Buchtipps / 2007 / November
erstellt von der STUBE (Studien- und Beratungsstelle für Kinder und Jugendliteratur) und dem Österreichischen Bibliothekswerk
Aus aktuellem Anlass hier drei Hinweise zu Neuerscheinungen über Franz Jägerstätter:
Manfred Scheuer: Selig, die keine Gewalt anwenden
: das Zeugnis des Franz Jägerstätter./ Manfred
Scheuer. Mit Beiträgen von Józef Niewiadomski, Wolfgang Palaver
und Roman A. Siebenrock. - Innsbruck : Tyrolia, 2007. - 207 S. : Ill.
ISBN 978-3-7022-2863-7 fest geb. : ca. € 17,90
Franz Jägerstätter: Der gesamte Briefwechsel mit Franziska
: Aufzeichnungen 1941-1943 / Franz
Jägerstätter ; Franziska Jägerstätter. Hrsg. von Erna
Putz. Mit einem Geleitwort von Manfred Scheuer. - Graz : Styria, 2007.
- 319 S. : Ill.
ISBN 978-3-222-13232-2 fest geb. : ca. € 24,90
Erna Putz: Franz Jägerstätter - Märtyrer
: leuchtendes Beispiel in
dunkler Zeit / Erna Putz. - Grünbach : Buchverl. Franz Steinmaßl,
2007. - 123 S. : Ill. (z.T. farb.)
ISBN 978-3-902427-39-7 fest geb. : ca. € 17,50
Ausführliche Besprechungen in den bn.bibliotheksnachrichten und auf www.rezensionen.at folgen.
Cynthia Kadohata: Kira-Kira
: Roman / Cynthia Kadohata. Aus dem Amerikan. von
Uwe-Michael Gutzschhahn. - Hildesheim : Gerstenberg, 2007. - 220 S.
ISBN 978-3-8369-5140-1 fest geb. : ca. € 14,30
Als japanische Familie in den USA der 1950er hat man
es nicht leicht. Das muss auch die 11-jährige Katie nach und nach
erkennen: Vorurteile der Mitschüler/innen, quälende Armut und
das Leid ihrer in einer Hühnerfabrik ausgebeuteten Eltern prägen
ihren Alltag. Ihre ältere Schwester Lynn versucht die Verbindung
von Alt und Neu, von japanischer Tradition und amerikanischer Lebensweise
herzustellen und hält die Familie im Integrationsprozess zusammen.
Sie erklärt der Kleinen ihre positive Sicht auf die Welt und führt
ihr die Schönheit auch der banalsten Dinge vor Augen: „Lynn
konnte einen ganz alltäglichen Gegenstand wie zum Beispiel eine Kleenexbox
benutzen und mit ihm zeigen, wie erstaunlich die Welt ist.“ Als
Lynn jedoch todkrank wird, droht das familiäre Gefüge auseinanderzubrechen
und Katie muss ihre Rolle neu finden. „Lynn sagte: 'Das Blau des
Himmels ist eine ganz besondere Farbe, denn sie ist sowohl tiefblau als
auch durchsichtig, beides zugleich.’“
Ein Buch, das Tiefe und Leichtigkeit zugleich erschafft, das neben traurig-tristen
Schilderungen Platz für Humor, Zärtlichkeit und leise Momente
der Hoffnung lässt. Durch das konsequente Einhalten der kindlichen
Perspektive bleibt vieles nur angedeutet und gerade dadurch so besonders
berührend. Zu empfehlen ab 13 Jahren.
Tina Reiter | STUBE
Paul Maar: Vom Lesen und Schreiben
: Reden und Aufsätze zur Kinderliteratur / Paul
Maar. - Hamburg : Oetinger, 2007. - 205 S.
ISBN 978-3-7891-4259-8 fest geb. : ca. € 15,40
Paul Maar ist nicht nur einer der erfolgreichsten Kinder- und Jugendbuchautor/innen des deutschsprachigen Raums, sondern auch einer, der bereit ist, sein Schreiben öffentlich zu reflektieren: In einer Poetikvorlesung an der Carl-von-Ossietzky-Universität Oldenburg stellt er im Jahr 2005 sein kinderliterarisches Verständnis in die Tradition des Erzählens und gleicht es an unterschiedlichen sowohl pädagogischen als auch literaturwissenschaftlichen Anforderungen ab. Als Spiegelung einer Besonderheit seines künstlerischen Schaffens führt er diese Überlegungen in anderen medialen Kontexten weiter – schließlich zählt er zu Deutschlands renommiertesten Kindertheaterautor/innen und konnte mit den multimedialen Aufbereitungen seines Sams-Stoffes umfassende Medien- und Medientransfer-Erfahrungen sammeln. Anlässlich von Paul Maars 70. Geburtstag versammelt dieser Band nun diese Poetikvorlesung und andere Reden und Aufsätze aus den letzten 20 Jahren, in denen Paul Maar seinen Schreibprozess reflektiert, von der Bildhaftigkeit seiner Ideen und seinem großen Interesse an der Variation spricht: Der mehrfache Blick auf eine Geschichte, das Spiel mit Formen und Gattungen, das Drehen und Wenden der Sprache haben sein Werk immer bestimmt. Woher diese Vorlieben kommen, schildert Paul Maar, indem er – ohne je eitel zu erscheinen – seine kindlichen Lese- und Lektüreerfahrungen offenlegt. Ein Sammelband, sehr zu empfehlen für alle, die an Kinderliteratur und ihren Spielarten interessiert sind.
Heidi Lexe | STUBE
Hanns-Josef Ortheil: Das Verlangen nach Liebe
/ Hanns-Josef Ortheil. - München : Luchterhand,
2007. - 318 S.
ISBN 978-3-630-87263-6 fest geb. : ca. € 20,50
Zweite Chance für eine große Liebe. (DR)
Nach seinem Erfolgsroman "Die große Liebe" aus dem Jahr
2003 setzt sich der Autor auch in diesem Buch mit der absoluten, romantischen
Liebe auseinander und zeichnet aus der Sicht des erfolgreichen Konzertpianisten
Johannes eine scheinbar längst vergangene Liebesgeschichte nach.
Achtzehn Jahre ist es immerhin her, dass das achtjährige "gemeinsame
Dasein" (S. 6) von Johannes und Judith durch einen leichtsinnigen
Fauxpas ein abruptes und schmerzhaftes Ende gefunden hat. Im herbstlichen
Zürich, wo sie einst ihren ersten Urlaub miteinander verbracht haben,
treffen die beiden zufällig erneut aufeinander. Judith ist inzwischen
eine gefragte Kunsthistorikerin, die außergewöhnliche Ausstellungen
konzipiert.
Es kommt eine behutsame Annäherung an alte Zeiten in Gang, meistens
inszeniert an Orten und mit kulinarischen Genüssen, die für
beide bedeutungsvoll und mit positiven Erinnerungen besetzt sind. Auch
in beruflicher Hinsicht zeichnet sich ein Neubeginn ab: Ein einzigartiges
Kunstwerk ist im Begriff zu entstehen, gleichsam als Metapher für
jede geglückte Liebesbeziehung. Wie alle Liebenden bewegen sich auch
Johannes und Judith in einem geschützten Bereich, der die raue Realität
so weit wie möglich ausklammert: ihre Oase ist die Kunst. - Einfach
schön, dass zu diesem "ewigen" Thema immer wieder Texte
gelingen, die mit sprachlicher Qualität überzeugen und in ihrer
schlichten "Echtheit" berühren.
Sabine Krutter | biblio
Christoph Wagner: Gefüllte Siebenschläfer
: ein Carozzi-Krimi / Christoph Wagner. - Innsbruck
: Haymon, 2007. - 310 S.
ISBN 978-3-85218-542-2 fest geb. : ca. € 17,90
Witzig, spritzig, vielschichtig - ein wahrer Haubenkrimi des bekannten Gastronomie-Kritikers. (DR)
Mario Carozzi, Südtiroler, Chili Junkie und eher glückloser
Archäologe, verschlägt es diesmal auf die kroatische Insel Balaor,
deren Geschichte von Römern, Byzantinern und Venezianern geprägt
wurde. Wie schon in Wagners erstem Krimi "Schattenbach" ist
Carozzi auch diesmal bald von seiner eigentlichen Arbeit - der Leitung
des örtlichen Lapidariums - abgelenkt. Denn gleich bei seiner Ankunft
wird er Zeuge, wie der Fischereidirektor von der herabstürzenden
Statue des Erzengel Michaels erschlagen wird. Dann gibt es ein weiteres
Todesopfer - ausgerechnet bei einem von Carozzi arrangierten Gelage nach
römischem Vorbild. Weitere mysteriöse Vorkommnisse und Todesfälle
bringen den neugierigen Archäologen allmählich selbst in höchste
Bedrängnis.
Wagner beweist ein profundes Wissen um die Geschichte und gegenwärtige
politische Konstellation des nördlichen Adriaraumes. Dabei versteht
er es bestens, sein Wissen leicht und unaufdringlich einzubringen. Scharfzüngig
sorgt er mit viel Sinn für Humor und Wortwitz dafür, dass aus
der eigentlich düsteren Geschichte eine farbenfrohe und nuancenreiche
Lektüre wird. Wie bereits in "Schattenbach" erweist sich
Carozzi eher als Stehaufmännchen denn als unbezwingbarer Held. Aber
seine unstillbare Neugier und die Fähigkeit, auch unangenehme Situationen
mit fatalistischer Gelassenheit hinzunehmen, lassen ihn letztlich den
Dingen auf den Grund gehen. Unterstützt wird er dabei von ebenso
liebenswerten wie skurrilen Typen, Trunkenbolden und Freunden von gleichermaßen
witzigen wie schlechten Gedichten. Ein Gradmesser für Carozzis seelisches
Befinden ist stets die Menge an Chili, die der begeisterte Hobbykoch in
seinen Rezepten verwendet. Diesmal geht sein Chilivorrat bedenklich zur
Neige… Das titelgebende Rezept stammt übrigens vom römischen
Feinschmecker Apicius. Unterhaltsam, spannend, wortgewandt - Unterhaltung
pur!
Anita Ruckerbauer | biblio
Erich Hackl: Als ob ein Engel
: Erzählung nach dem Leben / Erich Hackl. - Zürich
: Diogenes, 2007. - 169 S.
ISBN 978-3-257-06595-4 fest geb. : ca. € 18,40
Ein Denkmal für ein Opfer der argentinischen Militärdiktatur. (DR)
In der Erzählung "Als ob ein Engel" greift Erich Hackl
das Schicksal einer jungen Frau auf, die in der Zeit der argentinischen
Militärdiktatur verschwand. Am 8. April 1977 machen bewaffnete Zivilpolizisten
in der Stadt Mendoza Jagd auf Gisela Tenenbaum, José Galamba und
Ana Mariá Moral. Die drei jungen Leute sind Mitglieder der militanten
Untergrundorganisation Montoneros. Ana Mariá Moral wird bald erwischt.
José Galamba entkommt, wird aber ein paar Monate später festgenommen
und verschleppt. Er taucht nie wieder auf. Was mit Gisela Tenenbaum passierte,
bleibt unklar. Wurde sie sofort gefasst und getötet? Wurde sie in
eines der vielen Lager der Diktatur gebracht und dort gefoltert? Gelang
ihr vielleicht doch die rettende Flucht ins Ausland?
30 Jahre später befragt Erich Hackl Giselas Eltern, Schwestern und
Freunde, um aus dem "Geflecht aus Stimmen" die Persönlichkeit
der jungen Frau herauszuschälen. Was er berichtet, ist auch eine
Familiengeschichte. Gisis Eltern stammen aus Wien und lernten sich erst
in Lateinamerika kennen. Als Kinder waren sie mit ihren Eltern vor der
Nazidiktatur geflüchtet. Die Exilanten bauten sich in Argentinien
mühevoll eine neue Existenz auf und absolvierten unter großen
Entbehrungen ein Medizinstudium. Als Ärzte sind sie sozial engagiert
und setzen sich für die Armen ein. Großen Einsatz für
andere zeigt auch ihre hochbegabte Tochter. Den bewaffneten Untergrundkämpfern
schließt sich Gisi aber aus eigenem Entschluss an. Warum sie sich
von den Guerilleros nicht lossagt, als deren Sache aussichtslos ist, ist
eine der Fragen, um die die Erzählung kreist.
Wie in seinen früheren Büchern will Hackl den Opfern historischer
Ereignisse eine Stimme geben. Er hat penibel recherchiert und vermeidet
in seinem schnörkellosen Berichtstil jedes Pathos. Die Erfahrungen
der Elterngeneration stellt er in alternierenden Sequenzen geschickt neben
das Schicksal der Tochter. Damit verdeutlicht er hervorragend, wie sehr
das Leben beider Generationen von der Auseinandersetzung mit Gewalt und
Faschismus geprägt ist. Ein bewegendes Schicksal, das von Hackl ohne
einen Hauch von Rührseligkeit erzählt wird.
Karl Vogd | biblio
Slavenka Drakulic: Frida
: Roman / Slavenka Drakulic. Aus dem Kroat. von Katharina
Wolf-Grießhaber. - Wien : Zsolnay, 2007. - 172 S.
ISBN 978-3-552-05408-0 fest geb. : ca. € 18,40
Anhand von Kunstwerken und Briefen sensibel und ohne Pathos nachgezeichneter Leidensweg Frida Kahlos von der Geburt bis zum Tod. (DR)
1907 wird in Coyoacán, Mexiko-Stadt, das Mädchen Magdalena Carmen Frieda Kahlo y Calderón geboren, das unter dem Namen Frida Kahlo zu Weltruhm gelangen wird. Eine Kinderlähmung im Alter von sechs Jahren und ein schwerer Unfall mit 18 zerstören die bis dahin robuste Gesundheit des temperamentvollen, lebenslustigen Mädchens, das gegen alle Konventionen am liebsten Hosen trägt, Fahrrad fährt und sich gern als einziger "Sohn des Hauses" - sie hat zwei Schwestern und zwei Halbschwestern - präsentiert. Von nun an ist Frida immer wieder für lange Zeiten ans Bett gefesselt. Operation folgt auf Operation, Korsette beengen den Atem, Schmerzen quälen. Um die Verzweiflung zu lindern, bringt ihr die Mutter eine kleine Staffelei ans Bett. Malen und das Schreiben zahlloser Briefe werden über Jahre zum Ventil für ihre körperlichen und seelischen Leiden. - Slavenka Drakulic' Roman über die Malerin setzt am Sterbebett ein: Frida horcht in die Stille. Die Schmerzen sind heute erträglich, die Dosis Demerol kann herabgesetzt werden. Die Gedanken nehmen ihren Lauf. Kindheit, Lachen, Kränkungen, Erfolge, Menschen, Leidenschaften, vor allem die lebenslange, an Hörigkeit grenzende Liebe zu ihrem "Maestro" Diego Rivera - und immer wieder: Leiden. Die Zerstörung der körperlichen Integrität bis hin zur Amputation des Beines, die zeitlebens erzwungenen Beschränkungen, rasende Eifersucht, glühender Neid, maßlose Enttäuschung. Es sind Fridas Briefe und die detaillierte Beschreibung ausgewählter Kunstwerke der Malerin, die Slavenka Drakulic mit großer Sensibilität und ganz ohne Pathos zu einem denkwürdigen Roman über das Leben der Künstlerin verdichtet. Sehr empfohlen.
Isabella Müller | biblio
Günther Hasinger: Das Schicksal des Universums
: eine Reise vom Anfang zum Ende / Günther Hasinger.
- München : C. H. Beck, 2007. - 288 S. : Ill. (farb.)
ISBN 978-3-406-56203-7 fest geb. : ca. € 23,60
Von den Anfängen des Universums - anschaulich und klar. (NS)
Dieses Buch ist eine Reise vom Anfang des Universums in seinem unfassbar
heißen Urknall vor ziemlich genau 13,7 Milliarden Jahren bis zu
seinem kalten, dunklen Ende in fernen Ewigkeiten. Dazwischen liegen die
Zeiten, in denen sich großräumige Strukturen, Galaxien, Sterne
und Planeten entwickeln. Der Astrophysiker Günther Hasinger bringt
den LeserInnen nicht nur die neuen faszinierenden Erkenntnisse über
unser Universum nahe; er schildert auch die Methoden, mit denen in der
Astrophysik gearbeitet wird, sowie die menschliche Seite der Erforschung
des Weltalls.
Eine hoch wissenschaftliche Abhandlung, die anschaulich und für den
Leser verständlich verfasst wurde. Mit zahlreichen Fotos und Abbildungen.
Sehr empfehlenswert!
Gerhard Popp | biblio
Heinz Josef Algermissen: Mehr als Brot und Rosen
: Elisabeth von Thüringen heute / Heinz Josef
Algermissen... Mit einem Lebensbild von Christian Feldmann und Abbildungen
aus der Kunst. - Freiburg i. Br. : Herder, 2007. - 156 S.
ISBN 978-3-451-29354-2 fest geb. : ca. € 10,20
Ökumenische Würdigung einer nonkonformistischen Christin. (PR)
Die evangelischen und katholischen Bischöfe Hessens und Thüringens erschließen in diesem Buch die hl. Elisabeth als Christin, deren Botschaft über alle Grenzen der Jahrhunderte und Konfessionen hinaus gültig ist: die Hingabe an Jesus, der Einsatz gegen Ungerechtigkeiten, die persönliche Zuwendung zum Mitmenschen, das Anliegen, anders - weil aus dem Blickwinkel Jesu - zu denken und zu handeln. Elisabeth ist eine Frau der Extreme; manches an ihr können wir nicht verstehen oder nachvollziehen. Doch das liegt ganz auf der Linie der Nachfolge, denn auch an Jesus verstehen wir nicht alles, wissen aber um sein Anliegen: den Menschen die Nähe und Barmherzigkeit Gottes glaubhaft zu machen und dabei neue Wege zu beschreiten. Elisabeth ist anderen Heiligen ihrer Zeit wie Franziskus und Klara von Assisi oder Agnes von Prag verbunden, die für das Mittelalter erkannt haben, dass es neue Wege braucht, den Glauben glaubwürdig zu leben, und die diese Wege gegangen sind. Ausgehend von der hl. Elisabeth nennen die Autoren einfache, unspektakuläre, aber für jeden Christen nachvollziehbare Beispiele für heute. Für alle Bibliotheken!
Hanns Sauter | biblio