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biblio : aktuelle buchtipps

Buchtipps / 2011 / März

erstellt von der STUBE und dem Österreichischen Bibliothekswerk

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Mira Lobe / Susi Weigel: Das kleine Ich-bin-ich

 : [in 4 Sprachen] / erzählt von Mira Lobe. Gemalt von Susi Weigel. Ins Kroat. übers. von Mate A. Ivandic .... - Wien : Jungbrunnen, 2011. - [32] Faltbl. : zahlr. Ill. (farb.) - Text dt., kroat., serb. und türk.
ISBN 978-3-7026-5830-4      fest geb. : ca. € 16,90

Knapp 40 Jahre nach seiner Erstveröffentlichung im Jahr 1972 erscheint einer der Bilderbuch-Klassiker der österreichischen Literatur in einer besonderen Ausgabe und beweist damit trotz seines vergleichsweise hohen Alters auch gegenwärtig Relevanz für aktuelle Entwicklungen unserer Gesellschaft. Neben dem unveränderten deutschsprachigen Text von Mira Lobe wurden Übersetzungen in Kroatisch, Serbisch und Türkisch hinzugefügt. Wo bislang bereits die Themen von Gleichberechtigung und Gleichwertigkeit auf der Inhalts- und Gestaltungsebene umgesetzt wurden, finden sich diese Werte nun auch in der sprachlichen Konzeption wieder. Denn keine der vier vertretenen Sprachen wird von Satz und Seitenlayout als dominant in den Vordergrund gerückt; durch zusätzliche ausklappbare Seitenteile wird der Textraum erweitert und somit auf vergleichsweise elegante Art Platz für den vervierfachten Text geschaffen. Die besondere Sorgfalt, mit der diese Ausgabe konzipiert wurde, lässt sich unter anderem daran erkennen, dass trotz des veränderten Seitenaufbaus der deutschsprachige Text stets an gewohnter Stelle auf den jeweiligen Doppelseiten platziert wurde. „JA SAM JA!“, „JA CAM JA!“, „BEN BENİM!“ – das kleine Ich bin Ich transportiert seine Botschaft von Integration und dem positiven Wert der Vielfalt des Lebens auch vier Jahrzehnte nach seinem Debüt ungebrochen in die Kinderzimmer.

Lukas Bärwald | STUBE 

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Kate Klise: Friedhofstraße 43: Band 1 Gespenster gibt es doch!

/ Kate Klise. Ill. von M. Sarah Klise. Aus dem Amerikan. von Nina Schindler. - Hildesheim : Gerstenberg, 2011.
ISBN 978-3-8369-5321-4     fest geb. : ca. € 13,40

Jeder braucht jemanden, der an ihn glaubt: Der berühmte, aber seit Jahrzehnten untätige Kinderbuchautor Griesgram braucht jemanden, der an seine verloren geglaubten Schreibfähigkeiten glaubt; die vor 97 Jahren verstorbene Olivia C. Spence braucht jemanden, der an ihre spukende Existenz glaubt und der 11-jährige Severin Hoffnung steht ebenfalls allein da mit seinen Erzählungen von einer verstorbenen Frau, die nach der Abreise seiner Eltern zu seiner einzigen Freundin geworden ist. Die halbverfallene Villa in der Friedhofstraße 43 führt alle drei zusammen und nach kurzweiligen und für die LeserInnen sehr unterhaltsamen Reibereien schließt sich am Ende das Bedürfnis-Dreieck und jeder profitiert vom Glauben der Anderen.
Doch das eigentlich Besondere an diesem Kinderroman ist seine Erzählform: In Briefen der insgesamt acht handelnden Figuren sowie vereinzelt eingestreuten Werbeprospekten, Zeitungsausschnitten und Zeichnungen von Severin wird die Handlung fortgeführt. Individuell verschiedenes Briefpapier, Schriftarten und Signaturen verleihen den Briefen der einzelnen Personen leicht wiedererkennbare Charakteristika und unterstreichen ihre Persönlichkeiten. Ein Querschnitt und Grundrissplan der Villa ergänzen das gestalterisch rundum ansprechende Konzept der Reihe, die im englischsprachigen Original bereits drei erfolgreiche Bände zählt.

Lukas Bärwald | STUBE

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Alex Capus: Léon und Louise

: Roman / Alex Capus. - München : Hanser, 2011. - 314 S.
ISBN 978-3-446-23630-1      fest geb. : ca. € 20,50

Hinreißender Roman über die Gabe zweier Menschen, das Leben mit seinen Möglichkeiten als Geschenk zu begreifen und glückliche Momente bewusst zu genießen. (DR)

68 gemeinsam gelebte Jahre hätten es werden können … wäre da nicht im Ersten Weltkrieg der Fliegerangriff an der französischen Atlantikküste, der die noch junge Liebesgeschichte zwischen Léon und Louise beendet - vorerst. Die beiden halten einander für tot, aber Jahre später passiert das Unglaubliche: Ein kurzer Augenblick in der Pariser Métro und ein Happyend zum Greifen nahe … wäre nicht Léon inzwischen ein verantwortungsvoller Familienvater. Die folgenden Jahre sind von Vernunft und Verzicht geprägt, bis die Bankangestellte Louise im Zweiten Weltkrieg von ihrem Arbeitgeber mit tonnenweise Gold nach Afrika geschickt wird und von dort aus wieder brieflichen Kontakt zu Léon aufnimmt. Nach Louises Rückkehr von diesem Zwangsaufenthalt beginnt ein neuer Abschnitt: Sie haben zwei Weltkriege überlebt und sich lange genug den gesellschaftlichen Zwängen unterworfen - jetzt ist die Reihe an ihnen, auch wenn sie ihre Gemeinsamkeit immer noch außerhalb der Konventionen leben. Immerhin, sie leben sie tatsächlich. Bis Léons Tod sie scheidet. Und damit beginnt auch dieser Roman - mit der herrlich skurrilen Schilderung der Begräbniszeremonie in der Pariser Kathedrale Notre-Dame, ein charmanter Vorgeschmack auf diese Hommage an die Beständigkeit einer großen Liebe.
Eine unglaublich romantische Liebesgeschichte? Romantisch: ja - sehr sogar. Unglaublich: nein. Schließlich ist Alex Capus der Enkel des Protagonisten, dessen Doppelleben ein offenes Geheimnis war. Mit diesem außergewöhnlichen Stück Familien- und Zeitgeschichte hat er seinem Großvater ein Denkmal gesetzt, auf das die ganze Familie stolz sein kann. Faszinierend die unbeschwerte Leichtigkeit der Sprache, gleichsam ein Spiegel für die zuweilen freche Unbekümmertheit und ungebrochene Lebensfreude der Protagonisten. Capus schreibt treffend und pointiert, ironisch und manchmal mit leisem Spott, aber niemals verletzend. Wunderbar auch, wie er den schillernden Charakter der rechtmäßigen Ehefrau Yvonne zeichnet. Ein leicht melancholischer Grundton begleitet die gesamte Lektüre. Und auf der letzten Seite angelangt, blättert man tatsächlich noch einmal zum Beginn, um mit einem wissenden Lächeln die Abschlussszene noch einmal zu genießen. Lesenswert!

Sabine Krutter | biblio

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Michael Cunningham: In die Nacht hinein

: Roman / Michael Cunningham. Aus dem Amerikan. von Georg Schmidt. - München : Luchterhand, 2010. - 314 S.
ISBN 978-3-630-87353-4      fest geb. : ca. € 20,60

Eine sensibel erzählte Lebens-, Liebes- und Sinnkrise. (DR)

Kleine Begebenheiten reichen oft aus, um vermeintlich stabile Existenzen nachhaltig zu erschüttern. In seinem vierten Roman lässt Michael Cunningham, bekannt als Autor des Virginia-Woolf-Romans "The Hours", seine LeserInnen an solch einem existentiellen Erdbeben teilhaben. Protagonisten der Krise sind Peter und Rebecca Harris, in Manhattan lebende Mitvierziger, er als Galerist, sie als Herausgeberin einer Kunstzeitschrift tätig. Sie führen eine mehr oder minder behagliche Ehe, an die schmerzliche Entfremdung von der unverstandenen Tochter Bea hat man sich gewöhnt, ebenso an die regelmäßig wiederkehrenden Widrigkeiten ihres Broterwerbs. Dann erscheint eines Tages Rebeccas wesentlich jüngerer Bruder Missy auf der Bildfläche und quartiert sich eine Weile bei dem Ehepaar ein. Schnell wird ersichtlich, dass der kluge, gut aussehende junge Mann nicht nur ein Drogenproblem hat, sondern auch in jeder anderen Hinsicht haltlos ist. Peter verfällt Schritt für Schritt Missys Charisma und muss erleben, wie dessen Gegenwart allmählich die Eckpfeiler seiner Existenz untergräbt. Seine Liebe zu Rebecca, sein Glaube an Wert und Sinn der Kunst, seine Vaterrolle und selbst seine sexuelle Orientierung scheinen Peter mit einem Mal fragwürdig. Und dann kommt der Tag, an dem er glaubt, für einen Neuanfang alles aufs Spiel setzen zu müssen.
Eindringlich, feinsinnig und sehr mitfühlend schildert Cunningham den Kampf seiner Charaktere darum, ihrem Leben die gewünschte Richtung zu geben. Dabei machen die verhaltene Poetizität sowie die leichtfüßige Auseinandersetzung mit Kunst, Eros und Ästhetik, mit Liebe, Alter und Verlangen die Stärken des Buches aus. In jedem Falle lesenswert.

Eva Unterhuber | biblio

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Hakan Nesser: Die Perspektive des Gärtners

: Roman / Hakan Nesser. Aus dem Schwed. von Christel Hildebrandt. - München : btb, 2010. - 316 S.
ISBN 978-3-442-75173-0      fest geb. : ca. € 20,60

Der Vater eines entführten Kindes muss sich reflektierend mit Vergangenheit und Gegenwart auseinandersetzen. (DR)

Sarah, die vierjährige Tochter von Erik und Winnie, wird vor den Augen ihres Vaters am helllichten Tag entführt. Obwohl sofort die Polizei eingeschaltet wird, bleibt sie spurlos verschwunden. Rund 1½ Jahre später überredet Winnie ihren Mann zu einem Umzug nach New York, um räumlich Abstand zu gewinnen und zu versuchen, mit dem Schicksalsschlag fertigzuwerden. Erik ist überzeugt, dass Sarah tot ist und trauert um seine Tochter, Winnie jedoch glaubt, dass Sarah noch lebt. Winnie hat ihre sechsjährige Tochter aus erster Ehe und ihren ersten Mann bei einem Verkehrsunfall verloren. Dass jetzt auch ihre zweite Tochter tot sein soll, bringt sie beinahe um den Verstand.
Das Buch ist aus der Sicht Eriks in der Ich-Form geschrieben: Er erinnert sich, wie er Winnie kennengelernt hat und wie Sarah zur Welt kam. Im Schmerz um seine Tochter verschließt er sich immer mehr und auch Winnie zieht sich zurück. Bis sie eines Tages verschwindet und ihm in einem Brief andeutet, dass sie zu wissen glaubt, wo Sarah ist. Mit Hilfe eines pensionierten Privatdetektivs kommt Erik dahinter, dass ihn seine Frau über ihre Vorgeschichte und ihre eigene Identität belogen hat. Langsam beginnt Erik zu ahnen, was mit Sarah passiert ist und wie ihre und seine eigene Geschichte mit der Vergangenheit Winnies zusammenhängen könnte.
Die Geschichte wird bedächtig in einer wunderschönen, ausgefeilten und tiefschürfenden Sprache erzählt. Bis zum Schluss wird ein intensiver Spannungsbogen aufgebaut, sodass man das Buch kaum aus der Hand legen kann.

Susanna Schrampf | biblio

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Wolfgang Seidel: Wann tranken die Türken ihren Kaffee vor Wien?

: Weltgeschichte - alles, was man wissen muss / Wolfgang Seidel. - Frankfurt a. M. : Eichborn, 2010. - 443 S.
ISBN 978-3-8218-6512-6      fest geb. : ca. € 20,60

Drei Millionen Jahre Weltgeschichte auf knapp 450 Seiten übersichtlich, spannend und fundiert erzählt. (GE)

Auf den ersten Blick irritiert der Titel dieses Geschichtsbuches mit der Frage "Wann tranken die Türken ihren Kaffee vor Wien?". Man/frau bleibt weiter skeptisch beim vollmundigen Untertitel, der vorgibt, eine Weltgeschichte und "alles, was man wissen muss" zu bieten. Ist es möglich, in einem historischen Sachbuch nicht nur über fachlich fundiertes Geschichtswissen informiert zu werden, sondern auch Antworten auf so banale Fragen wie im Titel zu bekommen? Tatsächlich gelingt es dem Autor, sehr präzise und in kurzen überschaubaren Abschnitten - beginnend mit der Eis- und Steinzeit bis hin zur gegenwärtigen Präsidentschaft Obamas - in einem großen erzählerischen Bogen die Leitlinien der europäischen Geschichte darzustellen und diese simultan mit globalen historischen Entwicklungen zu verknüpfen. Beim Lesen erlebt man eine Art fiktiver Reise durch die Jahrtausende, wobei man das eigene Geschichtswissen auffrischen, neue historische Zusammenhänge erkennen und ein vertieftes Verständnis für globale Entwicklungen gewinnen kann.
Der umfangreiche Textkorpus ist klar chronologisch strukturiert und in zehn Kapitel gegliedert, sodass man nach Lust und Laune, nach Interesse und Neugier in dem Sachbuch vergnüglich schmökern, forschen und sich auch wissenschaftlich vertiefen kann. Fazit: Ein wirklich empfehlenswertes "Hausbuch" nicht nur für den Privatgebrauch, sondern auch bestens geeignet für Bibliotheken und Schulen.

Jutta Kleedorfer | biblio

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Richard David Precht: Die Kunst, kein Egoist zu sein

: warum wir gerne gut sein wollen und was uns davon abhält / Richard David Precht. - Orig.-Ausg. - München : Goldmann, 2010. - 543 S.
ISBN 978-3-442-31218-4      fest geb. : ca. € 20,60

Wie ist der Mensch beschaffen? Ist er gut oder schlecht? (PP)

Precht will verstehen, wie der Mensch von Natur aus beschaffen ist, welche Umstände den Menschen böse machen und wie sich das heutige Deutschland verändern soll, um das Gute zu fördern und den Spielraum für das Schlechte enger zu machen. Eine große Aufgabe! Herausgekommen ist ein komplexes philosophisches und gesellschaftskritisches Werk, das innerhalb kurzer Zeit Prechts dritter Bestseller wurde. Precht bereitet philosophisches und psychologisches Grundwissen in dicht gedrängter Form auf und bleibt dabei immer verständlich, mehr noch, er fesselt mit markanten Formulierungen und prägnanten Zitaten. Erkenntnisse aus der Antike bis zur modernen Hirnforschung werden analysiert und bewertet, dabei kommt in der Fülle manches zu kurz - an Platons Idee des Guten zu kritisieren, dass das Gute nur als Bild ausgedrückt werden kann, ohne jegliche Alternative anzubieten, lässt diese Frage unbeantwortet.
Aber das will Precht ja erreichen, er will nicht fertige Wahrheiten anbieten, sondern selbständiges Denken fördern. Seine Überlegungen münden in praktische Empfehlungen für unsere Zeit, wie Demokratie gefördert und die Wirtschaft den Menschen dienen könnte. Warum bisher viele einfache Lösungen noch nicht umgesetzt wurden, erklärt er schlüssig. Sein großer Rundgang zu den verschiedenen Menschenbildern kann allen Bibliotheken empfohlen werden.

Aloisia Altmanninger | biblio

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Ernst Pulsfort: Herders Neuer Atlas der Religionen

/ von Ernst Pulsfort. - Freiburg, Br. : Herder, 2010. - 160 S. : graph. Darst., zahlr. Kt. ; 21 x 28,5 cm
ISBN 978-3-451-32830-5      fest geb. : ca. € 37,10

Übersichtlich und grafisch ansprechend gestalteter Atlas der Religionen. (PR)

Trotz mancher Vorbehalte, Angaben über Frömmigkeit und Religiosität quantitativ festzulegen, zumal solche von manchen Weltgegenden überhaupt fehlen, vermittelt der aktuelle Atlas dennoch ein seriöses wie beeindruckendes Religionspanorama. Die LeserInnen erwartet ein in drei Bereiche unterteilter kartografischer Teil mit jeweils übersichtlichen Karten, erläuternden Landesstatistiken und allgemeinen Einführungen: Der erste Bereich führt die geografische Verbreitung der Religionen weltweit, auf den Kontinenten und in ausgesuchten Regionen vor Augen, der zweite die Verbreitung einzelner großer Religionen nach dem gleichen Schema und der dritte einige Spezialthemen (z. B. Anzahl und Verbreitung Konfessionsloser, Länder mit Staatsreligion, Unterdrückung oder Religionsfreiheit, Verwaltungseinheiten der katholischen Kirche). Abgerundet wird der übersichtlich und kartografisch ansprechend gestaltete Atlas mit Religionsstatistiken aller Staaten der Welt und einem Glossar.

Karl Krendl | biblio

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