hintergrundbild
biblio : aktuelle buchtipps

Buchtipps / 2014 / November

erstellt von der STUBE und dem Österreichischen Bibliothekswerk

Buchcover

Ute Krause: Die Muskeltiere

: einer für alle, alle für einen / Ute Krause. Mit Ill. von Ute Krause. - München : cbj, 2014. - 207 S. : Ill.
ISBN 978-3-570-15903-3    fest geb. : ca. € 15,50

Ein witziges Pfoten-Quartett erlebt in Hamburg seine Abenteuer: die Maus Picandou, die gleich drei (Käse-)Namen trägt, die Hafenmaus Pommes de Terre, die Ratte Gruyère, die nach einem Gedächtnisverlust mit Identitätsproblemen hadert, und der wohlhabende, aber gelangweilte Hamster Bertram, der aus seinem goldenen Käfig flieht, finden in einem verregneten Herbst zueinander. Zusammen sind sie die Muskeltiere und müssen gleich mehrere Aufgaben in Hamburgs Alt- und Speicherstadt erledigen: Picandous Feinkostladen mit der gemütlichen Mauswohnung vor dem Bankrott retten, Gruyères Herkunft aufdecken und sich einen Deal mit den bisweilen gemeinen Hafenratten einfallen lassen – ganz nach dem der Vorlage von Alexandre Dumas aus dem Jahr 1844 entlehnten Motto „Einer für alle, alle für einen!“
Ute Krause hat mit den Muskeltieren ein witziges Kinderbuch über gute Freundschaft gestaltet, das mit seinen vielen markanten Illustrationen und seinem Hamburger Lokalkolorit nicht nur Kinder, sondern auch (vorlesende) Erwachsene gut unterhalten wird. Worterklärungen und Aussprachehilfen aus dem Französischen inklusive: „Es hilft, wenn du ein bisschen näselst: Camembert – Kamombeer“. Ab 9.

Jana Sommeregger | STUBE 

Buchcover

Charles Perrault / Roberto Innocenti: Aschenputtel

/ Charles Perrault. Bilder von Roberto Innocenti. [Aus dem Franz. von Doris Distelmaier-Haas]. - Hildesheim: Gerstenberg, 2014. – 30 S. : überw. Ill. ; 29 cm
ISBN 978-3-8369-5818-9    fest geb. : ca. € 15,40

Die Roaring Twenties feiern derzeit nicht nur in der Mode ihr Revival, auch im Bilderbuch wird das „Goldene Zeitalter“ neu entdeckt. Aschenputtel lebt in dieser Bildinterpretation von Roberto Innocenti in den 1920er-Jahren in London. Während sich ihre gnädigen Stiefschwestern keck in ihren Flapper-Dressen auf den Schaukeln schwingen, muss Aschenputtel die niedrigen Arbeiten im Haus verrichten. Als sie mit Hilfe ihrer Patin und ihrem verzauberten Kürbis und Getier auf den Ball des Prinzen gelangt, fühlt man sich an Partys aus dem „Großen Gatsby“ erinnert. Besondere Anziehungskraft entfalten die Bilder von Roberto Innocenti dort, wo sie Doppeln, Perspektiven wechseln und so in die Privatsphäre aller Figuren vordringen. Am Ende blickt nicht mehr Aschenputtel sehnsüchtig aus dem Fenster, sondern die vereinsamte Stiefmutter.
Wenn im Text von Charles Perrault der König dem Prinzen zuraunt, er habe schon lange kein so schönes und reizendes Mädchen mehr gesehen, kann dies auch für die aufwendigen und originellen Illustrationen von Roberto Innocenti geltend gemacht werden, die allen Altersstufen einen neuen Blick auf das vertraute Märchen gewähren. Ab 5.

Jana Sommeregger | STUBE

Buchcover

Antonia Michaelis: Niemand liebt November

/ Antonia Michaelis. - Hamburg : Oetinger, 2014. - 430 S.
ISBN 978-3-7891-4295-6      fest geb. : ca. € 18,50

Ein Mädchen, das auf der Suche nach ihren verschwundenen Eltern selbst in den Rissen der Realität verloren zu gehen droht. (ab 16) (DR)

Erneut entwirft Antonia Michaelis mit Sätzen voller Poesie und Sprachmagie ein schmerzlich schönes, atmosphärisch dichtes Setting für eine beklemmende Geschichte voller Leid, Gewalt und Einsamkeit. Menschen verschwinden, gehen verloren, hinterlassen Risse im Leben derer, die zurückbleiben. Einmal mehr sind es die Menschen im gesellschaftlichen Abseits mit schwierigen Familienverhältnissen, die die deutsche Autorin interessieren: Die 17-jährige November Lark, eine Art weiblicher Gegenpart zur ambivalenten Figur des Abel im Roman "Der Märchenerzähler" (2011), reißt aus der betreuten WG aus, um in der Großstadt nach ihren Eltern zu suchen. Aufgewachsen ist November in Heimen und Pflegefamilien, denn ihre Eltern ließen sie als Fünfjährige alleine in der Wohnung zurück, geblieben sind ihr nur ihre Katze und traumverschwommene Erinnerungen. Noch immer setzt November alle Hoffnung in ein Wiedersehen: Dann wird endlich alles gut werden, dann kann sie ankommen in ihrem Leben, sich in eine neue, bessere November verwandeln und das Krallen zeigende, verwahrloste Mädchen hinter sich lassen. Dieses Mädchen, das sich wahllos auf Männer einlässt, um die Kälte in sich zu vertreiben, und erst zu spät merkt, dass es dabei eine Grenze überschritten hat...
"Niemand liebt November" ist nicht nur eine tiefgründige Charakterstudie über die (auch destruktive) Kraft der Liebe und darüber, was passiert, wenn sie in einem jungen Menschenleben fehlt, sondern auch ein Psychothriller mit Gänsehaut-Atmosphäre, ein Spiel mit den Wirklichkeiten, in dem die Grenzen zwischen Traum und Realität verwischen. Wer schreibt November diese beängstigenden Drohbriefe und folgt ihr durch die Nacht? Und was hat es mit dem lesenden Jungen in dem rot-gelb leuchtenden Zelt auf sich, das wie eine Insel der Geborgenheit in der Dunkelheit auftaucht, aber verschwindet, wenn sie sich nähert? Mit diesem Jungen, den sie schon immer zu kennen glaubt? Und warum hilft ihr Katja, der sanfte Inhaber der Kneipe, in der ihr Vater vor Jahren gearbeitet hat, wiederholt aus der Patsche? Die poetischen Verse am Beginn jedes Kapitels verstärken den Hauch des Ungewissen, der von diesem geheimnisvollen Plot ausgeht.
Ein dunkles Buch, melancholisch und traurig, mit rot-gelben Hoffnungsschimmern. Ein beeindruckendes Psychogramm, das begeisterte LeserInnen des "Märchenerzählers" rasch in den Bann ziehen wird. Manche Szenen lasten allerdings schwer auf einem, daher für LeserInnen ab 16.

Cornelia Gstöttinger | biblio

Buchcover

Esther Gerritsen: Mutters letzte Worte

 : Roman / Esther Gerritsen. Aus dem Niederländ. von Meike Blatnik. - Berlin : Berlin-Verl., 2014. - 204 S.
ISBN 978-3-8270-1160-2      fest geb. : ca. € 19,60

Ein Roman über das Sterben. (DR)

"Mutters letzte Worte" ist der erste Roman der niederländischen Schriftstellerin Esther Gerritsen, der ins Deutsche übertragen wurde, und es bleibt zu hoffen, dass es nicht der letzte sein wird. Der Autorin ist damit eine sachliche, treffende und dabei humorvolle Auseinandersetzung mit einem so tabuisierten Thema wie dem Sterben und dem Tod der Eltern gelungen. Coco ist eine Studentin, die ihr Studium nicht ernsthaft betreibt, sondern eher mit Männern experimentiert, seit einem Jahr mit dem wesentlich älteren Arzt Hans. Als ihr ihre Mutter Elisabeth bei einer zufälligen Begegnung auf der Straße auf Empfehlung ihres Arztes, doch darüber zu sprechen, erzählt, dass sie mit Krebs im letzten Stadium im Sterben liegt, beschließt Coco aus einem Reflex heraus, zu ihr zu ziehen und sie zu begleiten.
Gerritsen schildert psychologisch glaubwürdig und spannend den Versuch der beiden Frauen, die sich jahrelang nur auf Besuchsbasis kannten (Coco ist bei ihrem Vater und ihrer Stiefmutter aufgewachsen), sich einander anzunähern, den Kampf beider - der Mutter und der Tochter - im Umgang mit Gefühlen, den Versuch Elisabeths, ihre Vergangenheit aufzuarbeiten und von ihrer großen Liebe, Cocos Vater, Abschied zu nehmen. Auch die Hilflosigkeit von Cocos Vater, der sich anlässlich dieses Sterbens wieder zwischen zwei Frauen findet, zwischen Elisabeth, die er verlassen hat, und seiner neuen Frau Miriam, Cocos Stiefmutter, sowie die verzweifelten Versuche Cocos, ihre Liebe Hans zu halten und Sexualität und Gefühle auf eine Reihe zu bringen, beschreibt Gerritsen authentisch. Ein Roman, der viele ernste Themen überzeugend anreißt, dennoch einen hintergründigen Humor ausstrahlt und bis zur letzten Seite fesselt. Sehr empfehlenswert.

Monika Roth | biblio

Buchcover

Lutz Seiler: Kruso

: Roman / Lutz Seiler. - Berlin : Suhrkamp, 2014. - 480 S.
ISBN 978-3-518-42447-6      fest geb. : ca. € 23,60

Ein großer Roman über Freiheit und Freundschaft. (DR)

Lutz Seiler, der sich bislang vor allem als Lyriker einen Namen gemacht hat, erhielt heuer für sein spätes Prosadebüt "Kruso" auf Anhieb den Deutschen Buchpreis. Hauptschauplatz der "Robinsonade, die eine zärtliche und schwierige Freundschaft zwischen zwei jungen Männern in den Vordergrund stellt", ist eine küstennahe Kneipe auf der Insel Hiddensee im Wendejahr 1989, in der sich angehende Philosophen, Soziologen und Dichter, die ihr Taschengeld als Saisonkräfte aufbessern, rund um den Aussteiger Kruso gruppieren. Diese Konstellation bildet für Seiler ein literarisch wertvolles, "Mikromilieu, das es nur in dieser historischen Situation geben konnte". Allerdings lässt Seiler das historische Moment des Mauerfalls ganz bewusst außen vor, um anhand des titelgebenden Kruso und dessen Freund Edgar ganz allgemein die verschiedenen Seiten der Freiheit und auch deren Utopie aufzuzeigen und "dabei ein paar Fragen zu stellen, die wir vielleicht vergessen haben in dieser Zeit, nachdem wir alle Utopien verabschiedet haben."
Kruso, ein Apostel der Freiheit, predigt seinen Adepten die Lehren von Schestow, Babeuf, Bloch und Castaneda. Edgar hingegen liebt Gedichte über alles und schreibt auch selbst. Dieser Erzählstrang des Roman ist einerseits sehr eng mit Seilers eigener literarischen Entwicklung verwoben und andererseits gestattet die zentrale Rolle der Lyrik auch einen entsprechenden lyrischen Stil. Die Lektüre verlangt den LeserInnen sicherlich einiges ab, dafür werden sie aber auch reichlich belohnt.

Simone Klein | biblio

Buchcover

Alfred Komarek: Schräge Vögel

 : faszinierende Lebensentwürfe / Alfred Komarek ; János Kalmár. - Wien : Kremayr und Scheriau, 2014. - 175 S. : zahlr. Ill. (farb.)
ISBN 978-3-218-00934-8      fest geb. : ca. € 22,00

Zauberhafte Porträts von vierzehn Persönlichkeiten, die sich beharrlich weigern alles hinzunehmen. (BO)

Allein das Vorwort - vom Autor originellerweise als "Manifest" bezeichnet - ist schon ein sprachliches Erlebnis. Darin bekundet er seine Sympathie für Menschen, die sich lieber alles herausnehmen als alles hinzunehmen. Wer den Autor kennt, der weiß, dass er damit beileibe nicht jene Menschen meint, die sich auf Kosten anderer zuviel herausnehmen, sondern Lebenskünstler, die mit ihrem Tun einen wertvollen Beitrag für die Gesellschaft leisten. Die Puppenkünstlerin Julia Reichert gehört ebenso zu den Proträtierten wie der Schuhfabrikant Heini Staudinger oder der Bildende Künstler Daniel Spoerri. Alfred Komarek porträtiert den Schriftsteller Bodo Hell, der auf der Grafenbergalm am Dachsteinplateau jedes Jahr ab Juni um halb 5 Uhr seine Geißen melkt und für die Pferde und Kälber der Ramsauer Bauern die richtige Weide sucht, bevor er an seinen täglichen Almnotizen arbeitet, die er - penibel beobachtend und dokumentierend - in seiner sommerlichen Lebenswelt aufzeichnet. Am Beispiel des erblindeten Akkordeonkünstlers und Kafka-Verehrers Otto Lechner zeigt der Autor seine Kunst, mit subtilen Mitteln die vielen verschiedenen Schichten seiner "schrägen Vögel" freizulegen.
Im letzten Kapitel beschreibt sich Komarek selbst als Liebhaber seiner "Wohnhöhlen" in Wien, Bad Aussee und im Weinviertel. Alfred Komareks Hommage an die bunten Vögel der österreichischen Gegenwart ist voller Liebenswürdigkeit und Respekt - es ist eine sprachliche Glanzleistung, die durch die stimmungsvollen Fotos von János Kalmár kongenial ergänzt wird.

Johannes Preßl | biblio

Buchcover

Helen Waldstein Wilkes: "Das Schlimmste aber war der Judenstern"

 : das Schicksal meiner Familie / Helen Waldstein Wilkes. - Hamburg : Osburg, 2014. - 280 S. : Ill., graph. Darst.
ISBN 978-3-95510-043-8      fest geb. : ca. € 23,70

Briefe der verlorenen Verwandten - auf erschütternde Weise aufgearbeitet und aufbereitet. (BO)

Erst nach ihrer Pensionierung hat die 1936 in Mähren geborene, in Kanada aufgewachsene Helen Waldstein Wilkes die verstaubte Schuhschachtel aus dem Nachlass ihres Vaters geöffnet und die darin sorgfältig aufbewahrten Briefe gelesen. Eine schockierende Erkenntnis war die Folge: Sie ist nicht so isoliert, wie sie immer zu sein glaubte, weil sie keine Geschwister hatte, nur eine einzige Tante kannte, nichts von Großeltern, Cousinen oder Cousins wusste. Ihre Eltern hatten beharrlich über die Vergangenheit geschwiegen und ihre Tochter stets beschwört, nur in die Zukunft zu blicken. Nun erfährt sie aus den Briefen, die zwischen April 1939 und September 1945 an die mit viel Glück nach Kanada geflüchtete jüdische Familie Waldstein geschrieben wurden, dass sie eine ganze Reihe von Verwandten hatte. Die beiderseitigen Großeltern, die Tanten und Onkeln mit ihren kleinen Kindern haben verzweifelt, aber vergebens versucht, ebenfalls aus dem von den Nazis annektierten Land wegzukommen. Überlebt haben sie das KZ bis auf eine Ausnahme alle nicht, und die Schilderungen Arnolds, der Auschwitz überstanden hat, sind so erschütternd, dass man mit der Autorin nur mitweinen kann.
Anlässlich ihrer Buchpräsentation in Linz hat Helen Waldstein Wilkes betont, dass sie mit der Veröffentlichung dieser persönlichen Dokumente (Briefe und Fotos) ihren verstorbenen Verwandten eine Stimme geben möchte, damit sie nicht ein zweites Mal sterben würden. Für die Arbeit an diesem sehr intimen Buch hat die promovierte Romanistin extra einen Kurs für dokumentarisches Schreiben auf der Universität belegt. Diese besondere Sorgfalt und das große Engagement merkt man dem Ergebnis auch an. Für alle Bibliotheken dringend empfohlen!

Maria Schmuckermair | biblio

Buchcover

Stephan Sigg: Spirituelle Schreibwerkstatt mit jungen Menschen

: Anleitung und Beispiele / Stephan Sigg. - Freiburg i. Br. : Herder, 2014. - 159 S. + CD-ROM
ISBN 978-3-451-31211-3      fest geb. : ca. € 15,40

Eine inspirierende Einführung, um mit Jugendlichen über Gott und die Welt ins Gespräch zu kommen und ihnen Impulse für das Niederschreiben ihrer Gedanken zu geben. (PR)

Mit ganz einfachen Fragestellungen zur eigenen Sprache und zum persönlichen Zugang zur Kommunikation gibt der Autor grundlegende Informationen zu Gesprächs- und Schreibprozessen und Anleitungen, um Jugendliche zum Mitreden und Schreiben anzuregen. Wie im 21. Jahrhundert Glaubenskommunikation mit jungen Menschen gelingen kann und was dabei an traditionellen Ritualen nicht mehr ganz der heutigen Jugendsprache entspricht, auf das geht der Theologe genauso ein wie auf eine motivierende Gesprächsführung, auf Regeln, die es beim vertrauten Reden und in der Schreibwerkstatt zu beachten gilt.
Die Fülle von Methoden, Tipps und Beispielen macht Lust, selbst kreativ zu werden und die eigenen Ideen zu Papier zu bringen. Text-T-Shirts, Laudatio, Chat, Demo-Plakat, Detektiv-Protokoll, Schiefertafel, Protest-Schreiben, Labyrinth, Landkarte, Foto-Statements sind nur einige der neugierig machenden Vorschläge, die erahnen lassen, wie bunt und vielfältig die Zugänge zum spirituellen Schreiben sein können.

Birgit Leitner | biblio

Projekte . Kooperationen
Advertorial