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biblio : aktuelle buchtipps

Buchtipps / 2013 / August

erstellt von der STUBE und dem Österreichischen Bibliothekswerk

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Kerstin Gier: Silber. Das erste Buch der Träume

 : das erste Buch der Träume ; Roman ; dream a little dream / Kerstin Gier. - Frankfurt a. M. : Fischer FJB, 2013. - 410 S.
ISBN 978-3-8414-2105-0 / 3-8414-2105-9 fest geb. : ca. Eur 19,60

Nachdem Kerstin Gier mit ihrer fulminanten Edelstein-Trilogie zahlreiche junge LeserInnen auf Zeitreise schickte, entführt sie in ihrer neuen Jugendbuchreihe in die Welt der Träume. Und etabliert dafür eine schöne Metapher: In die persönlichen Traumwelten anderer Menschen gelangt man durch je ganz individuelle Türen mit ganz bestimmten Einlassbedingungen. Als die jugendliche Liv Silber einen Korridor voll solcher Türen entdeckt, ist das phantastische Abenteuer gewiss. Angesichts der zwischenmenschlichen Verstrickung, die sich durch Livs Umzug nach London ergeben, ist dieses aber fast schon Nebensache. Neben Livs herzlich-chaotischer Familie, die plötzlich um einige „Stiefs“ reicher wird, sind da auch noch die typischen Lieben und Intrigen (und Ballvorbereitungen) auf der neue Schule, die in einen Blog à la Gossip Girl [http://www.tittletattleblog.de/] einfließen.
Die gelungene Verstrickung von Motiven der Chic-Lit mit einem mysteriösen Plot der Fantasy zeigt sich vor allem, als klar wird, dass ausgerechnet die hübschesten Jungs der Schule etwas mit den geheimnisvollen Traumtüren zu tun haben und noch dazu einen Dämon beschwören, der Herzenswünsche erfüllen kann. Als Fan von Sherlock Holmes und noch dazu verliebt in einen der Jungen ist die eloquente Ich-Erzählerin Liv viel zu neugierig, um der Sache nicht auf den Grund zu gehen …
Mit diesem Reihenauftakt spinnt Kerstin Gier die Idee des luziden Träumens phantastisch weiter und bedient verschiedenste Unterhaltungsgenres (mit all ihren Klischees) äußerst charmant und witzig. Als neuer Schmöker-Stoff sehr zu empfehlen!

Christina Ulm | Stube 

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Hervé Jaouen: Pardon, Monsieur, ist dieser Hund blind?

/ Hervé Jaouen. Aus dem Franz. von Corinna Tramm. - Stuttgart : Urachhaus, 2013. - 189 S.
ISBN 978-3-8251-7786-7 / 3-8251-7786-6 fest geb. : ca. Eur 15,40

Die 13jährige Véro erzählt in diesem Roman vom ersten Jahr, in dem die alzheimerkranke Großmutter bei ihrer Familie lebt, weil sie nicht mehr allein gelassen werden kann. Merkmale der Krankheit, wie das geistige Aufhalten in unterschiedlichen Lebensphasen, das Suchen verlorener Gegenständen und das sprunghaftes Auftauchen unzusammenhängender Erinnerungen, werden eingebettet in eine abwechslungsreiche Erzählung des Alltags. Véro kümmert sich gemeinsam mit ihren Eltern und ihrem Bruder um die Großmutter und die Familie wird als positives Gegenbild zu dem Bruder der Mutter und dessen Frau skizziert, die sich aus der Verantwortung stehlen. Die Verwicklungen im Familienleben, für die die Krankheit sorgt, werden mit viel Feingefühl geschildert, wobei humorvolle Episoden immer wieder für Auflockerung sorgen; etwa welche Maßnahmen die Familie ergreift, um die Großmutter davon zu überzeugen, dass kein Krieg mehr herrscht.
Die Gliederung des Buches in die vier Jahreszeiten wird auf der Textebene durch sprachliche Bilder gespiegelt: „Bald würde der Winter da sein, doch Oma musste um jeden Preis im Herbst bleiben. Damit es nicht in ihrem Kopf zu frieren begann, damit ihr Gehirn sich nicht in einen Eisberg verwandelte.“
Neben den Schilderungen des Alltags liegt der Schwerpunkt der Ich-Erzählung auf der Rekonstruktion des Lebens der Großmutter durch die Enkelin über alte Fotos und Liebesbriefe. Véro und ihr Bruder stellen sogar einen biographischen Film zusammen, durch dessen Schilderung sich für das Lesepublikum vieles, was zuvor nur angedeutet wurde, erschließt. Jaouen erzählt eine Geschichte, die Einblicke in den Umgang mit Alzheimer aus Teenagersicht bietet, ohne oberflächlich zu wirken.

Sonja Loidl | Stube

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Antje Damm: Versteckt? Entdeckt!

 : ein Reim- und Ratebuch / von Antje Damm und Susanne Koppe. - Hildesheim : Gerstenberg, 2013. - [24] Bl. : überw. Ill. (farb.) ; 15 x 15 cm
ISBN 978-3-8369-5460-0      unzerr. Pappe : ca. € 10,30

Versteckt! Entdeckt? Oder ganz was Neues gefunden? (ab 3) (JD)

Antje Damm und Susanne Koppe betrachten Alltagsgegenstände, Essen und Pflanzen einmal anders. Antje Damm ist schon des Öfteren mit ihren quadratischen kleinen Büchern aufgefallen. Allein die Form suggeriert mittlerweile (seit den Büchern von Katy Couprie), dass es sich dabei um eine Schule des Sehens und um einen sehr kreativen Umgang mit Alltäglichem handelt. Hier wird eine echte Melone zu einem Hut, aus Linsen werden Sommersprossen, aus einem Pinsel ein Bart, aus einem Schlüssel eine Brille, Salatblätter fungieren als Ohren, aus einer Kartoffel wird eine ebensolche Nase, aus Gänseblümchen Augen und aus Lakritze Haare. Die Reihenfolge der Bilder ist anders als man vermuten möchte: Man sieht erst das komplette (fertige) Bild und nach dem Umblättern wird ersichtlich, woraus die speziellen Details (z.B. Haare) gemacht sind. Das ergibt pro Doppelseite zwei verschiedene Motive, die wiederum zu neuen Kreationen und Kombinationen anregen können. Außerdem hat diese Anordnung den Vorteil, dass die "Lösung" erst auf der nächsten Seite zu finden ist und man das Motiv ausgiebig betrachten muss, um das Besondere im Bild ausfindig zu machen.
Die Illustrationen sind sehr fröhlich, mit unterschiedlichen Techniken hergestellt und regen zum Weitererfinden an. Ebenso schulen sie das Auge und schärfen den Blick. "Versteckt! Entdeckt?" kann sehr vielseitig eingesetzt werden: zu Hause, im Kindergarten, aber sicherlich auch in der Schule. Große Empfehlung.

Martina Adelsberger | bn 

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Savina, Nataly: Love Alice

 : Roman / Nataly Savina. - Weinheim : Beltz und Gelberg, 2013. - 156 S. 
ISBN 978-3-407-81141-7      kart. : ca. € 13,40

Packendes All-Age-Drama. (ab 14) (JE)

Im Stil eines amerikanischen Thrillers zeichnet die für den Roman mit dem Peter-Härtling-Preis ausgezeichnete Autorin präzise das Leben der heranwachsenden Alice nach: die Beziehung zur kapriziösen Mutter, der gefragten Opernsängerin, die zwischen Nähe und Wegstoßen oszilliert; Alices Haltlosigkeit im Leben, bedingt durch die vielen Umzüge, Schul- und Freundeswechsel, die der allgemeinen jugendlichen Unsicherheit noch einen Schub geben. Aufmunterung, ehrliche Gefühle und ein wenig Kontinuität scheinen in Sicht, als Alice das geheimnisvolle Mädchen Cherry kennenlernt, das definitiv anders ist als alle anderen. Es entspinnt sich eine innige, sonderbare Beziehung zwischen den beiden, die vor allem eines bezweckt: die eigenen Grenzen, jene der Umwelt und die der Mitmenschen auszuloten. Wie in einen Wirbelsturm wird der Leser mit hineingezogen in die Geschichte, die keinerlei Längen aufweist - bald befürchtend, welches Unglück sich ereignen wird, ohne jedoch eine Ahnung zu haben, welches Mädchen das Opfer sein könnte. So bleibt die Atemlosigkeit bis zum Schluss bestehen und macht das Buch mit seinem starken Plot zu einer unbedingten Empfehlung für alle ab 14..

Verena Gangl | bn

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Isabella Feimer: Der afghanische Koch

: Roman / Isabella Feimer. Mit einer Nachbemerkung von Michael Stavaric. - Wien : Septime, 2013. - 214 S.
ISBN 978-3-902711-20-5      fest geb. : ca. € 18,90

Bestehen oder Untergehen? Eine vielschichtige, eindringlich erzählte Liebesgeschichte zwischen den Kulturen. (DR)

"Einmal Flüchtling, immer Fremder", so fühlt sich der aus Kabul stammende Rahman auch noch nach zwölf Jahren in Österreich. Muttersprache, Heimat und Kultur sind ihm, der Arzt und nicht Koch werden wollte, abhandengekommen, er ist und bleibt ein Teil des Durcheinanders auf der Welt. Wachgeküsst will er werden von seiner mit ihm am Existenzlimit lebenden Geliebten, einer arbeitslosen Autorin, die seine Geschichte zu Papier bringen will. Beide in den 1980er Jahren aufgewachsen, er in einem von Religions- und Militärkonflikten geprägten Afghanistan, sie wohlbehütet in einer gutbürgerlichen österreichischen Familie. "Seitdem ich dich kenne, fühle ich mich nicht mehr einsam", sagt er einmal, sie hingegen fürchtet, dass er sie verlässt, sobald sie seine Geschichte aufgeschrieben hat.
Große Unmittelbarkeit, ein meandernder Sprachrhythmus sowie raffiniert wechselnde Erzählperspektiven charakterisieren den im Präsens verfassten Debütroman der 2012 für den Ingeborg-Bachmann-Preis nominierten Österreicherin Isabella Feimer, dessen Protagonistin unschwer als ihr eigenes "alter ego" zu entziffern ist. Einfühlsam, mit wertschätzendem Respekt nimmt sie sich Rahmans schmerzlicher wie schöner Erinnerungen an. Realistisch und nie beschönigend beschreibt sie Vertreibung, Flucht, Tod und Folter, denen Rahman in Afghanistan und Moskau ausgesetzt war. Geschickt kommt die Figur ihres von russischer Kriegsgefangenschaft schwer gezeichneten Großvaters ins Spiel, seine Erinnerungen werden mit den dramatischen Erlebnissen des afghanischen Flüchtlings verwoben, Parallelen werden spürbar. Mit Bedacht kombiniert sie Innen- und Außensichten ihrer Protagonisten. Schuld und Unschuld, Opfer und Täter, Liebe und Hass, Wahrheit und Lüge, Fremdsein trotz Nähe sind die großen Themen dieses sprachlich wie inhaltlich beeindruckenden Erstlingswerks. Mut zur Lücke beweist die Autorin in dieser klug komponierten Geschichte, indem sie nicht alles auserzählt und Fragen offenlässt, so bleibt den interessierten LeserInnen jede Menge anregender Nachdenkstoff. Unbedingt einstellen!

Elisabeth Zehetmayer | biblio

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Derek B. Miller: Ein seltsamer Ort zum Sterben

: Roman / Derek B. Miller. Aus dem Engl. von Olaf Roth. - Dt. Erstausg. - Reinbek bei Hamburg : Rowohlt Polaris, 2013. - 397 S.
ISBN 978-3-499-23086-8      kart. : ca. € 15,50

Spannender, aber auch humorvoller Roman rund um eine abenteuerliche Flucht. (DR)

Nach dem Tod seiner Frau zieht der 82-jährige jüdische US-Bürger Sheldon Horowitz zu seiner Enkelin und ihrem norwegischen Mann nach Oslo. Er wohnt erst ein paar Wochen bei ihnen, als er Ohrenzeuge einer heftigen Auseinandersetzung zwischen einer Nachbarin und ihrem Mann wird. Beim zaghaften Blick durch die Tür sieht er, dass die Frau und ihr Kind bedroht werden und bietet ihnen Unterschlupf. Doch die Männer treten die Tür ein und bringen die junge Frau um, während Horowitz sich schnell noch mit dem Kind in einem Schrank verstecken kann. Horowitz, der kein Wort Norwegisch spricht, macht sich mit dem ihm unbekannten Jungen, den er in Ermangelung einer anderen Information einfach Paul nennt, auf eine abenteuerliche Flucht vor den Tätern. Hierbei kommt ihm seine im Koreakrieg erprobte militärische Spezialausbildung zugute. Während er versucht, den vor Angst verstummten Jungen in Sicherheit zu bringen, hat Horowitz immer wieder Assoziationen an längst vergangene Szenen während des Koreakrieges. Ein zentrales Thema in seinen Reflexionen ist der frühe Tod seines Sohnes im Vietnamkrieg. Es ist nicht nur der verlorene Sohn, um den er hier trauert, sondern es ist auch die hartnäckige Schuldfrage, die an ihm zehrt. Er war es, der seinen Sohn ermutigt hatte, für das Vaterland zu kämpfen, der ihn sogar ein zweites Mal hinziehen ließ.
Es gibt viele traurige Momente und auch brutale Szenen in diesem Buch, trotzdem entbehrt es nicht einer gewissen Komik. Der alte Herr, der von seiner Enkelin schon für ein wenig dement gehalten wird, trickst seine Umgebung genau durch diese scheinbare Schusseligkeit aus. Die LeserInnen sind einerseits im Bann der rasanten Handlung, andererseits werden sie zum Nachdenken über unterschiedlichste Themen wie Migration, Krieg etc. angeregt. Dieses Buch muss man einfach lesen.

Uschi Pirker | biblio

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Carolina De Robertis: Perla

: Roman / Carolina De Robertis. Aus dem Amerikan. von Cornelia Holfelder-von der Tann. - Dt. Erstausg. - Frankfurt/M. : FISCHER Krüger, 2013. - 332 S.
ISBN 978-3-8105-0853-9      fest geb. : ca. € 19,60

Ein ergreifender Roman über die heutigen Folgen der argentinischen Militärdiktatur aus der Sicht eines jungen Mädchens. (DR)

Als einziges Kind gutsituierter Eltern wächst Perla wohlbehütet in Argentinien auf: Ihre Mutter ist schön und vornehm, aber unnahbar und hat ein eher kühles Verhältnis zu ihr, ihr strenger Vater ist ein Marineoffizier mit festen Regeln, über dessen Beruf man nicht spricht, der aber Perla über alles liebt. Lange Zeit kümmert sie sich wenig um die politischen Ereignisse in ihrem Heimatland - bis eines Tages ein ungebetener Besucher in ihr Haus kommt und sich ein dunkler Schatten über die Vergangenheit ihrer Eltern legt. Perla wird von einer schrecklichen Gewissheit eingeholt, die ihr Leben auf den Kopf stellt und in ihrem Inneren einen schweren Konflikt hervorruft, infolgedessen sie sich mit ihrem bisherigen Leben auseinandersetzt. Nun beginnt für sie eine Reise, auf der sie sich ihrer eigenen Geschichte stellen muss, die sie mit vielen Menschen ihres Landes teilt.
Der Roman der in Kalifornien lebenden Autorin Carolina De Robertis setzt sich mit einem schrecklichen Kapitel der argentinischen Geschichte auseinander. Doch neben dem Aufzeigen der Grausamkeiten der Militärdiktatur steht die Entwicklung der Protagonistin im Mittelpunkt. In dieser Hinsicht ist das Buch tief philosophisch, da hier immer wieder grundlegende Fragen gestellt werden wie: Bin ich für die Schuld meiner Vorfahren verantwortlich? Wer bin ich? Was macht mich zu dem, der ich bin? Alles in allem ein sehr gutes Buch, das in einer Sprache geschrieben ist, die den Leser in seinen Bann zieht und noch lange beschäftigen wird.

Dagmar Weingartner | biblio

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Christine Pitzke: Im Hotel der kleinen Bilder

: Roman / Christine Pitzke. - Salzburg ; Wien : Jung und Jung, 2013. - 158 S.
ISBN 978-3-99027-035-6      fest geb. : ca. € 17,90

Beschauliche und stimmungsintensive Urlaubslektüre für laue Sommerabende. (DR)

In Christine Pitzkes aktuellem Roman "Im Hotel der kleinen Bilder" passiert eigentlich nicht viel. Hauptaugenmerk liegt auf der atmosphärisch dichten Schilderung des gemächlichen Treibens in einem Hotel in der südfranzösischen Kleinstadt La Ciotat. Im Mittelpunkt des Geschehens steht der sympathisch-melancholische Hotelmanager Reymont, der in einer Nacht- und Nebelaktion seine Frau samt Kind verlassen hat und nun in dem kleinen Hotel seine scheinbare Zufriedenheit findet. Neben den immer wieder kommenden und abreisenden Tagesgästen gibt es noch die etwas mysteriöse Deutsche, Madame Hoegner, die sich gerüchteweise von einem Giftanschlag erholen möchte. Die lebenstüchtige und quirlige Sylvie und die kleine Olivia, die ihre Eltern bei einem tragischen Autounfall verloren hat, machen das Ensemble der Hauptcharaktere komplett.
Eine Vielzahl von Lebensgeschichten und Schicksalen werden von Pitzke in diesem stillen und feinen Sommerlesebuch angedeutet, quasi angerissen und regen die LeserInnen zum eigenen Weiterdichten an. Die Autorin selbst widmet sich lieber den Beschreibungen von Stimmungen, Gefühlsebenen und Sinneseindrücken. Sprachlich versiert lädt der Roman zu einer stimmungsvollen Reise nach Südfrankreich ein, in ein Kleinstadtleben am Meer, abseits der Hektik des beruflichen Lebensalltags. Ideale Sommerlektüre auf hohem Niveau.

Barbara Tumfart | biblio

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Ich fiel in eine Welt

 : Gespräche über die Kunst und das Leben / Rita Newman. Thomas Trenkler. - Wien : Brandstätter, 2013. - 158 S. : Ill. (farb.) ; 26,5 cm
ISBN 978-3-85033-607-9      fest geb. : ca. € 29,90

Österreichische Kulturschaffende geben Einblick in ihren Werdegang und ihren künstlerischen Antrieb. (BA)

Der Kulturjournalist Thomas Trenkler lässt 27 Künstler und Kulturschaffende über ihren Lebensweg erzählen. Es sind Gespräche über Karrieren und Krisen, über Motivationen und Sehnsüchte. Und da ist vor allem die zentrale Frage, warum sie alle den Weg als Schriftsteller, Schauspieler oder Künstler gewählt haben. Michael Heltau, Gerhard Haderer, Valie Export, Felix Mitterer und Arnulf Rainer eröffnen ebenso interessante Einblicke in ihren künstlerischen Werdegang wie Andrea Eckert, Gustav Peichl oder Julian Schutting. Peter Turrini etwa gibt zu, dass er schon als Kind die Bauernmädchen seiner Nachbarschaft mit Gedichten verfolgt hat, Johanna Rachinger begründet die Entscheidung, 600.000 Bücher durch Google digitalisieren zu lassen, mit dem Ziel, die Österreichische Nationalbibliothek auf einer breiten Basis öffentlich zugänglich zu machen, während Otto Brusatti das Bild von Joseph Haydn zurechtrückt. Für ihn, der sich jahrelang mit Leben und Werk des Komponisten beschäftigt hat, war Haydn nämlich weniger der gutmütige "Papa Haydn" als vielmehr ein eitler Weltstar, der viel Geld für seine zahlreichen Geliebten brauchte.
Die ganz- und doppelseitigen Fotos stammen von Rita Newman. Sie bilden gewissermaßen ein optisches Entree im vordersten Teil des Buches. Somit kann sich der Leser vom Interviewten schon "ein Bild machen", bevor er den Text liest. Dieses Buch ist ein Beispiel für Kulturjournalismus auf einem sehr hohen Niveau. Es ist allen Bibliotheken zu empfehlen!

Johannes Preßl | biblio

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Christiane Scholler: Propst Maximilian Fürnsinn

: leben, einfach leben ; eine Spurensuche / Christiane Scholler. - Wien [u.a.] : Styria Premium, 2012. - 245 S. : Ill. (z.T. farb.)
ISBN 978-3-222-13362-6      fest geb. : ca. € 24,99

Propst Maximilian Fürnsinn - das Lebensbild eines Unermüdlichen. (PR)

Christiane Scholler, Sachbuchautorin mit dem Schwerpunkt "Prominente anders betrachtet", widmet sich nach ihrer 2011 erschienenen Biografie über den niederösterreichischen Landeshauptmann Erwin Pröll nun mit Propst Maximilian Fürnsinn einem weiteren Schwergewicht der niederösterreichischen Gesellschaft. Fürnsinn, Jahrgang 1940, erzählt ausführlich über seine vom frühen Tod der Mutter geprägte Kindheit im väterlichen Fleischhauerbetrieb in Herzogenburg in unmittelbarer Nähe zu dem Augustiner-Chorherren-Stift, in das er später eintreten sollte. Er berichtet über die Fleischhauerlehre in Spitz an der Donau, erste Berufserfahrungen als Juniorchef des heimatlichen Betriebs und den - trotz der tiefen Freundschaft zu einem Mädchen und des beharrlichen Widerstandes seines Vaters - unabweisbaren Wunsch, Priester zu werden. Es folgen das Aufbaugymnasium in Horn, die nicht zuletzt durch den damaligen St. Lambrechter Abt Maximilian Aichern (dem er seinen Ordensnamen Maximilian verdankt) geförderte Entscheidung, in das Stift Herzogenburg einzutreten, das Theologiestudium in Klosterneuburg und Wien, der Einsatz als Kaplan in der Stiftspfarre Herzogenburg und schließlich - mit 38 Jahren - die Wahl zum Propst des Stiftes Herzogenburg, ein Amt, das er seit nunmehr 34 Jahren mit Leben erfüllt.
Könnte die Biografie Gefahr laufen, zu "kirchlicher Hofberichterstattung" zu werden, so wird diese durch die erfrischend einfache, direkte und offene Erzählweise Fürnsinns, der auch die Konflikte seines Lebens mit Namen benennt, gebannt. Es bleibt das Porträt eines Kirchenmannes, der weit über kirchliche Grenzen hinaus in seinem Land wirkt, geistige Aufbrüche in Niederösterreich angestoßen und begleitet hat und nicht zuletzt bei Glaubensfragen und kircheninternen Streitigkeiten das klare Wort nicht scheut. Was bleibt, ist ein - bei allen Ehrungen und allem Ehrgeiz - einfacher, bescheidener Mensch, ein betender Priester, der sich auf die Herausforderung des Alters vorbereitet, und ein Augustiner Chorherr, der die Theologie des Ordensvaters verinnerlicht hat und gerne mitteilt. Empfehlenswert.

Monika Roth | biblio

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