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biblio : aktuelle buchtipps

Buchtipps / 2025 / November

erstellt von der STUBE und dem Österreichischen Bibliothekswerk

Nils Mohl: Die Insel der Schlasocks

/ Nils Mohl ; mit Bildern von Michael Roher.
- München : dtv, 2025. - 284 Seiten : Illustrationen
ISBN 978-3-423-76586-2      Festeinband : EUR 15,50 (AT)

Eine abenteuerliche Insel und ein Kind inmitten von flauschigen Wesen. Dieses Szenario kennt die eine oder der andere womöglich aus Maurice Sendaks »Wo die wilden Kerle wohnen«: Mit wilden Kerlen hat man es in Nils Mohls Kinderbuchdebüt aber mitnichten zu tun. Dafür mit einem aufgeweckten Protagonisten namens Jasper, der der grauen Stadt am Fluss, wo er sich vernachlässigt fühlt und obendrein Tristesse und Langeweile vorherrscht, mithilfe einer selbstgesteuerten Drohne entfliehen kann. Die Drohne war eigentlich für Honk bestimmt, ein Junge, der sich ausschließlich mit Smartphone und Tablet beschäftigen kann, und gerade deswegen von seinem Großvater Eiche auf die Reise geschickt hätte werden sollen. Stattdessen landet Jasper, dem es definitiv nicht an kindlicher Fantasie mangelt, auf einer Insel voller sonderbarer, vorerst namenloser Wesen, auf deren Agenda herumliegen und Nichtstun steht: die Schlasocks. Gemeinsam mit den Trütas und den Schnarnas bewohnen sie die Insel, auf der es nicht nur eine geheime Hütte voller Fundsachen gibt, sondern ebenso einen Findling, der das Stückchen Land an Ort und Stelle hält. Als sich der Anker der Insel zu lösen droht, braucht es einen Plan ... Mit Witz und Lust am Sprachspiel schickt Mohl Jasper quer über die Insel: Dieser gibt den behäbigen Wesen einen Namen, animiert sie zur Bewegung, erinnert sie an ihre eigene Vergangenheit und kann dabei voller Abenteuerlust die Insel und deren Bewohner*innen retten. Dort, wo Nils Mohl von Inselabenteuern schreibt, inszeniert Michael Roher Jasper und die Inselbewohner*innen in Schwarz-Weiß-Illustrationen, in denen auch der Autor einen Cameoauftritt hat. Erfrischende Wortschöpfungen treffen auf Abenteuerroman und auf einen jungen Protagonisten, der es versteht, die kindliche Fantasie mit viel »Wirbeltamam« einzusetzen.

Alexandra Hofer | STUBE

Catherine Doyle: Die Piraten von Darksea

/ Catherine Doyle ; mit Illustrationen von Manuel Šumberac
; aus dem Englischen von Sarah Heidelberger.
- München : Knesebeck, 2025. - 313 Seiten : Illustrationen
ISBN 978-3-95728-907-0      Festeinband : EUR 18,50 (AT)

Ein Fluch liegt über dem magischen Königreich Darksea, welches jenseits des Horizonts beheimatet ist. Eigentlich hätte Max gemeinsam mit seinem großen Bruder Christopher nach Darksea reisen wollen, um mit dem legendären Piratenkönig Käpt'n Thorne O'Malley Abenteuer auf hoher See zu erleben. Doch Christopher liegt im Krankenhaus, darum reist Max allein nach Darksea, um mithilfe der dortigen Magie eine Heilung für seinen Bruder zu finden. Dort angekommen, ist er sehr verwundert darüber, dass nicht mehr der sagenumwobene Thorne O’Malley, sondern seine jüngere Schwester Eliza nun Kapitänin der Sonnendiebin ist. Ihr Bruder ist von einem unheimlichen Tiefseemonster getötet worden, welches sogar ganze Inseln verschlingen kann und Furcht und Schrecken in Darksea verbreitet. Anstatt den Hinweisen über dieses Ungeheuer nachzugehen, hält Käpt’n Eliza O’Malley jedoch lieber Nickerchen und kümmert sich nicht um ihr Königreich.
Gemeinsam mit Max und seiner neuen Freundin Ruby, welche seit Jahren mit ihrem Bruder auf der Sonnendiebin lebt, zettelt die Besatzung eine Meuterei gegen Eliza an. Max wird neuer Kapitän und nimmt augenblicklich die Verfolgung des Monsters auf.
Ein flüssig geschriebenes, spannendes Abenteuer in einer faszinierenden magischen Welt, welches das Thema Geschwisterbeziehungen auf verschiedensten Ebenen verarbeitet.

Claudia Gschwendt | STUBE

Raphaela Edelbauer: Die echtere Wirklichkeit

: Roman / Raphaela Edelbauer. - Stuttgart : Klett Cotta, 2025. - 441 Seiten
ISBN 978-3-608-96630-5      Festeinband : EUR 28,80 (AT)

Wer kann die Auswirkungen von Fake News auf die Gesellschaft stoppen? Eine terroristische Gruppierung mit philosophischem Hintergrund will der Wahrheit wieder Gehör verschaffen. (DR)

Die Ich-Erzählerin Petra, alias Byproxy – eine junge, eher glücklose Spieleprogrammiererin, die seit einem Autounfall im Rollstuhl sitzt – schließt sich nach ihrem Rauswurf aus einer betreuten WG einer dilettantischen Gruppe von Aktivisten an, die in Wien ein Haus besetzt haben. Die kleine Kommune, der »der Verlust der Wahrheit in der Gesellschaft (…) ein Dorn im Auge ist« (S. 103), nennt sich Aletheia nach der griechischen Göttin der Wirklichkeit und will ihren philosophisch-politischen Forderungen notfalls mit Gewalt Nachdruck verleihen. Rund um den verkopften Chef Beinward scharen sich Paul, der belesene und vorbestrafte Romantiker vom Land, die ehemalige Milliardenerbin Brigitte, die endlich ins Tun kommen will, und die demoerfahrene Sprengstoffexpertin Bettina, von den anderen »Chirurgin« genannt. Für das Dach über dem Kopf und das Vertrauen der Gruppe muss Byproxy arbeiten: Toiletten putzen und abends massenweise nicht nur philosophische Abhandlungen, sondern auch Boulevardmedien lesen – alles auf eigene Art schwer verdaulich. Es wird auch nicht besser, als Byproxy endlich einen Auftrag außer Haus übernehmen darf: Sie muss sich an den Ort einer politischen Veranstaltung begeben, nämlich in ein Bierzelt …
Relativ bald stellt sich übrigens die Frage, wie genau sie es selbst mit der Wahrheit nimmt. Parallel zur Entwicklung ihres Computerspiels nimmt das Vorhaben der Gruppe Fahrt auf, maßgeblich vorangetrieben von Byproxy: Geplant ist ein Anschlag auf das Parlament inklusive Geiselnahme an der philosophischen Fakultät der Uni Wien. Doch zuvor gibt es auch für die Leser*innen eine Art Rückblick, in dem es um Petras Kinderfreundschaft und Jugendliebe mit der tödlich verunglückten Dorothee geht.
Das Thema des Romans ist komplex und beklemmend, die Umsetzung brillant. Die durchaus (über)fordernden philosophischen Exkurse muss man nicht immer verstehen – das Lesevergnügen ist trotzdem gewährleistet. Die Freude wird allerdings dadurch getrübt, dass Edelbauer gar nicht viel erfinden muss, sondern nur genau beobachtet, was sich in Österreich so tut … Tatsächlich liefert die gewohnt sprachgewandte Autorin scharfsinnige Analysen, beispielsweise über die Medienlandschaft und über den Wahrheitsbegriff in der österreichischen Gesellschaft und Politik. Ein sowohl kluger als auch schräger philosophischer Roman, dem viele Leser*innen zu wünschen sind.

Sabine Krutter | biblio

Christina Fonthes: Wohin du auch gehst

: Roman / Christina Fonthes ; aus dem Englischen von Michaela Grabinger.
- Zürich : Diogenes, 2025. - 411 Seiten
ISBN 978-3-257-07355-3      Festeinband : EUR 25,70 (AT)

Roman über zwei in Europa lebende Afrikanerinnen, die als starke Frauen ihr hartes Schicksal meistern. (DR)

Die Ich-Erzählerin Bijoux, eine junge Kongolesin, lebt seit ihrem elften Geburtstag in London bei ihrer tiefgläubigen, schweigsamen Tante Mireille. Bijoux ist homosexuell – etwas, das in ihrer religiösen Gemeinschaft als »widernatürlich, unchristlich, unafrikanisch« (S. 100) gilt. Als sie gegenüber ihrer Tante zugibt, eine Frau zu lieben, wird sie vom Pastor der evangelikalen Kirche deshalb »befreit« und mit einem jungen Mann aus der Gemeinde verheiratet. Sie fügt sich äußerlich in die afrikanische Gemeinschaft ein, in der die Kirche Geborgenheit und zugleich strenge soziale Kontrolle bedeutet.
Wer aber ist diese Tante Mireille? Als Tochter einer aufstrebenden Familie in Zaire wächst sie unter dem Namen Mira in behüteten Verhältnissen auf. Sie erlebt eine zarte Liebesgeschichte mit einem mittellosen Musiker, die jedoch abrupt endet, als sie nach einer Vergewaltigung eine Tochter zur Welt bringt. Anschließend geht sie allein nach Europa. Ihr Weg führt über Brüssel und Paris nach London, wo sie in einer afrikanischen Kirchengemeinde Halt findet und schließlich zu Diakonin Mireille wird.
Christina Fonthes erzählt in ihrem Debütroman »Wohin du auch gehst« die Lebensgeschichten von Mira und Bijoux. Vor dem Hintergrund politischer Umbrüche, die aus Zaire die Demokratische Republik Kongo werden lassen, entsteht das vielschichtige Porträt zweier Frauen zwischen Tradition, Glaube und Selbstbestimmung.
Fonthes, in Kinshasa geboren und heute in London lebend, ist Gründerin von »Rewrite«, einer Schreibakademie für PoC-Autorinnen. Mit sprachlicher Sensibilität und großem Gespür für Zwischentöne zeichnet sie komplexe Figuren und zeigt, wie kulturelle und religiöse Prägungen über Generationen hinweg wirken.
Besonders hervorzuheben ist die Übersetzung von Michaela Grabinger. Die Figuren wechseln fließend zwischen Englisch, Französisch und Lingala, wodurch das farbige Bild einer Gemeinschaft entsteht, die sich trotz sprachlicher Vielfalt oft im Schweigen ausdrückt: »Schweigen heißt nicht, dass nichts zu hören ist; Schweigen ist eine Sprache« (S. 15).
Ein eindrucksvolles Beispiel afrikanischer Gegenwartsliteratur. Unbedingt empfohlen für jede Bibliothek!

Doris Göldner | biblio

Peter Grandl: Reset

: die Wahrheit stirbt zuerst / Peter Grandl. - München : dtv, 2025. - 493 Seiten
ISBN 978-3-423-28472-1      Festeinband : EUR 22,70 (AT)

Die Welt wird mit Fake News und Deepfakes überhäuft, nichts ist mehr so, wie es scheint, und weltweit bricht Chaos aus. (DR)

»Reset« beginnt mit einem dramatischen Vorfall: Ein Passagierflugzeug sendet den Nottranspondercode 7500 – Hinweis auf Entführung. Angeblich sind Terroristen an Bord und wollen das Flugzeug in ein Flughafengebäude in München steuern. Parallel kommt es auf globaler Ebene zu einer digitalen Katastrophe: Fake News, Deepfakes und manipulierbare Video- bzw. Audio-Inhalte verbreiten sich massiv, die Verlässlichkeit von Informationskanälen bröckelt. Menschen können nicht mehr sicher unterscheiden, ob Anrufe oder Videobotschaften echt sind oder gefälscht.
Superintendent Valentine O’Brien erhält den Auftrag, die Ermittlung in Deutschland zu führen, da die digitalen Netze zunehmend versagen und das Vertrauen in Institutionen schwankt. Zusätzlich folgt er einer persönlichen Spur: Seine Schwester ist verschwunden. Er macht sich auf eine Reise quer durch Europa, um sie zu finden, und versucht dahinterzukommen, was es mit den Fake-Nachrichten und dem Chaos auf sich hat. Kommunikationsnetze fallen aus, die öffentliche Ordnung gerät ins Wanken, Vertrauen wird zum knappen Gut. Letztlich führt alles zu einer Art Showdown, in dem klar wird, wie tiefgreifend und gefährlich digitale Manipulation sein kann.
Die Handlung macht mit zahlreichen Schauplätzen und vielen Figuren bekannt: Geheimdienste, Experten, Behörden, zivilgesellschaftliche Akteure. Das gestaltet die Lektüre zum Teil etwas anstrengend. Doch das konzentrierte Lesen zahlt sich aus, da dieses Werk ein sehr fesselnder Thriller ist. Geeignet für alle, die Spannung verknüpft mit einem aktuellen, gesellschaftlich-relevanten Thema wollen. Der Autor schafft eine Welt, in der Wahrheiten unsicher geworden sind und Manipulation überall lauert – und das wirkt erschreckend nah an dem, was wir längst in Ansätzen sehen. Für versierte Leser*innen sehr zu empfehlen.

Roland Kohlbacher | biblio

Harriet Rix: Geniale Bäume

: wie sie seit Jahrtausenden das Leben auf der Erde bestimmen
/ Harriet Rix ; aus dem Englischen von Elisabeth Liebl.
- München : dtv, 2025. - 368 Seiten
ISBN 978-3-423-28500-1      Festeinband : EUR 26,80 (AT)

Bäume gestalten ihre Umwelt aktiv – unsere bisherigen Vorstellungen über Bäume sind falsch. (NF)

Neueste Forschungserkenntnisse führen zu völlig veränderten Sichtweisen über Bäume. Etwa der Nachweis, dass Bäume ein komplexes Mikrobiom haben, ähnlich wie ein menschlicher Körper. Jeder Baum hat eine individuelle Mikrobengemeinschaft und muss eher als Ökosystem betrachtet werden als als einzelnes Lebewesen. Über Pilzverbindungen können Bäume über weite Entfernungen sogar artübergreifend miteinander kommunizieren. Bäume können sich gegenseitig nähren und unterstützen. Bäume können den Wasserkreislauf beeinflussen. Sie können Brände verursachen, aber auch Regen machen, indem sie Duftstoffe ausstoßen, die als Kondensationskeime zur Wolkenbildung dienen.
Ein geniales Buch, das viele weitere unglaubliche und erstaunliche Geschichten über Bäume aus der ganzen Welt erzählt, wobei die jeweiligen wissenschaftlichen Quellen als Fußnoten angegeben sind. Besonders faszinierend wird die Evolution der Bäume beschrieben, wie Algen und Einzeller sich auf den Weg aus dem Wasser gemacht haben und sich über hunderte Millionen von Jahren zu den heutigen Baumriesen entwickelt haben. Auch der Sauerstoffgehalt der Erdatmosphäre, der menschliches Leben ermöglicht, ist eine Leistung der Bäume. Das Buch ist aus dem Englischen übersetzt und beeindruckt sowohl mit einer Fülle von Fachwissen als auch mit einer ausdrucksstarken, bildhaften Sprache. Eine Bereicherung für jede Bibliothek.

Aloisia Altmanninger | biblio

Henry Gee: Aufstieg und Fall der Menschheit

: warum unsere Spezies am Rand des Aussterbens steht
/ Henry Gee ; aus dem Englischen von Monika Niehaus und Coralie Wink.
- Hamburg : Rowohlt, 2025. - 285 Seiten
ISBN 978-3-498-00773-7      Festeinband : EUR 24,70 (AT)

Faszinierende Darstellung der Entwicklung des Menschen von den Anfängen bis heute (NB)

In diesem Buch erzählt der englische Wissenschaftsjournalist die Geschichte des Menschen – von den Anfängen bis zu ihrem möglichen Ende. Gee ist Paläontologe und Evolutionsbiologe. Er weiß daher, dass jede Art von Lebewesen auf der Welt irgendwann aussterben kann. Die Frage ist, ob das auch für den Menschen gilt.
Um darauf eine Antwort zu geben, zeichnet Gee nach, wie die Gattung Homo sapiens aus den Homininen hervorging und wie es ihr gelang, sich immer weiter auszubreiten und schließlich die ganze Welt zu besiedeln. Durch die Sesshaftigkeit und die Erfindung der Landwirtschaft schuf sich der Mensch eine günstigere Ernährungsbasis. Gee sieht diese Revolution aber als einen Schritt in Richtung Niedergang. Damals habe der Mensch sich nämlich durch die Domestikation von Tieren und das enge Zusammenleben mit ihnen auch die Gefahr der Übertragung von Krankheitskeimen eingehandelt. Der Mensch habe zwar durch Anpassung viele Herausforderungen überstanden, allerdings habe er durch Übernutzung und rücksichtslose Ausbeutung der Erdschätze seine Lebensgrundlage zerstört. Der Untergang sei daher sehr wahrscheinlich. Eine Chance zum Überleben gebe es, wenn es die Menschheit schafft, ihren Lebensraum auf andere Planeten auszuweiten.
Wie immer man zu dieser Zukunftsvision auch steht: Dieses Buch beeindruckt und ist absolut lesenswert. Der Autor ist überaus sachkundig, humorvoll und er kann exzellent erklären. Das alles trägt dazu bei, dass man als Leser*in die eigenen Vorstellungen von der menschlichen Gemeinschaft und ihrer Zukunft noch einmal überdenkt.

Karl Vogd | biblio

Carrie Frederick Frost: Inkarnation und Mutterschaft

: eine orthodoxe Perspektive auf den weiblichen Körper
/ Carrie Frederick Frost ; Übersetzt von Rossitza Dikova-Osthus.
- Freiburg : Herder, 2025. - 176 Seiten : Illustrationen
ISBN 978-3-451-02340-8      Festeinband : EUR 20,60 (AT)

Die Autorin ist orthodoxe Theologie-Professorin an der Western Washington University und fünffache Mutter. Sie macht sich hier Gedanken über Mutterschaft und über die Sichtweise, die ihre Kirche dazu hat. (PR)

Ausgehend von ihren eigenen körperlichen Erfahrungen sucht sie dazu Aussagen in der orthodoxen Tradition und findet sie auf Ikonen sowie in Hymnen und Gebeten, unter den Kirchenvätern vor allem bei Johannes Chrysostomos. Die Ergebnisse sind widersprüchlich: Was auf Ikonen dargestellt und in Hymnen – etwa bei Ephräm dem Syrer – in höchst differenzierter Weise auf Maria, Jesus und die Kirche bezogen und besungen wird, steht im Gegensatz zu manchen Gebeten, etwa jenen »Für Mutter und Kind nach vierzig Tagen«. Hier eröffnet sich für die Theologie noch ein weites Feld – um Widersprüche aufzuarbeiten, Überholtes zu verabschieden und vorhandene Ansätze weiterzuentwickeln. Gerade die orthodoxe Tradition mit ihrer tiefen Sicht von Inkarnation wäre dazu prädestiniert.
Frost zeigt diese Themenfelder auf und formuliert zugleich Lösungsansätze. In fünf Kapiteln – Empfängnis, Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett und Stillen – verknüpft sie eigene Erfahrungen mit Ikonografie, Hymnen und Gebeten. Dabei entwickelt sie Bausteine zu einer »Theologie des Leibes« jenseits von Morallehre und Sexualethik und richtet den Blick auf Themen, die für Frauen und Mütter wichtig sind. Ihr Anliegen ist, dass diese Fragen künftig stärker von Frauen bedacht werden, was in der Kirchengeschichte bislang selten der Fall war.
Frost bringt Bewegung in die orthodoxe Auseinandersetzung über die Rolle der Frau und die Bedeutung der Menschwerdung Gottes. Sie tut dies fundiert, engagiert und ehrlich, bleibt dabei aber stets besonnen und ausgleichend. Ihre Überlegungen sind zweifellos auch für die Theologie insgesamt und für andere Kirchen anregend. Ein spannend zu lesender Beitrag zu einem weiterhin hochaktuellen Thema.

Hanns Sauter | biblio

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