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biblio : aktuelle buchtipps

Buchtipps / 2014 / September

erstellt von der STUBE und dem Österreichischen Bibliothekswerk

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Andrea Pflitsch / Dirk Steinhöfel: Irgendwo in der Tiefe gibt es ein Licht

/ Andreas Pflitsch ; Dirk Steinhöfel. – Würzburg : Arena, 2014. - 47 S. : zahlr. Ill. ; 33 cm
ISBN 978-3-401-06877-0  fest geb. : ca. € 20,60

„Irgendwo in der Tiefe gibt es ein Licht“ ... und das Licht, von dem dieses erzählende Sachbilderbuch handelt, hat der einstige Höhlenforscher Elias lange vergeblich gesucht. „Die letzten dunklen Haare“ hat es ihn gekostet, nach dem Leuchten im Eis Ausschau zu halten – und nach dem Goldschatz, der die Quelle dafür sein soll. Eigentlich will Elias die Höhle nie wieder betreten. Als aber seine Urenkel Jonas und Sophie auf Besuch in die USA kommen und Fragen stellen, stellt der alte Mann fest, dass Felsen und Eis ihn nach wie vor faszinieren. Mit den Kindern wagt er noch einmal eine Expedition, die tatsächlich von Erfolg gekrönt ist. Das Rätsel um das Licht wird endlich gelöst und – so viel sei verraten – Gold ist es nicht.
Schon die Aufmachung des Einbandes lässt innehalten: abgerundete Ecken, eine suggerierte Lochbindung, verblichene Farben, „Fotografien“, die sich erst auf den zweiten Blick als Computergrafiken herausstellen. Blättert man um auf das Vorsatzpapier, wird der wahre Hauptdarsteller der Geschichte erkennbar: die Höhle. Im Kontrast zu den computergenerierten Bildern, die die Handlung um Jonas und Sophie begleiten, zeigen zahlreiche tatsächliche Fotos unterschiedliche Stein- und Eisformationen. Für Umschlag, Innengestaltung, Illustration und Layout zeichnet Dirk Steinhöfel verantwortlich, der seine markante Bildsprache nun erstmals im (narrativen) Sachbuch erprobt.
Wissensgewinn (rund um Höhlen) ist ganz klar das Hauptanliegen des Buches – dass der Unterhaltungsfaktor dabei nicht zu kurz kommt, ist zum einen dem gelungenen Layout geschuldet, zum anderen der Erzählperspektive: Jonas gibt nicht nur wieder, was der Urgroßvater erklärt, sondern kommentiert auch das Zusammenleben mit ihm und Tante Janis und das enorme Fragebedürfnis der jüngeren Schwester.
Sophies Neugierde wird von Elias bestärkt. Es gibt keine dummen Fragen, ist eine weitere Botschaft der Geschichte, und dass man nie auslernt und „dass man manchmal ein ganzes Leben lang auf der Suche nach etwas Wertvollem ist, und […] dass die größten Schätze der Welt meist unmittelbar vor unseren Füßen liegen.“ Für interessierte Kinder ab 8 Jahren.

Simone Weiss | STUBE 

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Saskia Sarginson: Zertrennlich

: Roman / Saskia Sarginson. Aus dem Engl. übers. von Jessika Komina und Sandra Knuffinke. - Bindlach : Script5, 2014. - 414 S.
ISBN 978-3-8390-0152-3      fest geb. : ca. € 19,50

Das Wort „zertrennlich“ impliziert zugleich auch „unzertrennlich“, und so werden Zwillinge gerne und schnell kategorisiert. Wie zerbrechlich diese Einigkeit aber sein kann, zeigt Saskia Sarginson mit den Zwillingsschwestern Isolte und Viola. „Wir sind nicht immer Zwillinge gewesen. Früher waren wir ein einziger Mensch“, sagen diese von sich selbst. 1987 besucht die resolute und mit beiden Beinen im Leben stehende Isolte ihre gebrochene Schwester in einer Pflegeklinik. Viola ist magersüchtig, in ihrem Körper wie gefangen und gepeinigt von einem lang verdrängten Trauma. Ein Trauma, das beide Schwestern gleichermaßen prägt, Isolte aber zu der erfolgreichen Frau machte, die sie heute ist. Bis sie ihren Job überraschend verliert und ihre Vergangenheit in Gesprächen mit der melancholischen Viola neu aufrollt.
Während die Erzählperspektive der erwachsenen Frauen nahe an Isolte bleibt, erzählt Viola in Ich-Form von 1972. Damals waren die Mädchen zwölf und Sagengestalten noch reale Bedrohungen. Damals war Isolte noch Issy und Viola Vi. Gemeinsam mit einem Jungen-Zwillingspaar, John und Michael, vertrieben die Schwestern in rauen Abenteuern die Zeit und manchmal auch den Hunger und das Allein-Sein. Bis ihre Mutter einen neuen Mann fand und mit ihm eine neue kleine Tochter. Vi und Issy gingen unterschiedlich mit der neuen Familiensituation um – verabscheuten aber zu gleichen Teilen die neue Schwester. Als eines Tages das kindliche Spiel eskalierte, verschwand die Stiefschwester spurlos … Issy und Vi sahen sie nie wieder …
Der anspruchsvolle Debütroman erzählt von Schuld und Sühne; von zwei Biographien, die unterschiedlicher nicht sein könnten, obwohl sie doch denselben Ursprung haben. Mithilfe der zweigleisigen Erzählweise wird die Innensicht beider Frauen gewährleistet und ein komplexer, psychologischer Thriller für junge Erwachsene erzählt.

Elisabeth von Leon | STUBE

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Ulrike Draesner: Sieben Sprünge vom Rand der Welt

: Roman / Ulrike Draesner. - München : Luchterhand, 2014. - 559 S.
ISBN 978-3-630-87372-5      fest geb. : ca. € 22,70

Vielschichtige Traumabearbeitung. (DR)

Es ist bekannt, dass Traumata, die aus Erfahrungen wie Krieg, Verfolgung oder Folter entstehen, über Generationen sozusagen "vererbt" werden können. Ulrike Draesner nimmt sich in diesem epochalen Roman dieses Themas an: Simone Grolmann ist Verhaltensforscherin und hat Angst vor Schnee. Schnee, durch den ihre Familie 1945 flüchten musste. Siebzehn Jahre vor Simones Geburt. Unzufrieden in ihrer Ehe, lernt sie Boris kennen und lieben. Auch er ist ein Opfer der Traumata seiner Vorfahren. Seine Familie wurde aus Ostpolen vertrieben.
Naturgemäß ist dieser Roman bestimmt von negativen Erlebnissen, Neurosen und der Unmöglichkeit zwischenmenschlicher Beziehungen vor diesen Hintergründen. Dennoch werden die LeserInnen durch die vielsträngige und vielschichtige Handlung getragen, es ist ein Vergnügen, dieses "schwere" Buch zu lesen, und darin liegt die Meisterleistung der Autorin. Für alle Bestände empfehlenswert.

Sabine Eidenberger | biblio

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Martin Lechner: Kleine Kassa

 : Roman / Martin Lechner. - St. Pölten : Residenz-Verl., 2014. - 261 S.
ISBN 978-3-7017-1622-7      fest geb. : ca. € 22,90

Ein Debütroman, der hält, was er verspricht: verschrobene Charaktere in einer temporeichen Handlung. (DR)

Georg Röhrs ist sicher nicht der schlauste Lehrling, seinem Meister ist er jedoch treu ergeben. Genau diese beiden Eigenschaften schätzt Herr Spick an ihm, schließlich sind gerade das die wichtigsten Voraussetzungen für einen Schwarzgeldboten. So kommt es, dass Georg mit dem Geldkoffer des Eisenwarenhandels in Linderstedt regelmäßig spazieren gehen muss. Als der junge Lehrling jedoch bei einer Geldübergabe über eine Leiche stolpert, brennt ihm - im wahrsten Sinne des Wortes - die Sicherung durch: Anstatt das Schwarzgeld zu spät abzuliefern, flüchtet er in der Dunkelheit mit der "kleinen Kassa" unterm Arm in die Ungewissheit. Obwohl er nicht weiß, wohin ihn der Weg führt, vergisst er seinen großen Traum nicht: Er will Liftboy werden in einem schönen Hotel am Meer.
Martin Lechners Autorendebüt ist denkbar gut gelungen, denn selten wird die gespannte Erwartung, die entsteht, wenn man das Buch eines noch unbekannten Schriftstellers aufschlägt, so befriedigt, wie es in "Kleine Kassa" der Fall ist. Den LeserInnen bleibt ab der ersten Seite keine andere Wahl, als mit den oft skurrilen Gestalten des Romans mitzufiebern. Tagträumerisch und oft etwas vertrottelt manövriert sich der Lehrling Georg Röhrs immer tiefer in gar unmögliche und kaum lösbare Situationen. Obwohl man zeitweise Mitleid mit dem armen Jungen hat und ihm gerne einen Lösungsweg aufzeigen möchte, bleibt man im Tempo der Geschichte hängen und nimmt buchstäblich "ohne Punkt und Komma" - zeilenlange Sätze sind keine Seltenheit - an Georgs Suche nach Anerkennung und Selbstverwirklichung teil.

Katharina Ratzberger | biblio

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Tim Krohn: Aus dem Leben einer Matratze bester Machart

/ Tim Krohn. - Berlin : Galiani Berlin, 2014. - 118 S.
ISBN 978-3-86971-088-4      fest geb. : ca. € 17,50

Eine Matratze erzählt Geschichten aus sechs Jahrzehnten. Persönliches und Historisches wird leicht und doch tiefgründig geschildert. (DR)

Tim Krohn, Ex-Präsident des Schweizer Schriftstellerverbandes, wählt für seine acht Textminiaturen eine Matratze aus. Sie wird während der Geschichten zum Symbol von Überlebenswillen und erzählt gleichzeitig einen Teil der europäischen Geschichte. Ihre Anschaffung erfolgt 1935 in der Hochzeitsnacht des Paares Wassermann. Nach seiner Rückkehr von Schaffhausen nach Berlin wird das Ehepaar durch den Einmarsch der Nationalsozialisten unfreiwillig getrennt. Die dreiteilig klappbare Matratze dient anschließend drei Kindern in einem Luftschutzkeller als Spielzeug, als sie 1944 eine Bombennacht durchleben. Ihre Mutter kommt auf dem Weg von der Arbeitsstelle nach Hause im Bombenhagel um. Der unbeschwerte Klang der Sprache kippt unangekündigt in die Realität. Das irritiert zunächst, gibt den Texten jedoch eine Tiefenwirkung.
Tim Krohn schafft eine Verbindung zwischen den Nöten und Sehnsüchten der Menschen damals und heute. Die wichtigsten Daseinsmomente - Geburt, Liebe, Krankheit, Sterben - spielen sich auf dieser Matratze ab. Der Autor verknüpft Persönliches und Historisches miteinander. Unbedingt empfehlenswert!

Cornelia Stahl | biblio

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Yvonne Schwarzinger: Tomaten

: Vielfalt, die glücklich macht / Yvonne Schwarzinger. Fotogr. von Herbert Lehmann. - Innsbruck : Löwenzahn, 2014. - 126 S. : zahlr. Ill. (farb.) - (Natürlich koch ich!)
ISBN 978-3-7066-2544-9      fest geb. : ca. € 17,95

50 Tomatenrezepte in breiter Vielfalt. (VL)

Die Journalistin und Geschäftsführerin einiger ausgezeichneter Restaurants verrät in ihrem Kochbuch 50 leckere Rezepte mit der Tomate als Grundzutat. Gleich zu Beginn liest man von der unglaublichen Sortenvielfalt und erhält 9-mal kluge Tomaten-Tipps, die die Arbeit erleichtern. Mit Margit Mayr-Lamm und Erich Stekovics werden zwei Persönlichkeiten, die unweigerlich mit der Paradeiswelt verbunden sind, durch persönliche Steckbriefe vorgestellt. Der Hauptteil bietet Grundrezepte für einen cleveren Vorrat, Marmeladen, Saucen, Suppen, Salate, Vorspeisen und aromatisch herzhafte Hauptgerichte sowie für süße Desserts und süffige Drinks.
Die Tomate ist für sich alleine schon eine Köstlichkeit und spielt bei den Hauptgerichten in der ersten Liga. Davon kann man sich bei einer sommerlichen Tomaten-Pfirsich-Suppe, einem Cazpacho mit Senfeis, einem lauwarmen Zander auf Tomaten-Fenchel-Sugo, den geschmorten Tomaten mit orientalischer Fülle oder dem Tomaten-Melonen-Prosecco überzeugen. Ein einladendes Cover, sehr ansprechende Fotos, leicht verständliche Schritt-für-Schritt-Anleitungen und die vielen praktischen Tipps und Tricks verlocken zum sofortigen Ausprobieren. Für Bibliotheken sehr gut geeignet.

Maria Dorrer | biblio

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Christian Felber: Geld

: die neuen Spielregeln / Christian Felber. Mitarb.: Clemens Guptara. - Wien : Deuticke, 2014. - 302 S.
ISBN 978-3-552-06213-9      fest geb. : ca. € 19,50

Eine alternative Geldordnung für eine faire Wirtschaft. (GW)

Wer hat sich nicht schon gefragt, wie es in/nach der "Finanzkrise" weitergehen wird? Welche Möglichkeiten gibt es, um Stabilität und Wohlstand für alle zu sichern? Wie ist das mit neuen Steuern und Abgaben? Braucht es völlig neue Regelungen? Wird der Euro Bestand haben? Wer darf überhaupt Geld herstellen? Diesen und anderen Fragen geht der Autor fundiert nach. Er beleuchtet das Entstehen der Krise, ihre Ursachen, konstatiert, dass bisher hauptsächlich "Symptombehandlung" gemacht wurde, dass es mit "Entfesselung der Wirtschaft" allein nicht gehen wird usw. Felber kommt zu dem Schluss, dass grenzenloser Kapitalismus die Demokratie umbringt, und belegt vielfach, dass Freiheit nur dann gegeben ist, wenn sie an gewisse Grenzen gekoppelt ist und es dafür auch Regeln gibt.
In insgesamt sieben Kapiteln legt Felber schonungslos offen, wer zu den Gewinnern bzw. Verlierern zählt, wie eng Politik und Bankensektor verflochten sind und wessen Interesse im Mittelpunkt steht - jedenfalls nicht das Gemeinwohl. In der Frage, wer das derzeitige globale Geld- und Finanzsystem bändigen soll, hat Felber natürlich kein Patentrezept zur Verfügung, aber er zeigt äußerst bemerkenswerte und großteils schlüssige Wege auf, wo anzusetzen wäre. Am Ende des Buches liefert der Autor einen konkreten "Fragenkatalog für einen Geldkonvent", was als Ausgangspunkt für ein bewussteres persönliches Mitdenken dient. Ein umfangreiches Literaturverzeichnis rundet das Buch ab.
Das Buch ist nicht leicht zu lesen - trotz allgemein verständlicher Sprache ist die Komplexität des Themas dennoch zu groß, um wirklich "einfach" dargestellt zu werden. Dennoch lohnt die Auseinandersetzung mit dem Thema "Geld" und sie wird wohl bei vielen Menschen zu einem bewussteren Umgang damit und mit höherer Wachsamkeit einhergehen.

Heinrich Klingenberg | biblio

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Erwin Kräutler: Mein Leben für Amazonien

: an der Seite der bedrängten Völker / Erwin Kräutler in Zusammenarb. mit Josef Bruckmoser. - Innsbruck [u.a.] : Tyrolia, 2014. - 230 S. : Ill. (farb.), Kt.
ISBN 978-3-7022-3387-7      fest geb. : ca. € 22,95

Spannend, betroffen machend und ermutigend liest sich diese Lebensgeschichte mit den Erkenntnissen und Visionen eines großen Kirchenmannes. (PR)

In der Sprache des Herzens formuliert Bischof Kräutler das Evangelium Jesu als Liebeserklärung an die bedrängten Völker Amazoniens, aber auch als Auftrag für alle, denen die Entwicklung der katholischen Kirche wichtig ist. In Zusammenarbeit mit dem Theologen und Journalisten Josef Bruckmoser gelingt es "Dom Erwin", eine authentische, vom Christentum des Volkes Gottes beseelte Reflexion über sein bewegtes Leben zu schaffen. Dabei werden die herausfordernden Szenen seines Ringens mit den Armen, die Angriffe auf Leib und Leben, die Konfrontation mit den Plänen der Wirtschaftskonzerne und des Regimes genauso beschrieben wie sein unermüdlicher Einsatz für die verfassungsmäßige Gleichstellung der Indios und der Kampf gegen die Vernichtung des Regenwaldes.
Mit Disziplin, Kraft und Geduld hat dieser Gottesmann gelebtes Christentum in diesem riesigen Bistum Xingu institutionalisiert, in dem es kaum Priester gibt, in dem jedoch den Laien das Mittragen und Mitgestalten des kirchlichen, seelsorglichen Lebens in großem Maße zugemutet wird. So wird dieses Buch auch zu einem lesenswerten kirchenpolitischen Dokument, in dem der Bischof konstruktiv-kritisch auf innerkirchlichen Reformbedarf hinweist und dazu in der Praxis bewährte Anregungen aus seinen langjährigen Erfahrungen der christlichen Gemeinden in Lateinamerika gibt.

Birgit Leitner | biblio

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