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biblio : aktuelle buchtipps

Buchtipps / 2018 / Juni

erstellt von der STUBE und dem Österreichischen Bibliothekswerk

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Akram El-Bahay: Wortwächter

/ Akram El-Bahay. - Berlin: Ueberreuter, 2018. – 384 S.
ISBN 978-3-7641-5118-8    fest geb.: ca. € 15,40

Als Tom erfährt, dass er vorübergehend bei seinem spießigen Onkel in einem Haus voller Bücher wohnen soll, ist er nicht gerade begeistert. Doch die Langeweile ist schlagartig verschwunden, als er seine Lebensseite entdeckt, ein Stück Papier, auf dem alles mitgeschrieben wird, was in seinem Leben vor sich geht. Viel Zeit hat er nicht, um über diesen Fund nachzudenken, denn im nächsten Moment wird sein Onkel entführt und schon stürzt Tom in ein Abenteuer, in dem es um einen Geheimbund, lebendige Statuen von berühmten Autoren und eine goldene Feder mit ungeahnten Kräften geht. Gemeinsam mit dem Butler seines Onkels, der seltsamerweise Shakespeare sehr ähnlich sieht, und der Leseratte Josephine macht sich Tom auf die Suche nach dem mächtigen Schreibinstrument, um mit den Entführern zu verhandeln. Ein riskanter Plan, denn mit der Feder lässt sich so einiges anstellen…
Die (bis auf die Bösewichte) liebenswerten und schrulligen Figuren bewegen sich in einer phantastischen Welt, die sich direkt innerhalb der realen Welt befindet, aber nur dem Geheimbund der Wortwächter bewusst ist. Die phantastischen Elemente weisen alle einen Bezug zum geschriebenen Wort auf, was zu zahlreichen Referenzen auf die Weltliteratur führt. Diese sind verantwortlich für den speziellen Charme des Romans, etwa wenn die Statue von Mary Shelley plötzlich zur gruseligen Verfolgerin wird.
Akram El-Bahay, Sohn eines ägyptischen Vaters, hat sich bereits einen Namen in der deutschsprachigen Phantastik-Szene gemacht. „Wortwächter“ ist sein zweites Kinderbuch. Neben der ausgefallenen Gestaltung der erzählten Welt, ihren phantastischen Vorkommnissen und skurrilen Figuren weiß es durch eine spannende Abenteuerhandlung und viel Humor zu unterhalten. Ab 11 Jahren, doch durch das ständige Spiel mit Autoren und historischen Figuren auch darüber hinaus eine unterhaltende Lektüre.

Alexander Pommer | STUBE 

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Nadia Budde: Eins zwei drei Vampir

/ Nadia Budde. - Wuppertal : P. Hammer Verl., 2018. - [10] Bl. : überw. Ill. (farb.)
ISBN 978-3-7795-0585-3      unzerr. Pappe : ca. € 13,40

Nun liegt ein schauriger Nachfolgeband zum mittlerweile in der 16. Auflage erschienenen „Eins zwei drei Tier“ von 2008 vor: Illustratorin Nadia Budde lässt diverse Krea-Tiere aus dem Gruselkabinett aufmarschieren und so mischen sich Vampire, Skelette und Ungeheuer unter Taranteln, Hyänen oder Zecken. Die einzelnen Figuren werden wie gewohnt im Dreier-Pack vorgestellt, unterschiedlichst ausgestattet, um sich dann von einem hinzugereimten Fremdling, der die Reihe hier schauerlich fortsetzt, ergänzen zu lassen. Damit lädt das stabile Pappbilderbuch nicht nur zum Zählen, bzw. durch die schlichte Typografie in Buddes charakteristischen Blockbuchstaben zur ersten Auseinandersetzung mit Schrift ein, sondern natürlich auch zum Erkennen und Reflektieren von Details.
Das Zahnspangenkrokodil oder die Tarantel mit Blume stellen sich dann beim näheren Betrachten durch ihre gewitzten Attribute als durchaus sympathische Zeitgenoss_innen heraus, die man eigentlich gerne kennenlernen würde. Mit Sprachwitz endet das Blättervergnügen auf der letzten Seite mit dem Text „da – dort – hier“ nirgendwo anders als bei DIR.

Magdalena Riener | STUBE

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Mira Magén: Zuversicht

: Roman / Mira Magén. Aus dem Hebr. von Mirjam Pressler. - Dt. Erstausg. - München : dtv, 2018. - 430 S.
ISBN 978-3-423-28151-5      fest geb. : ca. € 24,70

Durch den Verlust von Mann und Sohn zerbricht Navas Welt; aber solange man lebt, besteht auch die Hoffnung auf Neuordnung und auf Hilfe von ungeahnter Seite. (DR)

Als Navas Mann und Sohn bei einem Autounfall sterben, ist das Leben für die Ich-Erzählerin so gut wie vorbei. Sie zieht in eine kleine Wohnung in einer Seniorenanlage und gibt ihren Beruf als Innenarchitektin auf, um stattdessen als Kassiererin in einem Supermarkt zu arbeiten. Aber so einfach lässt sich das Leben nicht überlisten! Der Lebenswille, glückliche Zufälle und im Augenblick entstehende Sinnlichkeit leiten Nava in ein selbstbestimmtes Leben zurück.
Unterstützt von ihrem Bruder und dessen Familie, von einem Tischler aus der Werkstatt des Bruders und von mehreren älteren Damen aus dem Altersheim sowie von einem Landwirt und einer alleinerziehenden Kollegin aus dem Supermarkt, findet Nava wieder Anschluss. Ein neues, ganz anderes Leben tut sich auf und mit ihm die Zuversicht für eine Zukunft. Das offene Ende lässt den LeserInnen viel Spielraum, um die Geschichte weiterzuspinnen.
Mira Magén erzählt auf mehr als 400 Seiten psychologisch einfühlsam und sprachlich versiert vom verschlungenen Alltag der Protagonistin. Man lernt Nava anhand zahlreicher innerer Monologe (Gespräche mit ihrem verstorbenen Mann, aber auch Anklagen an Gott) und in Begegnungen und Dialogen mit vielen verschiedenen Charakteren kennen. Fast möchte man hoffen, der einen oder anderen Figur aus diesem Roman woanders nochmals zu begegnen - so spannend, extravagant oder bemerkenswert sind sie dargestellt.
Das Buch wurde hervorragend übersetzt von Mirjam Pressler, die laut Klappentext meinte: "Ich mag Mira Magén immer, aber diesen Roman von ihr liebe ich am meisten!" Dem kann man sich nur anschließen. Unbedingt jeder Bücherei zu empfehlen!

Doris Göldner | biblio

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Nell Leyshon: Die Farbe von Milch

: Roman / Nell Leyshon. Aus dem Engl. von Wibke Kuhn. - München : Eisele, 2017. - 207 S.
ISBN 978-3-96161-000-6      fest geb. : ca. € 18,50

Bewegende Erzählung über das traurige Leben eines Bauernmädchens im 19. Jahrhundert. (DR)

Es ist das Jahr 1830. Die 15-jährige Mary ist die jüngste von vier Bauerntöchtern. Obwohl sie und ihre Schwestern hart am Hof der strengen Eltern arbeiten müssen und keinerlei Zugang zu Bildung haben, hat Mary eine starke Persönlichkeit und ein sonniges Wesen. Doch dann wird sie ins Pfarrhaus geschickt, um als Magd zu arbeiten und die kranke Frau des Pfarrers zu betreuen. Als die Pfarrersfrau stirbt, dauert es nicht lange, bis Mary den Zudringlichkeiten des einsamen Pfarrers ausgesetzt ist. Obwohl sie sich nicht wehrt und alles über sich ergehen lässt, kommt es zur Katastrophe.
Ein nahegehendes, intensives Buch, das aus der Sicht der jungen Mary das traurige Schicksal eines Mädchens erzählt, das aufgrund seiner bescheidenen Herkunft keinerlei Rechte hat und dem Willen sozial Höhergestellter hilflos ausgeliefert ist. Die Autorin verfügt über einen eindringlichen, schonungslosen und sehr präsenten Sprachstil, erzählt aber gleichzeitig nüchtern und erzeugt Spannung, ohne große Höhepunkte zu benötigen. Sehr zu empfehlen.

Michaela Grames | biblio

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Ernst Lothar: Die Rückkehr

: Roman / Ernst Lothar. Mit einem Nachw. von Doron Rabinovici. - Wien : Zsolnay, 2018. - 427 S.
ISBN 978-3-552-05887-3      fest geb. : ca. € 26,80

Fesselnde Familiensaga zwischen Luxus-Exil und Trümmern. (DR)

Der Wiener Jurist Felix von Geldern kehrt gemeinsam mit seiner Großmutter Viktoria 1946 nach acht Jahren amerikanischen Exils ins zerbombte Wien zurück. Finanziert wird der als Geschäftsreise geplante fünfwöchige Aufenthalt in der alten Heimat von der vermögenden Großfamilie, zumal es gilt, Ansprüche des aristokratischen Bankhauses in Europa geltend zu machen. Berührend schildert Ernst Lothar in seinem Nachkriegsroman, dass Felix während seiner Zeit in Wien auf alles andere als das Vermögen der Familie stößt. Glück und Trauer liegen in diesen Tagen nicht nur bei seinen ehemaligen Mitbürgern - Felix wurde kurz vor seiner Abreise in New York Amerikaner - dicht beieinander. Dies zeigt sich in der Begegnung mit der nahezu erblindeten Mutter, die schon als die Kinder klein waren, eine Liaison mit einem jüngeren Mann, der sich später dem NS-Regime gefügt hat, begonnen hat. Am deutlichsten wird dies aber, als der Jurist seine todgeglaubte Jugendliebe trifft, die er am Tag nach der Blitz-Heirat wieder verliert. Seine Verlobte Livia in den USA gerät unter den Eindrücken in Wien zusehends in Vergessenheit. Der Zwiespalt prägt den Alltag, der vermeintliche Luxus der US-Besatzer steht der bitteren Armut der Einheimischen gegenüber, während die einen öffentlichkeitswirksam als Nazis sanktioniert werden, wird der Gros der anderen Nazis wieder inthronisiert.
Der prinzipientreue Jurist, der sich im Exil Arbeit und eine bescheidene Unterkunft gesucht und auf das Vermögen der Familie weitgehend verzichtet hat, gibt sich in der zertrümmerten Heimat seinen Emotionen hin. Zur Rückreise bewegt ihn die standhafte Großmutter, sie nimmt ihm auch vor ihrem Tod das Versprechen ab, die Anwaltsprüfung zu machen. Dennoch weist am Ende alles darauf hin, dass Felix von Geldern wie der Autor Ernst Lothar in die alte Heimat zurückkehren wird.
Der Roman ist für alle Bibliotheken empfehlenswert, zumal er einen ungewohnten Blick auf die (Nach-)Kriegszeit gewährt, das Unglück der vermeintlich glücklichen, wohlhabenden Exilanten in den Mittelpunkt stellt, schonungslos auf die Zustände im befreiten, allerdings in keiner Weise entnazifizierten Wien verweist und schließlich die Frage von Schuld und Vergebung zur Diskussion stellt. Sehr empfehlenswert!

Sandra Brugger | biblio

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Alberto Manguel: Die verborgene Bibliothek

: eine Elegie und zehn Abschweifungen / Alberto Manguel. Mit einer Rede von Walter Benjamin. Aus dem Engl. von Achim Stanislawski. - Frankfurt a. M. : S. Fischer, 2018. - 183 S.
ISBN 978-3-10-397369-3      fest geb. : ca. € 18,50

Von Büchern, Bibliotheken und dem Zauber des Lesens. (PB)

Alberto Manguel, einst der Vorleser des erblindenden Dichters Jorge Luis Borges, heute Direktor der argentinischen Nationalbibliothek in Buenos Aires, ist ein Leser und Bücherfreund par excellence, den mit Büchern immer eine enge Komplizenschaft verbunden hat. Als er aufgrund einer bevorstehenden Übersiedlung seine umfangreiche Bibliothek in Umzugskartons verstauen muss, nimmt er dies zum Anlass, sich mit prägenden Lektüreerlebnissen seines bisherigen Lebens zu befassen. Und so beginnt er im Geist durch Bücher und Bibliotheken zu streifen, die für ihn eine wichtige Rolle gespielt und ihn in der einen oder anderen Form begleitet haben, durchwandert die Stadtbüchereien von Buenos Aires und Tel Aviv aus seiner Kindheit sowie seine eigenen, die er zu verschiedenen Zeitpunkten an unterschiedlichen Orten der Welt, in Paris, London, Mailand, Montreal und Tahiti, angelegt hat. Dabei extemporiert er mit Witz und Esprit über die Freuden und Leiden eines passionierten Lesers und Bücherbesitzers, spürt dem Wesen und der Magie von Bibliotheken nach, gewährt Einblicke in persönliche Lektürevorlieben und sinniert scharfsinnig über Gott und die (Bücher-)Welt.
In Summe legt Manguel mit "Die verborgene Bibliothek" also nichts anderes vor als eine geistreiche und humorvolle Liebeserklärung an Bücher und Bibliotheken, die zugleich seinen Glauben an die Kraft des Bündnisses zwischen einem Buch und seinen LeserInnen nachdrücklich unterstreicht.

Eva Unterhuber | biblio

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Dennis Gastmann: Der vorletzte Samurai

: ein japanisches Abenteuer / Dennis Gastmann. - Berlin : Rowohlt Berlin, 2018. - 250 S.
ISBN 978-3-7371-0011-3      fest geb. : ca. € 20,60

Erlebnisse und Beobachtungen aus dem ebenso anziehenden wie rätselhaften Japan. (EL)

Als Reporter für die ARD hatte Dennis Gastmann viele Jahre lang die Gelegenheit, Japan in seiner Vielschichtigkeit kennenzulernen. In diesem Buch nähert er sich dem "Land der aufgehenden Sonne", das sich trotz seiner starken Präsenz als Industrie- und Wirtschaftsmacht immer noch den Reiz des Exotischen bewahrt hat, mit dem nötigen Respekt eines "Gajin" - eines Fremden. Gastmann führt die LeserInnen von der Hyper-Metropole Tokio über die Tempelstadt Nikko bis zu den Vulkanen auf Kyushu und natürlich auch zum mythischen Fuji-san, dem 3700 Meter hohen Schicksalsberg der Japaner, der seinen Gipfel - einer Diva gleich - allzu oft in einen nebeligen Schleier hüllt.
Die Tatsache, dass der Autor mit einer Japanerin verheiratet ist, die aus einer Samurai-Familie stammt, mag ihm das Verständnis dieses ebenso widersprüchlichen wie faszinierenden Landes ein bisschen erleichtert haben, vieles bleibt aber auch für ihn ein Rätsel. Dennis Gastmann hat seine Erlebnisse und Beobachtungen in einer feinsinnigen und ausdrucksstarken Sprache niedergeschrieben. Er bringt das Kunststück zustande, einen hohen Informationswert mit einer zeitlosen Poesie im Ausdruck zu verknüpfen. Ein wunderbares Buch, das man allen Bibliotheken empfehlen muss!

Johannes Preßl | biblio

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Franz Lackner/Clemens Sedmak: Kaum zu glauben

: Annäherung an Grundworte christlichen Lebens / Franz Lackner ; Clemens Sedmak. - Innsbruck ; Wien : Tyrolia-Verl., 2018. - 172 S.
ISBN 978-3-7022-3678-6      fest geb. : ca. € 17,95

Die spirituellen Wurzeln vertiefen. (PR)

Papst Franziskus vergleicht die Katholische Kirche mit einem Feldlazarett, das aufgeschlagen werde, "wo die Kämpfe stattfinden". Die Autoren nutzen diesen eindringlichen Appell an den Klerus als Stichwort, um sich ganz bewusst aus der Kampfzone wieder zurückzuziehen. Muss denn schon wieder ein Buch eines Bischofs sein? So wird provokant bereits im Vorwort gefragt. Es sei nicht notwendig, aber hilfreich, ein "spirituelles Wörterbuch", das sich einzelnen Aspekten des Glaubens widmet, diese vertiefen will.
Jeder der Begriffe wie Armut, Beten, Glaube, Gott, Leiden, Staunen wird von dem Erzbischof und dem Philosophen nicht definiert, sondern abgetastet, von allen Seiten betrachtet. Indem der eine die Gedanken des anderen aufgreift, entsteht ein loser Dialog, der scharfe intellektuelle Definitionen interdisziplinär bereichert und in ihren konkreten Erscheinungsformen veranschaulicht. Erzbischof Lackner etwa bedauert den leichtfertigen Umgang mit dem Glauben in eigenen Jugendtagen, worauf Sedmak ergänzt, das Vertrauen wachse durch "die vielen kleinen Erfahrungen des Getragenseins". Mit dem essayistischen Band setzen die Autoren ihre tiefen Überzeugungen dem gegenwärtigen Zweifel und Relativismus entgegen. Er ist ein philosophisches Konzentrat, das seine Wirkung in kleinen Dosen, aufgelöst in den eigenen Gedanken, entfalten will.
Die beiden Autoren wollen nicht missionieren. Wer aber im christlichen Glauben verwurzelt ist, dem bieten die kompakten Betrachtungen sowohl intellektuelle Herausforderung wie spirituelle Impulse.

Wolfgang Brandner | biblio

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