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biblio : aktuelle buchtipps

Buchtipps / 2011 / April

erstellt von der STUBE und dem Österreichischen Bibliothekswerk

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Dingle, Adrian: Wie man aus 92 Elementen ein ganzes Universum macht

/ Adrian Dingle. [Ill. von Clive Goodard. Aus dem Engl. von André Mumot]. - Berlin : Bloomsbury Kinderbücher und Jugendbücher, 2011. - 93 S. : Ill. (farb.) ; 29 cm
ISBN 978-3-8270-5463-0      fest geb. : ca. € 17,40

Das Periodensystem der chemischen Elemente – man könnte sich auf den ersten Blick wohl spannendere Inhalte für ein wissenschaftliches Sachbilderbuch vorstellen… Aber da hätte man etwas zu vorschnell geurteilt. Im Jahr 2007 veröffentlichte Adrian Dingle unter dem Titel „The Periodic Table: Elements with Style!“ bereits ein grafiklastiges Buch über Wasserstoff, Helium & Co(balt). In deutschsprachiger Übersetzung erscheint in diesem Frühjahr nun ein Werk, das die trockene Materie von verschiedenen Kernladungszahlen, Aggregatszuständen und weiterem elementaren Wissen auf ansprechende, lebensweltbezogene und vor allem verständliche Art und Weise vermittelt.
Nach Klärung der grundlegenden Frage, was eigentlich die chemischen Elemente ausmacht und wodurch ihre Anordnung im Periodensystem reguliert ist, wird in vier thematisch gegliederten Großkapiteln das Vorkommen und die Relevanz der Elemente in Natur, Alltag, Materialien und Technik erläutert. Die zahlreichen Unterthemen werden jeweils auf einer Doppelseite abgehandelt, dabei verweisen Info-Kästen auf weiterführendes Detailwissen oder Versuchsanordnungen Marke Eigenbau. Dabei besticht das Buch durch das betont farbkräftige Layout, indem gezeichnete Elemente im Comic-Stil mit Fotoausschnitten kombiniert werden. Und ganz nebenbei lernt man etwas über die pseudoplastischen Eigenschaften von Ketchup – wenn das nichts wert ist.

Lukas Bärwald | STUBE 

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Edwards Augen [Tonträger]

: Lesung ; ab 9 Jahren / Patricia MacLachlan. Gelesen von Claus Dieter Clausnitzer. Regie: Rudi Mika. Aus dem Engl. von Birgitt Kollmann. - Dortmund : Igel-Records, 2011. - 2 CDs (123 Min.) + Booklet. - (Igel-Records)
ISBN 978-3-89353-351-0    ca. € 16,10

Die amerikanische Autorin Patricia MacLachlan hat sich seit ihrem literarischen Debüt in den 1980er Jahren als Meisterin darin erwiesen, das Eigentliche unaufdringlich zwischen den Zeilen zu erzählen. Sprecher Claus Dieter Clausnitzer setzt dieses Konzept in seiner Lesung ebenfalls um, indem er es der Geschwindigkeit und dem Fluss seiner Erzählung zugesteht, Figuren hörbar durchschnaufen und spürbare Gedankenpausen vor ihren Reaktionen setzen zu lassen. Das Ergebnis ist ein außergewöhnlicher Grad an Natürlichkeit und emotionaler Tiefe, die aus seinen verschieden angelegten Stimmen spricht. Es ist jene emotionale Tiefe, mit der MacLachlan Jake von seiner innigen Beziehung zu seinem kleinen Bruder Edward erzählen lässt, der bei einem tragischen Unfall ums Leben kam. Ausstrahlung und Charakter des Jungen nahmen Familie und Freunde ausnahmslos für ihn ein und so hinterlässt sein Tod eine fast nicht zu verkraftende Lücke. Die einzelnen Kapitel werden von der Zwischenmusik Rudi Mikas verbunden, der hauptsächlich wechselweise durch Banjo und Akkordeon die heiteren und getragenen Stimmungen der vorangegangenen Erzählpassagen aufnimmt und musikalisch unterstützt.

Lukas Bärwald | STUBE

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Arno Geiger: Der alte König in seinem Exil

/ Arno Geiger. - München : Hanser, 2011. - 188 S.
ISBN 978-3-446-23634-9      fest geb. : ca. € 18,40

Literarisches Kunstwerk über die zeitlose Würde des Menschen im Angesicht einer unheilbaren Krankheit. (BO)

Sechs Jahre hat sich Arno Geiger nach eigenen Angaben Zeit genommen, um sein neuestes Buch, das die Demenzerkrankung seines mittlerweile 84-jährigen Vaters zum Thema hat, zu schreiben. Das Resultat ist einmal mehr ein literarisches Kleinod des Vorarlberger Schriftstellers und Deutschen Buchpreisträgers ("Es geht uns gut", 2005), eine einzigartige und berührende Mischung aus Biografie, persönlichen Lebenserinnerungen und Familiengeschichte, die neue Maßstäbe setzen wird.
August Geiger, eines von zehn Kindern einer Kleinbauernfamilie in Wolfurt, muss mit 18 Jahren an die Ostfront und kommt mit 19 Jahren schwer traumatisiert aus der Kriegsgefangenschaft zurück. Fortan beschließt er, die kleine Vorarlberger Heimatgemeinde nie mehr zu verlassen.
In Rückblicken erzählt sein Sohn Arno bruchstückartig von den wichtigsten Lebensstationen des bescheidenen Gemeindebeamten August, von der schwierigen Ehe der Eltern und nähert sich durch diese intensive Beschäftigung mit der Lebensgeschichte des oft missverstandenen Vaters der eigenen Kindheit und Jugend schrittweise an. Der Beginn der Alzheimer-Erkrankung in den 1990er Jahren wird von den Kindern erst spät erkannt, die Familie reagiert in der ersten Zeit völlig hilflos und teilweise aggressiv gegenüber dem väterlichen Elternteil, der auf einmal seinen dritten Socken sucht, dem Sprecher im Fernsehen Kekse anbietet oder immerzu meint, er möchte endlich nachhause, obwohl er in seinem eigenen Bett liegt. In Geigers typisch schnörkelloser Sprache werden die langen Jahre der gemeinsamen Pflege durch Familienmitglieder und einem Heer an slowakischen Pflegerinnen geschildert, die letztendlich in der Übersiedlung des Vaters in das örtliche Pflegeheim münden.
Ohne sentimentale Rührseligkeit entstand ein aufrüttelndes und berührendes Buch über eine schwierige Vater-Sohn-Beziehung, die erst durch die Krankheit des Vaters an Intensität und Bedeutung gewonnen hat. Ein überraschend positives Buch über ein durchaus lebenswertes Leben im Angesicht einer schrecklichen unheilbaren Erkrankung, das nichts an seiner Würde und Schönheit eingebüßt hat. Absolut lesenswerte und bereichernde zeitgenössische österreichische Literatur.

Barbara Tumfart | biblio

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Chris Cleave: Little Bee

: Roman / Chris Cleave. Dt. von Susanne Goga-Klinkenberg. - Dt. Erstausg. - München : Dt. Taschenbuch-Verl., 2011. - 316 S. - (dtv premium)
ISBN 978-3-423-24819-8      kart. : ca. € 15,40

Unter die Haut gehende Geschichte eines 16-jährigen nigerianischen Mädchens, das nach furchtbaren Erlebnissen in der Heimat Zuflucht in England sucht. (DR)

Nach zwei Jahren Eingesperrtsein wird die junge Little Bee aus einem Abschiebelager für Asylwerber entlassen. Mit Witz und viel Kampfgeist hat das Mädchen, das in Nigeria Entsetzliches erlebt hat, sowohl die Reise nach Europa, als auch die letzten beiden Jahre überlebt. Ihr einziger Anhaltspunkt in der Fremde ist ein Führerschein mit einer Adresse. Der Ausweis gehört Andrew, einem Journalisten, den Little Bee nach ihrer Entlassung kontaktiert. Der Anruf hat weitreichende Folgen - Andrew bringt sich um. Am Tag seiner Beerdigung nimmt Sarah, Andrews Witwe, das Mädchen in ihr Haus auf. In der Folge wird die Beziehung der drei Personen vor dem Hintergrund katastrophaler politischer Zustände in Nigeria aufgerollt. Ein Strandurlaub der beiden Engländer endete vor Jahren in einem Drama, das die Beteiligten seither verfolgt. Sarah, eine erfolgreiche Journalistin eines Frauenmagazins, und ihr kleiner Sohn geraten durch Little Bees plötzliches Auftauchen in einen Sog von Ereignissen.
Little Bee ist eine herrliche Romanheldin, die man umarmen möchte, deren Schicksal die LeserInnen gleichermaßen zum Lachen und Weinen bringt. Ein absolut herausragender Roman mit realem Hintergrund, der die Asylthematik schonungslos in all ihrer Härte aufgreift. Neben aller Brutalität besticht Chris Cleaves Roman durch Humor und eine besondere Zärtlichkeit im Umgang mit seiner Heldin.

Barbara Rieder | biblio

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Wolfgang Herrndorf: Tschick

: Roman / Wolfgang Herrndorf. - 7. Aufl. - Berlin : Rowohlt Berlin, 2011. - 253 S.
ISBN 978-3-87134-710-8      fest geb. : ca. € 17,50

Zwei sympathische Außenseiter, ein gelungenes Roadmovie und der beste aller Sommer. Für Jugendliche ab 15. (DR)

Eine Reise quer durch Ostdeutschland, hinaus aus der Trostlosigkeit, der emotionalen Kälte und hinein ins Leben - davon erzählt Wolfgang Herrndorf hier kongenial. Schnell ist man mitten in dieser abenteuerlichen Geschichte zweier Anti-Helden, die sich gut und äußerst schnell liest: In lockerem Plauderton lässt der Autor seinen 14-jährigen Ich-Erzähler Maik Klingenberg aus seinem tristen Alltag erzählen. Es ist ein trostloses, deprimierendes Leben, das der Sohn eines eben bankrott gegangenen Geschäftsmanns und einer Alkoholikerin fristet. Die Ferien haben gerade begonnen, die Mutter bricht in die Entzugsklinik auf, der Vater fährt mit seiner attraktiven Assistentin auf "Geschäftsreise". Dass ihn Tatjana, das tollste Mädchen der Klasse, in das er heimlich verliebt ist, nicht zu der sehnsüchtig erwarteten Geburtstagsfeier einlädt, macht das Ganze nicht besser. Um (sich) zu beweisen, dass er kein Feigling und Langweiler ist, geht Maik auf den wahnwitzigen Vorschlag seines neuen Mitschülers Tschick ein: Eine Reise quer durch Deutschland in einem geknackten, ähm pardon, geliehenen alten Lada - Urlaub halt, wie ihn "normale Leute machen". Und so machen sich der vereinsamte Sohn aus reichem Elternhaus und der intelligente "russische Assi" auf zu einer nicht ganz normalen Autofahrt - da kommt es zu kuriosen Bekanntschaften, irrwitzigen Verfolgungsjagden und tragischen Vorfällen...
Wolfgang Herrndorf glänzt mit verrückten Einfällen, herrlich skurrilen Situationen und genialen Dialogen, die melancholische Grundstimmung wird immer wieder von ungemein komischen Passagen durchbrochen. Dennoch mangelt es diesem fesselnden Roadmovie nicht an Tiefgang: Was so leicht und locker-flapsig daherkommt, birgt viel Sozialkritik. "Tschick" hat das Zeug zum Kultbuch und wird vor allem Jugendliche ab 15 ansprechen. Allen Büchereien sehr zu empfehlen.

Cornelia Gstöttinger | biblio

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Judith Brandner: Reportage Japan

: Kratzer im glänzenden Lack / Judith Brandner. - Wien : Picus-Verl., 2011. - 131 S.
ISBN 978-3-85452-997-2      fest geb. : ca. € 14,90

Die Reportagen aus dem modernen Japan erschließen neue, äußerst interessante Einblicke in das Leben in diesem fernen Land. (EL)

Japan - damit verbindet man Kirschblüten, Fujisan, Hochgeschwindigkeitszüge, Skisport, riesige Städte und Mangas. Man hat so seine Vorstellungen, was das Land bietet. Dass Japan nicht nur ein strenges Schulsystem, sondern auch Obdachlose vorzuweisen hat, ist wenig vertraut. Die Autorin lebt immer wieder für einige Monate in Japan und hat ausgehend von ihren ersten Erfahrungen bei einer japanischen Gastfamilie das Land und sein Gesellschaftssystem gut kennen gelernt. Sie erlebte private Kochkurse zum Aufbessern einer kleinen Witwenrente, sie besuchte den Fischmarkt von Kyoto, traf Gewerkschafter, sprach mit Obdachlosen, die oft in Internetcafés leben, und auch mit dem Autor Haruki Murakami.
Ein fundiertes Bild wird hier von der japanischen Gesellschaft  vermittelt. Es ist interessant und auch etwas erschreckend, denn abseits der Elektronik-Turbogesellschaft gibt es protestierende Studenten, Arbeitslose ohne Geld und Lebenswelten, die für Europäer ziemlich fremd sind. Dieses Buch muss unbedingt in die Reiseliteraturabteilung jeder Bibliothek, denn es hilft, dieses für uns so fremde Land zu ergründen und zu verstehen. Österreich ist ja auch kein Land skifahrender Sängerknaben, die auf Lipizzanern reiten!

Angela Zemanek-Hackl | biblio

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Robert Misik: Anleitung zur Weltverbesserung

 : das machen wir doch mit links / Robert Misik. - Berlin : Aufbau, 2010. - 217 S.
ISBN 978-3-351-02725-4      kart. : ca. € 18,50

Plädoyer für eine sozialere und lebenswerte Gesellschaft. (GP)

Der Begriff "Grundwerte" ist für Konservative positiv besetzt, klassische Linke verbinden damit eher moralinsaures. Misik hält sich weder an rechte noch an linke Konventionen, sondern sucht unvoreingenommen nach Lösungen für einen gerechteren, sozialeren Staat, in dem es Chancen und Fairness für alle gibt. Das Diktat des Marktes und der Effizienz hat uns fast schon dazu gebracht, wirklich zu glauben, dass nur der funktionierende, erfolgreiche Mensch Recht auf ein annehmliches Leben hat. Misik zerpflückt auf amüsante Weise die Argumente der Neoliberalen und erläutert mit großem Sachverstand, wie die immer weiter aufgehende Schere zwischen Arm und Reich den Staat destabilisiert und auch für die Wohlhabenden nicht erstrebenswert ist - gute Sozialpolitik ist auch gute Wirtschaftspolitik. Die Bürger sollten es den Machteliten nicht zu leicht machen, den Staat auszuplündern und die Umwelt zu zerstören, daher plädiert Misik dafür, die Demokratie in eine "Mitmach"-Demokratie umzubauen.
Der Autor hat die Gabe, wirtschaftliche Zusammenhänge verständlich und undogmatisch zu erläutern. Man staunt bei der Lektüre immer wieder, warum so viele der beschriebenen Modelle nicht schon längst weltweit in die Praxis umgesetzt wurden, und kommt etwas beschämt zu dem Schluss, dass es wohl auch am unzureichenden eigenen Engagement liegt. Die "Anleitung zur Weltverbesserung" ist eine faszinierende Einführung in die Ökonomie sowohl für junge als auch ältere Erwachsene und daher allen Bibliotheken wärmstens empfohlen.

Ingrid Kainzner | biblio

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Alois Schwarz: Mit Kinderaugen Gott schauen

: biblische Meditationen für Erwachsene und Kinder / Alois Schwarz. Mit Beiträgen von Gerda Fröhlich und Andrea Enzinger. - Wien [u.a.] : Styria Premium, 2011. - 155 S. : Ill. (farb.)
ISBN 978-3-222-13326-8      fest geb. : ca. € 24,95

Eine Einladung zur kreativen Auseinandersetzung mit den ermutigenden Worten des Diözesanbischofs zu ausgewählten Bibelstellen im Kontext der Zeichnungen und Aussagen von Kindern zum Fastentuch der Stiftskirche Ossiach. (PR)

Kinder gestalten in Wort und Bild die ansprechende Kulisse für das neue Buch von Bischof Dr. Alois Schwarz. Im rhythmischen Wechsel von dunklem und hellem Hochglanzpapier werden in unterschiedlichen Ausführungen 36 Perikopen des Alten und Neuen Testamentes aus verschiedenen Perspektiven von mehreren Personen betrachtet, methodisch bearbeitet und in gekonnter Weise aufeinander abgestimmt positioniert.
Mit diesem Bildband gewinnt das Fastentuch der Stiftskirche Ossiach aus dem Jahre 2000 an Lebendigkeit und Aktualität. Den damaligen künstlerisch wirkenden Kindern der Malateliers 1998/1999 des Festspiels Carinthischer Sommer stehen Schülerinnen und Schüler im Religionsunterricht des Schuljahres 2009/10 wahrnehmend und interpretierend gegenüber, darin begleitet von Intendantin Gerda Fröhlich, Künstler Matthias Kralj und Religionslehrerin Andrea Enzinger.
Die biblischen Geschichten sind es, die in ihrer differenzierten Darlegung zum Nachdenken anregen und dazu, sich selbst in Beziehung zum Geschehen zu setzen, letztlich zur Öffnung für den Dialog mit Gott. Feinfühlend verknüpft dabei Bischof Schwarz die naive Bildgestaltung mit der kindlich reflektierenden Sprache als Rückkoppelung zum Schriftwort und erhebt dieses, das Ganze im Blick bewahrend, mit seinen achtsamen Deutungen und querdenkenden Assoziationen in den Mittelpunkt der Bibelkatechese.

Birgit Leitner | biblio

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