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biblio : aktuelle buchtipps

Buchtipps / 2009 / Juni

erstellt von der STUBE und dem Österreichischen Bibliothekswerk

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Charlotte Kerner (Hrsg.): Die nächste GENeration

 : science + fiction / Charlotte Kerner (Hrsg.). Claudia Eberhard-Metzger/Susanne Paulsen. Porträts von Michael Najjar. - Weinheim : Beltz & Gelberg, 2009. - 253 S. : Ill.
ISBN 978-3-407-75346-5       kart. : ca. € 20,60

Im Jahr 1999 veröffentlichte die Autorin Charlotte Kerner ihren, unter anderem mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichneten Roman „Blueprint Blaupause“, in dessen Zentrum des Verhältnis von Mensch und geklontem Mensch stand. Knapp zehn Jahre später hat sie erneut ein Buch herausgebracht, das sich diesem Themenkreis widmet: „Die nächste GENeration“ ist ein Sachbuch über die menschliche Genetik, die damit verbundenen biologischen Zusammenhänge sowie die ethischen Fragen und Möglichkeiten von Eingriffen in die Bausteine des Lebens.
Kerner, die für ihre Romane die Gattung der „Factasy“ – also zwischen Fakt und Phantasie – herbeizitiert, verwendet in diesem Buch gemeinsam mit ihren beiden Co-Autorinnen eine Mischung aus informativen Sachtexten und fiktiven Kurzgeschichten, aus, wie der Untertitel es nennt: „Science und Fiction“. Die Genforschung, ihre Geschichte und Entwicklung, Chancen und Gefahren, werden in den sechs thematisch gegliederten Kapiteln aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet: Auf der einen Seite steht die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit jeweils einem Teilbereich der Genforschung, wie z.B. der Epigenetik, dem Klonen, dem gezielten Eingriff in den Prozess des Alterns etc. Auf der anderen Seite wird auf literarisch-fiktionale Weise der Blick von der Gegenwart in eine mögliche Zukunft umgekehrt: Charlotte Kerner macht dazu eine Wissenschaftsjournalistin aus dem Jahr 2053 zu ihrem Sprachrohr, die rückblickend die Entwicklung der Genetik kommentiert und somit die Vision einer Zukunft umreißt, in der das menschliche Erbgut längst nicht mehr unantastbar, sondern vielmehr zum frei manipulierbaren Spielzeug des menschlichen Strebens nach Perfektion geworden ist.
Abgerundet wird dieses Jugendsachbuch durch einen Anhang, der neben einer Übersicht zur Gesetzeslage der Gentechnik (in Deutschland) ein ausführliches Literaturverzeichnis zu jedem einzelnen Kapitel enthält und eine nützliche kommentierte Sammlung von interessanten Links bereitstellt.

Lukas Bärwald | STUBE 

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Antonia Michaelis: Wenn der Windmann kommt

/ Antonia Michaelis. - Freiburg : Herder, 2009. - 319 S.
ISBN 978-3-451-70916-6      fest geb. : ca. € 17,50

Die literarische Macht der Fiktion wurde selten so gezielt eingesetzt wie in diesem Roman: Ein Umzug steht am Anfang der Geschichte um den jungen Patrick, der sich mit seinen Eltern im neuen, abgelegenen Zuhause mit mysteriösen Begebenheiten konfrontiert sieht: Unlesbare Zeichen an der Tür, Gerüchte um Spuk und ein merkwürdig vermummtes Mädchen, das ihn vom Waldrand aus beobachtet. Aus beiderseitiger Einsamkeit kommt es zu einer langsamen Anbahnung und für Patrick öffnet sich eine magische Welt. Das Mädchen Pareidolie lebt mit seiner Mutter Rebecca mitten im Wald, scheint Gedankenlesen zu können und hat eine sprechende weiße Krähe zur ständigen Begleiterin. Ein Idyll, das aber der Bedrohung durch den geheimnisvollen Windmann ausgesetzt ist, vor dem es sich zu hüten gilt…
Die Gewissheit, es mit einer phantastischen Erzählung zu tun zu haben, bröckelt jedoch. Isolation und Andersartigkeit sind hier kein Resultat märchenhafter Vorgänge, sondern trauriges Schicksal: Rebecca leidet an Schizophrenie. Ihr Verfolgungswahn und Aberglaube sind Auslöser der verschobenen kindlichen Wahrnehmung. Die „Magie“ entpuppt sich immer mehr als Manifestation dieser Krankheit und Pareidolie als lebenslang getäuschtes Mädchen. Ihr langsames Eintreten in die Realität wird in Tagebucheintragungen reflektiert, die Patricks ICH-Erzählung immer wieder brechen und die tatsächliche Geschichte – ein Familiendrama, das ebenso überzeugt wie die scheinbar phantastischen Passagen – wird offenbart. Parallel zur Entwicklung in ein anderes Genre ändert sich auch das Setting vom mysteriösen Wald in die Rationalität der Stadt. Und als die beiden Kinder dort tatsächlich auf den Windmann treffen, gilt abermals: Was ist wirklich?

Christina Ulm | STUBE   

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Jonathan Coe: Der Regen, bevor er fällt

: Roman / Jonathan Coe. Aus dem Engl. von Andreas Gressmann. - 2. Aufl. - München : DVA, 2009. - 298 S.
ISBN 978-3-421-04367-2      fest geb. : ca. € 19,50

Ein streng komponierter Familienroman um unglückselige Mutter-Tochter-Beziehungen über drei Generationen und ein daraus resultierendes furchtbares Geheimnis. (DR)

Jonathan Coe,ein in London lebender, renommierter englischer Schriftsteller, legt mit dem vorliegenden Roman eine tragische Familiengeschichte mit dem Fokus auf die Frauen der Familie vor, eine Geschichte, die die Leserin/den Leser bis zum Schluss zu fesseln vermag. Nicht zuletzt wird die Spannung durch die Ich-Erzählerin, die jüngst verstorbene Rosamond, aufrechterhalten. Als ihre Erbin Gill in ihrem Haus vier Kassetten mit der Anweisung findet, diese der Miterbin Imogen auszuhändigen, kann sie diese trotz intensiver Bemühungen nicht ausfindig machen. Und so hören Gill und ihre zwei Töchter mit zunehmender Faszination die Lebensgeschichte der Frauen der Familie an, die Rosamond Imogen, der Enkelin ihrer Cousine Beatrix, als wichtigstes Erbstück mitgeben wollte.
Anhand der Beschreibung von 20 Fotos für die blinde Imogen rollt Rosamond die Geschichte der ungeliebten Beatrix auf, die wiederum ihrer Tochter Thea keinerlei Zuneigung entgegenzubringen vermag, auf und deckt schließlich auch noch ein dunkles Familiengeheimnis rund um die Erblindung der danach zur Adoption freigegebenen Imogen auf. In einem Nachspann der Rahmenerzählung erfährt man schließlich, was aus Imogen geworden ist, und auch hier wiederholt sich über den Abstand von 50 Jahren eine schicksalhafte Situation. Ein sorgfältig komponierter, psychologisch überzeugender Familienroman, der der Frage nach den Konsequenzen unserer Handlungen für unsere Nachkommen aufspürt. Allen Bibliotheken sehr zu empfehlen.

Monika Roth | biblio
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Louise Penny: Der grausame Monat

 : Roman / Louise Penny. Dt. von Andrea Stumpf und Gabriele Werbeck. - München : Limes, 2009. - 471 S.
ISBN 978-3-8090-2558-0      fest geb. : ca. € 20,60

Ruhiger Krimi, der vor allem durch seine originellen Protagonisten besticht. (DR)

Das alte Hadley-Haus scheint schon wieder ein Todesopfer gefordert zu haben: Die Seance, die einige Einwohner des idyllischen Künstlerdorfes Three Pines dort aus Spaß abhalten, findet ein abruptes Ende. Die allseits beliebte Madelaine Favreau stirbt dabei an Herzversagen - offensichtlich buchstäblich vor Schreck. Doch dann stellt sich heraus, dass jemand nachgeholfen hat und Inspector Gamache beginnt mit seinem eigenwilligen Team zu ermitteln. Droht dem Leiter der Mordkommission der Sureté de Quebec Ungemach aus den eigenen Reihen: Vor Jahren hatte er den damaligen Superintendenten zu Fall gebracht und dessen Anhänger versuchen nun, durch eine wüste Medienkampagne Rache an Gamache zu üben. Und der muss sich nicht nur damit herumschlagen; Agent Nichol agiert unsensibel wie eh und je und Gamache kommt zur Überzeugung, dass er einen Maulwurf in seinem engsten Team haben muss.
Wie bereits die ersten drei Bände lebt auch der vierte rund um das verschlafene kanadische Nest weniger von spannenden Kriminalfällen als vielmehr von den liebenswerten und schrulligen Protagonisten, die nicht nur das Interesse für die Geschichte aufrechterhalten, sondern vor allem für die humorvollen Auflockerungen sorgen. Deshalb sind die Krimis von Louise Penny vor allem jenen LeserInnen zu empfehlen, die auf der Suche nach Spannung ohne Schilderung drastischer Brutalitäten sind.

Anita Ruckerbauer | biblio
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Sibylle Lewitscharoff: Apostoloff

: Roman / Sibylle Lewitscharoff. - Frankfurt a. M. : Suhrkamp, 2009. - 247 S.
ISBN 978-3-518-42061-4      fest geb. : ca. € 20,40

Ein deutsch-bulgarischer Roadmovie. (DR)

Rumen Apostoloff, Chauffeur eines Kleinwagens, hat die Aufgabe, zwei Schwestern sein Heimatland Bulgarien zu zeigen. Er tut dies als Patriot und will ihnen die Schön- und Besonderheiten des Landes nahebringen. Die Schwestern sind Deutsch-Bulgarinnen. Ihr Vater, ein Gynäkologe, studierte in Stuttgart und bildete nach dem Zweiten Weltkrieg dort mit 18 weiteren Bulgaren, deren erstes Ziel es war, eine blonde Deutsche zu ehelichen, die bulgarische Community. Der Vater wird allerdings zunehmend depressiv und erhängt sich, als die beiden noch Kinder sind. Ständig ist er als eine Art Untoter noch präsent. Alles andere als depressiv ist die Erzählhaltung in diesem Roman. Als Erzählerin fungiert die jüngere Schwester, die im Fond des Wagens sitzt und sarkastisch das Land ihrer Vorfahren kommentiert. Die ruhigere ältere Schwester widmet sich eher dem Fahrer und scheint durch nichts aus der Ruhe zu bringen zu sein. Während die jüngere so gar nichts Gutes an Land und Leuten findet und den Fahrer damit ständig provoziert, entwickelt sich zwischen Rumen und seiner Beifahrerin eine erotische Beziehung, die die Erzählerin erst nach und nach wahrnimmt.
Parallel zu ihren Reiseimpressionen erinnert sie sich auch an Geschichten der Stuttgarter Bulgaren und ihrer Familien. Und als Vorgeschichte ihrer Bulgarienreise wird noch von einer anderen Reise berichtet, nämlich vom skurrilen Überführungstransport der bereits verstorbenen Stuttgarter Bulgaren nach Sofia, die einer der später in den USA zu Wohlstand Gekommenen organisiert und mit großem Pomp durchführt. - Ein Werk der literarischen Hoch-Komik, unterhaltsam im besten Sinne, prallvoll mit Geschichten, bissigen Bemerkungen und Beobachtungen.

Fritz Popp | biblio
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Marc Engelhardt: Der Hüter der zerfallenden Bücher

: afrikanische Schicksale / Marc Engelhardt. - Wien : Picus-Verl., 2009. - 132 S. - (Picus Reportagen)
ISBN 978-3-85452-955-2      fest geb. : ca. € 14,90

Sammlung aufwühlender Reportagen aus dem "schwarzen Kontinent". (EL)

Der in Köln geborene deutsche, jetzt in Nairobi (Kenia) lebende Journalist kommt durch seine Tätigkeit als Afrika-Korrespondent deutschsprachiger Medien viel auf dem "schwarzen Kontinent" herum. Seine zwischen 2004 und 2008 erschienenen Reportagen, die auf Gesprächen mit einfachen Menschen aus Afrika (von Mauretanien bis Somalia, vom Sudan bis Namibia) beruhen, sind nun in bearbeiteter Form gesammelt bei Picus als Buch erschienen.
Die außergewöhnlichen Menschen und Situationen, über die der Autor berichtet, zeichnen ein faszinierendes, völlig ungewohntes Bild eines "unfassbaren" Afrikas. Die Reportagen beschreiben, welche Folgen große Ereignisse oder schwelende Konflikte haben können. Immer wieder tauchen auch die Auswirkungen von Globalisierung, Klimawandel und anderen Umweltproblemen in den Geschichten auf, die ein ganz persönliches Bild eines Kontinents mit viel Leid und Not, aber auch mit Wagemut und Idenreichtum und voll Hoffnung vermitteln.
Die faszinierenden Menschenschicksale, die hier vorgestellt werden, rücken die Länder dieser so anderen Region in ein völlig neues Licht und verdienen es, in einer breiten Öffentlichkeit bekannt zu werden, weswegen eine Einstellung in Bibliotheken sehr empfohlen werden kann.

Johann Lenzenweger | biblio
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Harald Koisser: Warum es uns so schlecht geht, obwohl es uns so gut geht

: was ist ein gutes Leben? / Harald Koisser. - Wien : Orac, 2009. - 224 S.
ISBN 978-3-7015-0514-2      fest geb. : ca. € 19,90

Trittsteine eines guten Lebens. (PI)

Würden sich unsere Ahnen nicht sehr wundern, könnten sie unseren Wohlstand sehen, unsere medizinische Versorgung, unsere soziale Absicherung, mit einem Wort: den Fortschritt unserer Zivilisation? Und würden sie sich nicht noch mehr wundern, könnten sie unser Klagen über den Zustand der Welt hören? Harald Koisser greift die uns Menschen eigentümliche Frage nach dem guten Leben auf und begleitet uns im ersten Teil seines Buches durch unser alltägliches Leben: Arbeit, Ästhetik, Bildung, Dankbarkeit, Freiheit, Geld, Gesundheit, Liebe, Religion, Stress, Tod sind einige der insgesamt 20 Themen, die der Autor als Trittsteine eines guten Lebens begreift. Unser Leben besteht nur aus solchen kleinen alltäglichen Elementen und nur wenn es gelingt, sie gut zu gestalten, kann das Leben als Ganzes gelingen. Dazu bedarf es der Bereitschaft, im Alltäglichen das Ganze zu sehen, der Fähigkeit, sich selbst zu reflektieren, der Kraft, im Getriebe des Alltags aus dem Getriebensein zurückzunehmen.
Die essayistischen Texte des Autors sind eine gute Hilfe für diese Selbsterkenntnis, die uns davor bewahren kann, dass aus den Trittsteinen Tretminen werden. Im zweiten Teil seines Buches bekommt der Leser eine Einführung in die Philosophie und politische Ideengeschichte auf der Suche nach Glück. Hier gelingt es dem Autor, zwischen den großen Gedanken großer Denker und unserem individuellen Glückssuchen Verbindungen herzustellen. Ein lesenswertes Buch, das die in uns schlummernde Kraft des Selberdenkens beflügeln kann.

Johannes Vorlaufer | biblio
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Karl Wallner: Wer glaubt, wird selig

 : Gedanken eines Mönchs über das Glück, sinnvoll zu leben / Pater Karl Wallner. - Bergisch Gladbach : Lübbe, 2009. - 350 S.
ISBN 978-3-7857-2373-9      fest geb. : ca. € 18,50

Gelebtes Bekenntnis. (PR)

Das Zisterzienserkloster Stift Heiligenkreuz wurde im Vorjahr mit der Choral-CD "Chant - Music for Paradise" weltberühmt. Pater Karl, der schon seit Jahrzehnten als Mönch in diesem Kloster lebt, gibt mit dem vorliegenden Band Antworten auf Fragen, die sich wohl viele Fans dieser CD gestellt haben und stellen: Können Mönche glücklich sein? Was brauche ich selbst, um ein gelungenes Leben zu leben? Das Leben stellt viele Fragen, vor allem die nach sich selbst. Pater Karl erzählt aus seinem Leben: Von seinen Erfahrungen, Zweifeln, Hoffungen, seinem Glauben und dem Fragwürdigen dahinter. Auch wenn sein Buch keinerlei wissenschaftlichen Anspruch erhebt, ist es doch äußerst anspruchsvoll, weil es sich den Grundfragen unseres Lebens radikal, d.h. bis an die Wurzel gehend, aussetzt. Es ist ein Buch eines Menschen, der vermeint, seinen Weg gefunden zu haben, und der sich zu diesem Weg und seinem Denken bekennt. Im Unterschied zu vielen anderen autobiografischen Büchern verfolgt es aber keinen peinlich-exhibitionistischen Stil, sondern die Bewegung des Sich-Öffnens auf andere Menschen und deren Lebensfragen hin. Erst durch die redliche und intellektuelle Offenheit dieses Mönchs können Dinge benannt werden, die im Alltagsgetriebe vielfach untergehen.

Johannes Vorlaufer | biblio
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