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biblio : aktuelle buchtipps

Buchtipps / 2011 / Februar

erstellt von der STUBE und dem Österreichischen Bibliothekswerk

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Siobhan Dowd: Auf der anderen Seite des Meeres

/ Siobhan Dowd. Aus dem Engl. von Salah Naoura. - Hamburg : Carlsen, 2011. - 318 S.
ISBN 978-3-551-58189-1      fest geb. : ca. € 15,40

Am Beginn dieses Romans steht als Vorwort eine Strophe aus dem amerikanisch-schottischen Volkslied „Katie Cruel“: „Ich bin hier, weil ich es sollte, / wo ich will, kann ich nicht hin.“ Die Sehnsucht nach der glückverheißenden Ferne trifft auf den rationell gesehen viel sinnvolleren Verbleib im aktuellen Zuhause. Diese beiden Pole machen auch für die 14-jährige Holly Hogan die Fixpunkte ihres von Verlust und Frustration bestimmten Lebens aus. In früher Kindheit wurde sie von ihrer Mutter getrennt und wuchs seitdem von wechselnden SozialarbeiterInnen betreut im Heim auf. Als ihre neuen Pflegeeltern sie zu sich nehmen, scheint oberflächlich die Rettung nah: Fiona und Ray sind wohlhabend und sensibel, bemühen sich um Holly und ermöglichen ihr eine bessere schulische Ausbildung. Doch Holly sehnt sich weder nach Wohlstand oder Zuneigung; ihr Sehnsuchtsort und Fluchtpunkt ist Irland. Das Land, indem sie ihre Mutter vermutet und das als Symbol für alle ungelebten Träume und projizierten Hoffnungen steht. Durch das Aufsetzen einer Perücke verwandelt sie sich in Solace (Trost), ein aktives, selbstbestimmtes und zugleich wütendes Mädchen, das sich auf den langen Weg nach Irland macht. „Auf der anderen Seite des Meeres“ ist der letzte der beiden posthum publizierten Romane der 2007 verstorbenen irisch-englischen Autorin. Der Weg zum schier unerreichbaren Sehnsuchtsort ist für die Protagonistin der Weg zu sich selbst und wird die Frage beantworten, welcher Kopf sich unter dem blonden Haarschopf von Solace verbirgt.

Lukas Bärwald | STUBE 

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Miguel de Cervantes Saavedra: Don Quijote von der Mancha

: Hörspiel / Miguel de Cervantes Saavedra. Hörspielbearb., Regie und Musik: Klaus Buhlert. Mit Rufus Beck, Thomas Thieme und Anna Thalbach. Aus dem Span. von Susanne Lange. Deutschlandfunk ; HR2 Kultur. – München : Der Hörverlag, 2010. – 6 CDs (332 Min.) + Booklet
ISBN 978-3-86717-291-2     ca. € 29,95

Wie bekommt man weit über 1.000 Seiten geballte Weltliteratur in den Griff und wie lassen sie sich in eine schlankere, hörspielkonforme Gestalt bringen? Klaus Buhlert, der als Bearbeiter, Regisseur und Komponist das gestalterische Triumvirat dieses Projekts bildet, hatte bereits aus den Umsetzungen des „Mann ohne Eigenschaften“ und der „Ilias“ weitreichend Erfahrung mit solchen Mammutwerken der Literaturgeschichte. Als „literarisches Roadmovie“ bezeichnet er das zu Grunde liegende Konzept seiner Komposition dieser Hörfassung, die auf 6 CDs mit insgesamt knapp 330 Minuten eine deutlich reduzierte Version von Cervantes Werk darstellt.
Die klare, spitze Akzente setzende Stimme Rufus Becks (Don Quijote) trifft darin auf den mahlenden, sonor brummenden Sprachstrom Thomas Thiemes (Sancho Panza). Dadurch entsteht auch auf akustischer Ebene ein spannungs- und kontrastreiches Miteinander der beiden Hauptfiguren, die von Anna Thalbach als dritte Stimme des Hörspiels ergänzt werden. Klaus Buhlert, der für die musikalische Begleitung Flamenco-Gitarre erlernte und damit in kurzen, stimmungsvollen Akzenten einzelne Sequenzen unterteilt, ist eine dichte Handlungsführung von hohem erzählerischen Sog gelungen, die gleichermaßen Erwachsene wie interessierte Jugendliche als Alternativversion dieses Klassikers der Weltliteratur ansprechen kann.

Lukas Bärwald | STUBE

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Tana French: Sterbenskalt

: Kriminalroman / Tana French. Aus dem Engl. von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann. - Frankfurt, M. : Scherz, 2010. - 598 S.
ISBN 978-3-502-10216-8      fest geb. : ca. € 17,50

Mehr als nur ein spannender Thriller. (DR)

Vor 22 Jahren hat Frank Mackey seine Familie verlassen - die vier Geschwister, die derbe und lieblose Mutter, den saufenden und gewalttätigen Vater und damit gleich das ganze Faithful Place, ein Stadtviertel in Dublin ohne jede Zukunftsperspektive. Die Idee zur Flucht nach London hatte seine erste große Liebe Rosie. Doch in der Nacht der geplanten Flucht tauchte Rosie nicht auf. Frank bleibt in Dublin und wird Undercover-Ermittler, hat aber nur mehr Kontakt zu seiner jüngsten Schwester Jackie. Obwohl er später geheiratet hat und seine Tochter Hollie über alles liebt, hat Frank es nie verwunden, dass Rosie ihn damals einfach sitzen gelassen und die Flucht ohne ihn angetreten hat. Doch dann taucht Rosies alter Koffer mit den Fährtickets auf und ein schrecklicher Verdacht beginnt Gewissheit zu werden.
Tana French beweist auch in ihrem dritten Krimi, dass sie nicht nur spannende Fälle entwickeln kann, sondern zudem über eine genaue Beobachtungsgabe und ein feines Gespür für menschliche Befindlichkeiten verfügt. Und so besticht "Sterbenskalt" nicht nur durch eine überraschende Handlung, sondern auch durch atmosphärische Dichte und realistische Charaktere, deren Ringen um Schein und Wahrheit man sich nicht mehr entziehen kann.
Deshalb ist "Sterbenskalt" nicht nur passionierten KrimileserInnen zu empfehlen, sondern allen, die intelligente psychologische Romane zu schätzen wissen. Allen Bibliotheken sehr zu empfehlen.

Anita Ruckerbauer | biblio

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Marjana Gaponenko: Annuschka Blume

: Roman / Marjana Gaponenko. - St. Pölten : Residenz Verl., 2010. - 251 S.
ISBN 978-3-7017-1544-2      fest geb. : ca. € 21,90

Zwei Menschen, viele Briefe und ein Kosmos aus Sprache. (DR)

Die ukrainische Dorflehrerin  Anna Konstantinowna und der reisende Forscher Piotr Michailowitsch verbringen ihr Dasein weit voneinander entfernt, seelisch jedoch sind sie sich nahe. In Briefen berichten sie einander ihren Alltag und öffnen die Türen in ihr Inneres und zu ihrer Sicht der Welt - und diese Welt ist außerordentlich. Mit wenigen Sätzen steigt man hinein in einen vielgestaltigen, sinnlichen, flimmernden Kosmos der Empfindungen und Gedanken, der Lebensentwürfe und Gefühlswelten. Die Ideen hüpfen, die Gedanken springen, Ansätze von Geschichten enden traumartig abrupt, um an anderer Stelle wieder aufzutauchen. Hinter all den flirrenden Gedankenströmen kräuseln sich nach und nach die Bilder und entwerfen eine Welt, aus der ein bejahendes mystisches Daseinsgefühl hervorleuchtet.
Die aus der Ukraine stammende und deutsch schreibende Marjana Gaponenko, die 2009 mit dem Frau Ava-Literaturpreis ausgezeichnet wurde, erweist sich hier als kraftvolle Sprachmagierin: Im wechselnden Gestus des Beteuerns, der religiösen Emphase oder des bedächtig Räsonierens singen ihre Figuren in "Annuschka Blume" das Hohelied des Seins, ohne dabei die Formen zu verlieren: Das respektvolle "Sie", in dem die Figuren miteinander verkehren, hält bis zum Ende.
Ein Text, als wäre Dostojewski unter die Surrealisten gegangen. Literarisch Interessierten nachdrücklich empfohlen.

Reinhard Ehgartner | biblio

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Georg Haderer: Ohnmachtspiele

: Kriminalroman / Georg Haderer. - Innsbruck : Haymon, 2010. - 316 S.
ISBN 978-3-85218-630-6      fest geb. : ca. € 19,90

Der zweite Fall für Major Schäfer. (DR)

Noch hat Schäfer den letzten Fall, der ihn zurück in seinen Heimatort Kitzbühel gebracht hatte, nicht so recht verdaut. Aufgrund von Depressionen und Angstzuständen wurde er für längere Zeit beurlaubt. Kaum zurück an seinem Arbeitsplatz in Wien, wird er schon unter Druck gesetzt: Innenminister und Polizeipräsident wünschen sich endlich einen Anstieg der Aufklärungsrate. Da aber gleichzeitig Personal gekürzt wurde, geht das nur, indem in Zukunft bei Todesfällen mehr geraten als ermittelt wird. Und die beiden toten Frauen, beide ertrunken, eine in der Donau, die andere unter seltsamen Umständen in ihrer Badewanne, sollen deshalb ohne viel Federlesens als Selbstmord abgehakt werden. Auch der Fall des toten Junkies scheint klar: Tod durch Überdosis. Doch die Obrigkeit hat die Rechnung ohne den sturen Schäfer gemacht. Als er nicht nur von Mord ausgeht, sondern schließlich davon überzeugt ist, dass hier ein Serientäter am Werk ist, der seine Opfer nach dem Muster deutscher Spielkarten aussucht, hat selbst sein geduldiger Assistent Bergmann so seine Probleme, Schäfers Theorien zu folgen.
Keineswegs ohne Fehl und Tadel, aber als Persönlichkeit durch und durch überzeugend, braucht Major Schäfer den Vergleich mit prominenten Kollegen wie Polt oder Brenner nicht zu scheuen. Auch die Geschichte selber ist stimmig und bietet einige Überraschungen. Aufgelockert wird alles mit einer tüchtigen Portion Schmäh. Insgesamt ein gelungener Beweis dafür, dass die österreichische Krimiszene einiges zu bieten hat. Allen Bibliotheken sehr zu empfehlen.

Anita Ruckerbauer | biblio

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Werner Gruber: Wer nichts weiß, muss alles glauben

: Science Busters ; [jetzt mit Weltformel] / Gruber ; Oberhummer ; Puntigam. - Salzburg : Ecowin, 2010. - 234 S. : Ill., graph. Darst., Noten
ISBN 978-3-902404-93-0      fest geb. : ca. € 21,90

Unterhaltsame Nachhilfe in Sachen Experimental-, Kern- und Astrophysik zu besserem Verständnis der Naturgesetze wie des eigenen Lebens. (NP)

Die "Science Busters", wie sich das Autorenteam nennt, versuchen auf der Kabarettbühne oder in ihrer wöchentlichen Radiokolumne "eine Schneise der naturwissenschaftlichen Aufklärung durchs das Land zu schlagen", indem sie erzählen, wie fantastisch und unterhaltsam Physik sein kann und wie mit ihr fast alles erklärbar ist. Das vorliegende Buch ist gleichsam ein "Best of" an physikalischen Grundlagen und Erkenntnissen, verpackt in launige kabarettistische Texte. Es besteht aus zwei großen Teilen: Im ersten Abschnitt wird dem allgemeinen physikalischen Nichtwissen nachgespürt und mit vielen populären Mythen aufgeräumt. Nach dem Motto "Wer nichts weiß, ..." wird in so genannten Fact-Boxes erklärt, was man übers Universum, über die Materie, übers Leben oder übers Gehirn aus naturwissenschaftlicher Sicht einfach wissen sollte. Im zweiten Teil  unter dem Titel "…, muss alles glauben" folgt dann eine vergnüglich zu lesende, aber wissenschaftlich fundierte Aufklärung in Sachen Glauben, Liebe, Hoffnung und Tod.
Eine Lektüre für alle Jahreszeiten und alle FreundInnen erstklassiger Sachliteratur, in der Topwissenschaft und Spitzenhumor sich in einem Feuerwerk von fachlicher Begeisterung und sprühendem Wortwitz entladen. Aber Vorsicht: Keine Lektüre für romantische, esoterische oder empfindsame Gemüter.

Jutta Kleedorfer | biblio

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Nicolas Vanier: Zeit der Wölfe

: ein Abenteurerleben / Nicolas Vanier. Aus dem Franz. von Reiner Pfleiderer. - München : Malik, 2010. - 346 S., [12] Bl. : Ill., Kt.
ISBN 978-3-89029-354-7      fest geb. : ca. € 20,60

Eindrucksvolle Schilderung von den Reisen des Autors, die ihn durch die Eislandschaften aller Kontinente führten. (EL)

Der hohe Norden hat es dem in Senegal geborenen Autor seit jeher angetan - seit dreißig Jahren zieht er nun schon durch die Eislandschaften aller Kontinente. Mit seinen Schlittenhunden erkundete er Lappland bis zur Halbinsel Kola, Sibirien vom Baikalsee bis zum Nordpolarmeer, die Tundra und die Eiswildnis von Labrador bis Alaska, die Rocky Mountains von British Columbia bis zum Yukon Territory. In diesen Klimazonen zu überleben, erfordert großen Mut und die Bereitschaft, sich vollkommen mit den Gegebenheiten einer lebensfeindlichen Umwelt vertraut zu machen. Die Belohnung sind herrliche Naturerlebnisse, von denen Vanier wunderbar zu erzählen weiß: von der unermesslichen Weite der Landschaft und den zauberhaften Farbspiegelungen, die das Licht auf den weißen Hügeln und Ebenen hervorruft. Obwohl es große Überwindung kostet, am Morgen aus der Wärme des Schlafsacks zu schlüpfen, reizt es den Autor immer wieder, den Sonnenaufgang über dem Weiß zu erleben.
Spannend schildert er Begegnungen mit Wölfen, Luchsen, Grizzlys und Karibus und die Liebe, die ihn mit seinen Schlittenhunden verbindet. Die Ureinwohner der polaren Gebiete lehrten Vanier, wie man im Einklang mit der Natur lebt, sie schützt und erhält.
Vanier, der mit seinen Büchern "Die weiße Odyssee" und "Das Schneekind" berühmt wurde, zieht in diesem Band Bilanz über seine Reisen im hohen Norden. Sein großartiger Erzählstil und sein Engagement für die Bewahrung der Natur und ihrer Bewohner machen das Buch zu einem eindrucksvollen Leseerlebnis.

Ingrid Kainzner | biblio

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Albert Biesinger: Warum hat Gott die Welt gemacht?

: Antworten auf Kinderfragen / Albert Biesinger ; Edeltraud Gaus ; Ralf Gaus. - Freiburg, Br. : Herder, 2010. - 96 S. : Ill., Noten
ISBN 978-3-451-33097-1      kart. : ca. € 8,20

Drei ReligionspädagogInnen beantworten Kinderfragen, indem sie biblische und theologische Gesichtspunkte aufgreifen und in Gesprächs- und Handlungsimpulse für Kinder übersetzen. (PR)

Warum hat Gott die Menschen geschaffen? Kommen Tiere in den Himmel? Warum gibt es Naturkatastrophen? Wie ist das mit dem Urknall? Solche und ähnliche Fragen werden von den drei AutorInnen gebündelt. Auf wenigen Seiten bekommen die interessierten Eltern einen knappen Einblick in theologisches Denken das Verhältnis von Gott und Mensch betreffend. So schlicht manche Formulierungen auch sein mögen, sie erleichtern den Zugang für (junge) Eltern, die sich als Laien mit diesen Fragen konfrontiert sehen, und helfen ihnen, das Gespräch mit neugierigen Kindern zu führen.
Interessant ist die Herangehensweise, die von einem aktuellen Wissensstand zu dem Punkt "Das hat mit uns zu tun" führt und anschließend herausarbeitet, welches Wissen an die Kinder weitergegeben werden kann bzw. welche Spiele, Lieder, welches gemeinsame Tun in der Familie dieses Wissen unterstützt und vertieft. Dass hier auch Anregungen für Kindergarten und Grundschule zu finden sind, liegt auf der Hand, ist aber nicht das primäre Ziel. Das liegt in der vertrauten Kernzelle der Familie, wo Fragen spontan - bei einem Ausflug etwa - auftauchen und wo auch Schöpfungsverantwortung ganz praktisch gelebt werden kann - etwa im Verzicht auf das Auto oder in der Mülltrennung. Knapp, klar, praktisch!

Gertie Wagerer | biblio

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