überw. Ill.
ISBN 978-3-446-26956-9      fest geb. : ca. € 12,40

In der aktuellen Ausnahmesituation der Pandemie neigen Gefühle dazu, überzukochen - ob in den sozialen Medien oder im analogen Leben. Doch auch abseits der Pandemie gilt: mit Gefühlen konstruktiv umzugehen, ist eine Aufgabe, an der wohl die meisten Menschen ein Leben lang zu arbeiten haben. Je früher mensch damit beginnt, desto besser - und eine wichtige Voraussetzung dafür ist natürlich, die eigenen Gefühle wahrnehmen und benennen zu können. Dazu sind in den letzten Jahren einige sehr empfehlenswerte Bilderbücher erschienen: Mies van Houts "Heute bin ich" (aracari 2011) mit wunderbar ausdrucksstarken, mit Ölkreide gezeichneten Fischen, oder Theresa Bodners "In mir drin ist´s bunt" (Tyrolia 2020), in der Nuancen von Gefühlen durch farbstarke Vögel verkörpert werden. Auch die Schweizer Künstlerin Kathrin Schärer setzt in ihrem Pappbilderbuch auf tierische Figuren, die sie mit ihrem unnachahmlichen Talent für ausdrucksstarke Mimik umsetzt. Pro Doppelseite werden ein oder mehrere Tiere in einer Situation gezeigt, der wiederum mit schlichten zwei Wörtern ein Gefühl zugeordnet wird. Der Zusammenhang zwischen dem Geschehen und dem Gefühl ist dabei manchmal ganz offensichtlich (Wer kennt es nicht, vor der Auswahl an der Eistheke unentschlossen zu sein?), dann wieder bleibt er offen (Warum ist wohl der kleine Hase so wütend?). Dadurch werden klug Gesprächsanlässe geschaffen, um entweder eigene ähnliche Erfahrungen einzubringen oder mehr auf der Ebene des Bilderbuchs zu bleiben. So wird Seite für Seite von unangenehmen und angenehmen Gefühlen erzählt, um dann schließlich vom "krank sein" über das "in einer anderen Welt sein" (mit einem Buch natürlich) zum ganz Grundlegenden zu kommen: "sein".

Kathrin Wexberg | STUBE

 

Will Gmehling: Nächste Runde

: die Bukowskis boxen sich durch / Will Gmehling. - Wuppertal : Peter Hammer Verlag, 2020. - 174 S.
ISBN 978-3-7795-0652-2      fest geb. : ca. € 14,40

Ermutigung, sich selbst und das Leben schön zu finden. (ab 15) (DR)

Der Sommer ist zu Ende, das Freibad geschlossen. Doch auch im Herbst wird den Bukowskis nicht langweilig - ebenso wenig den Leser_innen. Den zweiten Teil der Bukowski-Serie lässt Will Gmehling direkt an den ersten Part - für den er mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis 2020 in der Kategorie "Kinderbuch" ausgezeichnet wurde - anschließen. Band Nr. 2 kann zwar auch ohne Kenntnis des ersten gelesen werden, den Charme der jungen Freibadbesucher_innen zu versäumen wäre aber allzu schade. Und auch in der "nächsten Runde" versteht es der deutsche Autor, eine kurzweilige und zugleich tiefsinnige Geschichte zu erzählen, ohne pädagogische Moralisierungen zu erzwingen. Die Bukowskis sind einem ans Herz gewachsen: Alf, der sich nun endlich im Boxstudio mit dem großartig grazilen Namen "Butterfly Gym" anmeldet. Katinka, die auf liebenswert-unausstehliche Weise mit ihren Französischkenntnissen um sich wirft und unnachgiebig ihren Mädchentraum vom Modeln in Paris verfolgt. (Über die Genderklischees kann aufgrund der Liebenswürdigkeit der Figuren ausnahmsweise hinweggesehen werden.) Und Robbie, der sich in seiner besonderen Art (wieder einmal) als überaus feinfühlig und schlagfertig erweist. Treibende Kraft der Handlung ist diesmal der drohende Jobverlust der Mutter, die in der Bahnhofsbäckerei bald nicht mehr hinter der Theke stehen soll. Aber an Einfallsreichtum und Optimismus hat es den Bukowskis noch nie gefehlt.

Claudia Sackl | STUBE

 

Roland Buti: Das Leben ist ein wilder Garten

: Roman / Roland Buti. Aus dem Franz. von Marlies Ruß. - 1. Aufl. - Wien : Paul Zsolnay Verlag, 2020. - 176 S.
ISBN 978-3-552-05999-3      fest geb. : ca. € 20,60

Ein poetisch-stiller Roman über die wilde Macht der Gärten, das Fremdsein und das Abschiednehmen in seinen verschiedensten Varianten. (DR)

Roland Buti beschäftigt sich in seinem neuesten Roman mit verschiedenen Formen des Abschied-Nehmens. Der Ich-Erzähler Carlo Weiss ist nicht nur ein gefragter und vielbeschäftigter Landschaftsgärtner aus Leidenschaft, sondern sieht sich jetzt in der Mitte seines Lebens mit Umbrüchen und schmerzhaften Abschieden konfrontiert.
Ein Anruf aus dem Altersheim, in dem seine Mutter wegen ihrer fortschreitenden Demenz wohnt, bringt sein - wenn auch bereits durch Trennungen belastetes Alltagsleben (seine Frau hat ihn verlassen, seine Tochter studiert in London) - endgültig durcheinander. Seine Mutter ist aus dem Altersheim verschwunden und niemand weiß wohin. Zudem wird Agon, sein hünenhafter Mitarbeiter mit kindlicher Seele und Flüchtling aus dem Kosovo, von Männern aus seiner kosovarischen Vergangenheit zusammengeschlagen.
Schließlich mutmaßt Agon zu Recht anhand eines Fotos, das im Altersheim verblieben ist
, dass sich Carlos Mutter vielleicht am Ort der Aufnahme aufhalten könnte. Und tatsächlich findet der Protagonist seine Mutter im "Grand National", einem in die Jahre gekommenen Luxushotel in Glion. Im Gespräch mit dem Hoteldirektor erfährt Carlo von einer Liebesgeschichte während des Zweiten Weltkriegs und der ungeahnt glamourösen Vergangenheit seiner Mutter, der Bäckerstochter, die das Gebäck an das Luxushotel lieferte.
Ein Roman, in dem die Natur als Symbol für das Leben eine große Rolle spielt, seien es die Gärten, die Carlo und Agon mit Hingabe pflegen, seien es die Vögel, die in der Liebesgeschichte seiner Mutter und in der Gegenwart eine wichtige Rolle spielen. Sehr zu empfehlen.

Monika Roth | biblio

Jane Gardam: Robinsons Tochter

: Roman / Jane Gardam. Aus dem Engl. von Isabel Bogdan. - München : Hanser, 2020. - 316 S.
ISBN 978-3-446-26783-1      fest geb. : ca. € 27,70

In einer umfangreichen Bibliothek stillt das Waisenmädchen Polly nicht nur ihren unbändigen Lesedurst, die Welt der Literatur wird ihr auch eine große Hilfe bei der Bewältigung von Schicksalsschlägen. (DR)

Yorkshire 1904: Das 6-jährige Waisenmädchen Polly Flint wird bei ihren beiden Tanten abgegeben. Sie war schon bei einigen Pflegeeltern untergebracht, nun findet sie bei Aunt Mary und Aunt Frances Geborgenheit, wenn auch keine allzu große emotionale Wärme. Als sie die umfangreiche Bibliothek des Großvaters für sich entdeckt, tut sich eine faszinierende Welt auf und sie wird zur leidenschaftlichen Leserin. Als junges Mädchen lebt sie eine Zeitlang bei einem älteren aristokratischen Verwandten und kommt mit der englischen Oberschicht in Kontakt. Außerdem ist sie gern gesehener Gast bei den Zeits, einer jüdischen Industriellenfamilie. Sie verliebt sich leidenschaftlich in Theo Zeit, der ihre Liebe erwidert, aber dennoch eine andere heiratet. Polly versinkt immer tiefer in eine Depression, bis ihr das resolute Hausmädchen Alice mit einem überraschenden Vorschlag eine neue Perspektive eröffnet. Mit Polly Flint hat Jane Gardam eine eigenwillige Figur geschaffen, der die Vertrautheit mit den großen Gestalten der Weltliteratur einen Background verschafft, der sie nicht vor Enttäuschungen bewahrt, ihr aber nützliche Strategien zu deren Bewältigung an die Hand gibt. Dem Klischee, dass es sich beim Lesen nur um einen romantischem Zeitvertreib handelt, wird eine klare Absage erteilt. Der Titel des Romans bezieht sich auf Pollys Lieblingsbuch, Defoes "Robinson Crusoe". Sie liest es immer wieder und übersetzt es später ins Deutsche. Tatsächlich gibt es einige Parallelen zwischen Robinson und Polly. So wie ihr Romanheld wurde sie gewissermaßen an einen einsamen Strand gespült, wenngleich die windumtoste Küste Yorkshires natürlich nicht mit Robinsons unbewohnter Insel zu vergleichen ist. Es ist wohl mehr ein Gefühl der Einsamkeit, das sie mit ihm teilt sowie den festen Willen, sich zu behaupten. Der vielschichtige und unkonventionelle Roman, der ja auch eine Reverenz an die Literatur (und Bibliotheken!) ist, sollte wirklich in allen Bibliotheken verfügbar sein.

Ingrid Kainzner | biblio

Daisy Johnson: Untertauchen

: Roman / Daisy Johnson. Aus dem Engl. von Birgit Maria Pfaffinger. - München : btb, 2020. - 301 S.
ISBN 978-3-442-71780-4      kart. : ca. € 12,40

Geister der Vergangenheit. (DR)

Gretel weigerte sich lange, an ihre Mutter zu denken. 16 Jahre ist es her, dass diese sie verlassen hat und das Mädchen bei einer Pflegefamilie unterkam. Nun treffen Mutter und Tochter durch eine Fügung des Schicksals wieder aufeinander. Doch die Frau, die Gretel wiederzuerkennen glaubt, ist nicht mehr sie selbst, hat gute und schlechte Tage und macht nun das Leben ihrer erwachsenen Tochter umso schwieriger. Mit ihr kommen all die Erinnerungen hoch, die längst begraben waren - und auch neue Geheimnisse stehen nun kurz vor der Lüftung.
Sehr eindringlich erzählt Daisy Johnson die Geschichte einer komplexen Mutter-Tochter-Beziehung, eine Geschichte die vom Verlassen und Wiederfinden geprägt ist. Von der ersten Seite an zieht das Buch die LeserInnen in seinen Bann. Wer Deliah Owens "Der Gesang der Flusskrebse" mochte, wird "Untertauchen" lieben.

Michaela Faustmann | biblio

Hajo Schumacher: Kein Netz!

: Geld, Zeit, Laune, Liebe - wie wir unser wirkliches Leben zurückerobern / Hajo Schumacher. - Köln : Eichborn, 2020. - 269 S.
ISBN 978-3-8479-0062-7      fest geb. : ca.  € 20,60

Heiterer und zugleich nachdenklich stimmender Ratgeber zum Thema "Leben in der digitalen Welt". (NT)

Hajo Schumacher ist Journalist und Politologe und hat unter anderem lange für den "Spiegel" und "Max" gearbeitet. 1964 geboren, gehört er zu jener Generation, die schon vor der digitalen Revolution ihren Beruf ausgeübt hat. Natürlich ist er inzwischen in alle digitalen Bereiche hineingewachsen, dennoch kann er die Welt nicht mehr so wahrnehmen, wie etwa seine Söhne das tun. Das Internet hat uns verändert. Das war den LeserInnen bereits vor der Lektüre des Buches klar, aber Schumacher schafft es, die Dinge wirklich auf den Punkt zu bringen. Schon die Wahl des Titels "Kein Netz" gibt in Kürze die größte Bedrohung für die heutige Arbeitswelt, aber auch für das private Wohlbefinden wider. WhatsApp, Facebook, Twitter, Instagram und vieles mehr sind für uns alltäglich geworden. Wenn sogar PolitikerInnen twittern, kann und soll man es den Kindern doch nicht verbieten, oder?
Schumacher geht das Thema voller Selbstironie an und spart nicht an Anekdoten. Besonders gelungen ist der Vergleich zwischen ihm und seinen Söhnen, wenn es um die Nutzung von Navi oder Straßenkarte geht. Der Autor macht uns durch seine Selbstkritik und seine Reflexionen sehr nachdenklich. In vielen dargestellten Situationen erkennen wir uns leicht beschämt wieder. Schumacher selbst hat für sich beschlossen, in manchen Bereichen auf die digitale Allzeit-Bereitschaft zu verzichten. Er empfiehlt dies auch den LeserInnen, ohne dabei zu sehr mit dem erhobenen Zeigefinder zu drohen.
Ein interessantes, teils mahnendes und sehr wahres Buch. Große Empfehlung!

Ursula Pirker | biblio

Clare Carlisle: Der Philosoph des Herzens

: das rastlose Leben des Søren Kierkegaard / Clare Carlisle. Aus dem Engl. übers. von Ursula Held und Sigrid Schmid. - Stuttgart : Klett-Cotta, 2020. - 454 S.
ISBN 978-3-608-98224-4      fest geb. : ca.€ 28,80

Der Zerrissenheit eines großen Philosophen ganz nah. (BI)

Listet man heutzutage die philosophischen Klassiker auf, dürfte dabei ein Däne immer wieder genannt werden: Søren Kierkegaard. Seinerzeit galt dieser jedoch als exotischer, in seiner Persönlichkeit sehr spezieller Zeitgenosse und wurde von der wissenschaftlichen und geistlichen Elite ins Abseits katapultiert, posthum jedoch wird er Ruhm als "Begründer des Existentialismus" erhalten. Höchst produktiv kreiste sich sein Gesamtwerk stets um die Frage: Was bedeutet es, ein Mensch zu sein? Unter Verwendung diverser Pseudonyme schuf Kierkegaard einen immensen Korpus, der sich schlussendlich immer der Auseinandersetzung mit dem Leben und der eigenen Existenz verschrieb. Das Individuum versuche mit der Welt in Kontakt zu treten: Die Liebe erzeuge diese Resonanz - sei es die zwischenmenschliche oder göttliche Liebe. Letztere sollte Kierkegaards Leben ein festes Fundament geben, die Liebe zu einer Frau verschaffte ihm eher den Ruf eines "Bad-Guys", denn, obwohl unsterblich verliebt in die junge Regine, löste er die Verlobung zu ihr und wählte das Leben eines Junggesellen. Das erbrachte Opfer sollte die reichste Inspirationsquelle für sein Wirken werden.
Clare Carlisle porträtiert auf beinahe 400 Seiten das Faszinosum Søren Kierkegaard, in dessen Kämpfe die LeserInnen regelrecht mit hineingezogen werden. Originale Auszüge aus dem philosophischen und epischen Nachlass sowie Korrespondenzen mit Zeitgenossen versetzen die LeserInnen in das 19. Jahrhundert zurück. So aufrührerisch sein Denken seinerzeit war, so aktuell ist es auch heute noch: Er bezeichnete sich als Christ, der sich dem Wort Gottes verschrieb, eine Unterwerfung unter die Kirche vehement ablehnte. Fesselnd auf ganzer Strecke.

Anna Goiginger | biblio

Georg Braulik: Ins Herz geschaut

: Beten mit den Heiligen des Alten Testaments / Georg Braulik OSB. - Innsbruck : Tyrolia, 2020. - 128 S.
ISBN 978-3-7022-3866-7      fest geb. : ca. € 14,95

Anregungen für das persönliche Gebet aus dem Alten Testament. (PR)

Bevor der Wiener Alttestamentler hier die Glaubenswege von acht Persönlichkeiten aus dem ersten Testament skizziert und acht Psalmen erklärt, erläutert er den Begriff der "Heiligkeit" als "Zeugnis geben für Gottes Heilswerk." Er beschäftifgt sich hier aber nicht nur mit den Heiligen des Alten, sondern auch mit jenen des Neuen Testaments, auch die der Kirche finden ihren Platz und darüber hinaus weitet er den Begriff nach neutestamentalischem Vorbild auf alle Christen aus.
Auch in den biografischen Skizzen von Abel, Abraham, Mose, Rut, Elija, Jeremia und Susanna behandelt Braulik vor allem den Zusammenhang dieser Heiligen mit dem Neuen Testament. In weiterer Folge geht es ihm um deren Bedeutung für die Christen und ihren Gottesdienst, bei dem die Heiligen des Alten Tesaments kaum mehr im Bewusstsein der Gemeinde zu sein scheinen.
Ähnliches wie für den Gottesdienst gilt auch für das private Gebet. Es enthält - im Gegensatz zu den Zeiten des frühen Christentums und geringen Ausnahmen wie z. B. Abraham - wenige Anregungen durch die Betrachtung von Gestalten des Alten Testaments. Die Psalmen, die gewöhnlich mit der Person des Königs David verbunden sind, spielen im Gebetsleben der Kirche und des Einzelnen zwar eine Rolle, bleiben aber trotzdem weitgehend fremd.
Braulik erschließt kurz und prägnant die Bedeutung, die die einzelnen biblischen Personen auch für die Gegenwart haben und versteht es, die Psalmen mit Hilfe der acht Beispiele in ihrer Ganzheit zu vermitteln. Für Gebets- und Bibelkreise und zum persönlichen Gebetsleben empfehlenswert.

Hanns Sauter | biblio

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