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biblio : aktuelle buchtipps

Buchtipps / 2016 / Jänner

erstellt von der STUBE und dem Österreichischen Bibliothekswerk

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Jonny Duddle: Die Jolley-Rogers im Bann der Geisterpiraten

/ Jonny Duddle. Aus dem Engl. von Ulrich Thiele. - Bindlach : Loewe, 2015. - 148 S. : Ill.
ISBN 978-3-7855-8194-0   fest geb. : ca. € 10,30

In Schnarch am Deich kommt es abermals zum Einfall von Piraten. Aber diesmal ist es nicht die freundliche Familie Jolley-Roger, die den Kleinstadtfrieden stört, sondern die gefürchteten Geisterpiraten unter Käpt’n Zwirbelbart, denen die Polizei unter der Führung von Inspektor A. Nungslos so gar nichts entgegenzusetzen hat. Gut, dass Matilda ihren Flaschenpostfreund Jim Lad zu Hilfe rufen kann, um den Geistern das Handwerk zu legen. Diese erste von im Original bislang drei Fortsetzungen des Bilderbuches „Die Piraten von nebenan“ (2012) ist üppig in Schwarz-Weiß illustriert: Karikatureske Überzeichnungen und Comic-Stilmittel wie Sprechblasen, Sound-Words und unterschiedliche Schriftarten betonen die Verwicklungen des kuriosen Plots. Bestimmt wird das Ganze vom humorvollen Spiel mit bekannten Klischees der Freibeuterei und intermedialen Verweisen, allen voran natürlich auf den mittlerweile auch bei Kindern sehr bekannten „Fluch der Karibik“. Zum Vor- und Selberlesen ab 8 Jahren wunderbar geeignet.

Sonja Loidl | STUBE 

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Erna Sassen: Das hier ist kein Tagebuch

/ Erna Sassen. Aus dem Niederländ. von Rolf Erdorf. - Stuttgart : Freies Geistesleben, 2015. - 181 S.
ISBN 978-3-7725-2861-3      fest geb. : ca. € 18,40

Ein Ultimatum wird zum Schreibanlass: Als der sechzehnjährige Boudewijn fünf Jahre nach dem Suizid seiner Mutter in völlige Apathie zu versinken droht, droht sein Vater, ihn in eine psychiatrische Klinik einweisen zu lassen, wenn er nicht jeden Tag etwas aufschreibt und eine CD hört. Widerwillig fügt er sich – und notiert Gedanken, Fragmente und die Musikstücke, die er sich angehört hat. Zwischen so unterschiedlichen Melodien wie Pergolesis „Stabat Mater“ oder Arvo Pärts „Für Alina“ wird nach und nach das Ausmaß seines Gefühlschaos deutlich. Er hadert nicht nur mit der psychischen Erkrankung der Mutter, die nie so für ihn da sein konnte, wie er es gebraucht hätte, sondern auch mit dem für ihn völlig unnachvollziehbaren Verständnis, dass das Umfeld ihr immer entgegengebracht hat. Auch die Relativität von Zeit im Prozess des Trauerns und der Auseinandersetzung wird dabei deutlich – der Schmerz ist allgegenwärtig, und gerade im so fremden lateinischen Text von Pergolesis „Stabat Mater“ finden sich überraschende Anknüpfungspunkte: „Ach Mutter, Quell der Liebe, lass mich die Kraft deiner Schmerzen spüren, dass ich mit dir trauern kann.“ Nicht alles davon ist lösbar, aber manches leichter lebbar, wenn man darüber geschrieben hat: „War eigentlich gar keine so schlechte Idee von meinem Vater. Kein Tagebuch zu führen. Morgen kaufe ich ein neues.“

Kathrin Wexberg | STUBE

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Elisabeth Steinkellner: Rabensommer

: Roman / Elisabeth Steinkellner. - Weinheim : Beltz und Gelberg, 2015. - 201 S.
ISBN 978-3-407-81200-1      kart. : ca. € 13,40

Beste Freunde, die im Fluss des Lebens auseinandertreiben. (ab 15) (DR)

Juli, Niels, Ronja und August sind enge Freunde - alles haben sie zusammen gemacht. In die Aufbruchsstimmung nach der Matura mischt sich leise Wehmut, sie wissen: Das wird der letzte gemeinsame Sommer sein. Die erste Wohnung, auf eigenen Beinen stehen in einer fremden Stadt, das fühlt sich gut an, findet Ich-Erzählerin Juli. Doch dann passiert etwas, das ihr den Boden unter den Füßen wegzieht, obwohl sie es bereits gespürt hat, obwohl es sich schon ein wenig wie der Anfang vom Ende angefühlt hat: Niels macht Schluss, macht in zwölf Minuten zunichte, was in zwölf gemeinsamen Monaten gewachsen ist. Und auch Ronja und August betreten Neuland und dann ist da auf einmal nur noch ein Nicht-fassen-Können, ein Aus-der-Zeit-Gleiten, Sich-abhanden-Kommen…
Vier lapidare Zeilen - "Brot, Butter, Milch, Kaffee" - veranschaulichen Julis Seelenzustand. Das ist ein Festhalten an Alltäglichem, an kurzen Listen. Das ist zu Sprache gewordener Schmerz, der nicht mehr Worte braucht. Sinnlich erzählt die niederösterreichische Autorin von erster Liebe und sexueller Anziehung, von Freundschaft und Liebeskummer. Julis Hinausfallen aus der Welt zeigt sich in einem Bruch im Erzählen: Da ziehen Momentaufnahmen und Erinnerungen vorbei, da finden sich neben Einkaufszetteln, niedergeschriebene Träume und SMS. Als erzählerischer Bogen und Soundtrack fungieren für diesen sich formal stark abhebenden zweiten Teil die Songtexte zweier österreichischer Singer-Songwriterinnen: "How come I get lost so easily" aus "Blurry" von Clara Luzia hebt Julis Verschwinden, ihr Ringen mit dem Leben, das zu einem Haufen loser Schnipsel verkommt, hervor. Bis es sich schließlich mit "Beauty in unexpected places" von Mika Vember zurückmeldet, das Leben, bis Juli wieder auftaucht im Hier und Jetzt.
Steinkellners lyrische Erzählstimme wird getragen von poetischen Klängen und einem atmosphärisch-dichten, melancholischen Blick aufs Erwachsenwerden. So fühlt sich Jungsein an. Besondere Empfehlung - nicht nur für beste Freunde, aber für die sowieso!

Cornelia Gstöttinger | biblio

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Jenny Rogneby: Leona - die Würfel sind gefallen

: Roman / Jenny Rogneby. Aus dem Schwed. von Antje Rieck-Blankenburg. - Zürich : Atrium, 2015. - 441 S.
ISBN 978-3-85535-627-0      kart. : ca. € 17,40

Ein siebenjähriges Mädchen begeht einen Banküberfall - wer steckt dahinter? (DR)

Ein außergewöhnlicher Banküberfall in Stockholm: Ein kleines Mädchen kommt in eine Bank, versehen mit einem Sprengstoffgürtel und einem Kassettenrekorder, auf dem die Warnung abgespielt wird, dass der Gürtel explodieren werde, wenn dem Mädchen nicht alles Geld ausgehändigt wird. Der ungewöhnliche Überfall gelingt und erfährt ein großes mediales Echo. Die erfahrene Kriminalbeamtin Leona Lindberg - selbst Mutter von zwei Kindern - wird mit dem Fall betraut. Kurz darauf erfolgt ein zweiter Überfall nach dem gleichen Schema und Leona gerät immer mehr unter Druck. Dabei hat sie auch privat genug Probleme zu lösen: Durch eine traumatische Kindheit ist sie kaum fähig, Gefühle für ihre Nächsten zu empfinden, und sie muss sich eingestehen, dass die gelegentlichen nächtlichen Pokerspiele inzwischen zu einer beträchtlichen Spielsucht geworden sind, die sie und ihre Familie in den finanziellen Ruin zu treiben droht. Und wohl das Aus für ihre Ehe bedeutet. So ist es auch kein Wunder, dass die Ermittlungen schon bald ins Stocken geraten, denn Leona selbst hat dabei am meisten zu verbergen und zu verlieren.
Ein spannender Kriminalroman, der besonders mit seinen völlig unerwarteten Wendungen punktet. Die Hauptprotagonistin ist ein außergewöhnlicher Charakter, durch sie verschwimmen die Grenzen zwischen Gut und Böse immer mehr. Wieder ein Kriminalroman, der sich lückenlos in die Reihe jener Krimis einordnet, in denen Ermittler mit außergewöhnlichen Charakteren und persönlichen Schicksalen zu kämpfen haben. Sehr zu empfehlen.

Roland Kohlbacher | biblio

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Anna Baar: Die Farbe des Granatapfels

: Roman / Anna Baar. - Göttingen : Wallstein-Verl., 2015. - 319 S.
ISBN 978-3-8353-1765-9  fest geb. : ca. € 20,50

Die Zerrissenheit eines Mädchens beim Aufwachsen zwischen zwei Welten. (DR)

Anna Baar schildert in ihrem Roman das Aufwachsen eines Mädchens zwischen zwei Welten. Da ist die Welt des Vaters und die Vatersprache in Österreich und die Welt der Großmutter und deren Sprache auf der kroatischen Insel Brac. "Wen liebt Nada am meisten? Das Kind schwieg. Sie dann mit freundlicher Schärfe: Sag: Mich! Das Kind wider Willen: Mich!" Dieser Textauszug spricht für sich: ein Kind, das sich zwischen der Liebe der Eltern und der der Großmutter entscheiden muss. Das clevere Mädchen, das bei der Großmutter aufwächst, während die Eltern in Österreich arbeiten, jongliert geschickt zwischen den verschiedenen Sprachen, nutzt Situationen, in denen es vorgibt, die fremde Sprache nicht zu verstehen.
Die Lyrikerin Anna Baar, geboren 1973 in Zagreb, studierte Publizistik und Theaterwissenschaften. 2015 las sie beim Klagenfurter Bachmannpreis. Abseits des Mainstreams greift Baar aktuelle Themen wie Heimat, Integration und Zugehörigkeit auf. Schwierigkeiten, die das Mädchen in beiden Welten erlebt, werden nicht schöngeredet. Das Buch eignet sich ausgezeichnet, um die angesprochenen Themen zu diskutieren, und ist allen Büchereien zu empfehlen.

Cornelia Stahl | biblio

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Alastair Bonnett: Die seltsamsten Orte der Welt

: geheime Städte, wilde Plätze, verlorene Räume, vergessene Inseln / Alastair Bonnett. Aus dem Engl. von Andreas Wirthensohn. - München : C.H. Beck, 2015. - 295 S. : Ill.
ISBN 978-3-406-67492-1  fest geb. : ca. € 20,60

Wundersame Expedition zu faszinierenden realen Orten - mit Abenteuercharakter. (EL)

Wer selbst zum Entdecker werden will und das auch noch gemütlich von der Couch aus, ist mit "Die seltsamsten Orte der Welt" ausgezeichnet beraten. Alastair Bonnett, Professor of Social Geography an der Universität Newcastle, Mitabenteurer und Reisebegleiter im Buch, nimmt die LeserInnen mit auf eine wundersame Reise zu unbekannten Orten. Schon die Namen der Kapitel versprechen eine interessante Lektüre. Bonnett unterteilt seine Erkundung der seltsamen Orte unter anderem in Rubriken wie verlorengegangene Orte, Niemandsländer, Geisterstädte, abtrünnige Nationen, schwimmende Inseln und vergängliche Orte. Er stellt siebenundvierzig Fleckchen auf unserer Erde vor, die wahrscheinlich die wenigsten kennen. Wo es möglich war, hat der Autor Google-Earth-Koordinaten angegeben, sodass die Lage der Orte möglichst genau nachzuvollziehen ist.
"Die seltsamsten Orte der Welt" liest sich wie ein Abenteuerroman, behandelt aber ausschließlich reale Orte, was eine umso größere Faszination darstellt. Bonnetts Buch ist vor allem empfehlenswert für Öffentliche Bibliotheken, da es wohl ein breites Publikum ansprechen dürfte, das sich für verwunschene, außergewöhnliche und vergessene Gegenden, Inseln und Städte interessiert.

Alexandra Gölly | biblio

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Johannes Hinrich von Borstel: Herzrasen kann man nicht mähen

: alles über unser wichtigstes Organ / Johannes Hinrich von Borstel. - Berlin : Ullstein, 2015. - 301 S. : Ill., graph. Darst.
ISBN 978-3-550-08098-2      kart. : ca. € 17,50

Ein unterhaltsames Sachbuch über das Herz. (NK)

Johannes Hinrich von Borstel, 1988 geboren, hat sich früh der Medizin zugewandt. Erst ließ er sich als Rettungssanitäter ausbilden, jetzt steht er vor dem Abschluss seines Medizinstudiums und ist mittlerweile gefragter Science Slammer. Ihm gelingt das Kunststück, in flotter Umgangssprache mit einer Leichtigkeit die schwierigsten anatomischen Zusammenhänge einfach und unterhaltsam zu erklären. Dabei ist er genau und ausführlich: Hinter "Herzrasen kann man nicht mähen" verbirgt sich ein "richtiges" Sachbuch und keineswegs leichte Lektüre. Laien werden tief in die Materie eingeführt, man erfährt weit mehr, als einem Ärzte in der Regel erklären, beispielsweise wie man die Zacken im EKG lesen kann.
Die Begeisterung des angehenden Mediziners für das Organ ist bemerkenswert ansteckend. Irgendwie wirken all die schlimmen Herzerkrankungen gar nicht mehr so schrecklich, wenn dieser sympathische junge Mann darüber schreibt. Das Buch ist spärlich illustriert, punktet aber mit viel Inhalt und niveauvollem Humor. Allen Bibliotheken, allen interessierten Laien und den verschiedenen medizinischen Berufsgruppen empfohlen, Letztere könnten eine ähnlich patiententaugliche Sprache zur besseren Kommunikation im Berufsalltag einsetzen.

Aloisia Altmanninger | biblio

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Wolfgang Bergmann: Die letzten Päpste

: ein theologischer Neustart für die Kirche / Wolfgang Bergmann. - Wien : Czernin Verl., 2015. - 135 S.
ISBN 978-3-7076-0549-5      fest geb. : ca. € 19,90

Eine gründliche Analyse der Kirchensituation samt konstruktiven theologischen Neuansätzen. (PR)

Papst Benedikt XVI., der als "letzter Monarch auf dem Papstthron" das Kirchenregiment führte, ließ seinem Nachfolger einen veritablen Reformstau zur Aufarbeitung zurück. Der Autor, studierter Theologe und Journalist, nennt die drei "Baustellen": Geld (Vatikan-Bank), Macht (Kurie) und Sex (Missbrauchsfälle), verzettelt sich aber nicht mit der Ausbreitung der ohnehin längst bekannten Skandale. Vielmehr geht es ihm um die Offenlegung der fundamentalen theologischen Probleme der Kirche, die um die Stichworte Lehre, Schuld und Sühne, Schöpfung und Evolution, Offenbarung, Dogma, Priestertum der Frau, Riten und Recht kreisen.
Nach gründlicher Analyse plädiert der Autor für einen Neustart der Theologie, die sich von den Strukturen der Schultheologie (endlich) verabschieden muss, um die Kirche für die Lösung der entscheidenden Menschheitsfragen (Zusammenleben, Weltfrieden) neu positionieren zu können, wofür, so der Autor, die aktuelle "kirchengeschichtliche Wende" unter Papst Franziskus einen guten Ausgangspunkt darstellt. Die bedenkenswerten Überlegungen vereinen eine gründliche Analyse der Kirchensituation mit konstruktiven theologischen Neuansätzen.

Karl Krendl | biblio

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