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Buchtipps / 2006 / Februar

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Lilly Axster / Christine Aebi / Aleka Zichy: Jenny, sieben

/ Lilly Axster . Ill. von Christine Aebi und Aleka Zichy. Hrsg. Edith Almhofer. - Gumpoldskirchen : deA-Verl., 2005. - 44 S. : zahlr. Ill. (farb.) - (Panoptikum) ISBN 3-901867-25-2 fest geb. : ca. € 23,50

„Wunschliches Herzglück“, so sagt Max vor lauter Nervosität, feiert doch seine Tochter Jenny das erste Mal nach der Trennung der Eltern ihren Geburtstag bei ihm. Doch die übermütige Freude der beiden aneinander weicht bald ernsteren Tönen: Dem Vorwurf der Tochter, vom Vater allein gelassen zu werden, der Angst des Vaters, gar nicht gemocht und gebraucht zu werden. Die Tragweite der gegenseitigen Verletzungen wird in der grafischen Umsetzung Christine Aebis deutlich: Da ist der Vater zerknittert und flach wie Papier und muss von der Tochter glattgebügelt werden, da wird Zerrissenes mit Klebestreifen wieder zusammengefügt – und so letzten Endes eine Verständigung und ein gelungenes Geburtstagsfest doch noch möglich. „Jenny, sieben“ beruht auf dem 1999 uraufgeführten, von Lilly Axster verfassten Theaterstück „Tochtertag“, zu dem Christine Aebi Bühnenbild und Kostüm gestaltete. Diese kongeniale künstlerische Zusammenarbeit der beiden, die sich gemeinsam seit langem in verschiedenen Formen unter anderem mit Fragen rund um Geschlechterkonstruktionen und Feminismus beschäftigen, ihre Freude an der theatralen Inszenierung ist hier in Papierform umgesetzt: In den liebevoll positionierten Details wie Zahnbürste und Geburtstagstortenstücken, im Kontrast von unterschiedlichen farblichen und gestalterischen Akzenten. Ein herausforderndes und vielschichtiges Bilderbuch, das zur Auseinandersetzung anregt.

Kathrin Wexberg / STUBE

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Christa Holtei: Das große Familienbuch der Feste und Bräuche

/ Christa Holtei. Mit Ill. von Tilman Michalski. Düsseldorf : Patmos, 2005. 216 S. : Ill., graph. Darst., Noten ISBN 3-491-38071-5 fest geb. : ca. € 25,60

Auch wenn der Februar der kürzeste Monat ist, so mangelt es ihm doch nicht an Festanlässen, ist der Februar, oder auch Narrenmond genannt, doch die Zeit des Faschings, des Karnevals, des jüdischen Purim-Festes. Wer diesem närrischen Treiben nichts abgewinnen kann, mag auf den Valentinstag ausweichen und auf den in England und Frankreich schon im Mittelalter praktizierten Brauch, Frauen Blumen zu schenken – vielleicht auch kleine Briefchen beizulegen, wie es im 19. Jh. üblich wurde. Kulinarisch Orientierte können sich auf Crêpes an Lichtmess und Mutzemandl freuen – bis dann am Aschermittwoch die Zeit der Fastenspeisen anbricht… In einem variantenreichen Festkalender werden Informationen wie diese nach Monaten geordnet und mit zahlreichem Wissenswerten über christliche, jüdische und muslimische, aber natürlich auch profane Feste angereichert. (Einziger Nachteil dabei die Deutschlandlastigkeit, die gerade zum Thema Karneval besonders deutlich zu Tage tritt.) Kreative und kulinarische Ideen, Lieder und kurze Geschichten lockern die kluge Anordnung der Sachtexte auf und ergeben mit den humorigen Illustrationen ein außerordentlich ansprechendes Gesamterscheinungsbild. Zu empfehlen ab 9 Jahren.

Heidi Lexe / STUBE

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Daniel Kehlmann: Die Vermessung der Welt

: Roman / Daniel Kehlmann. - 7. Aufl. - Reinbek : Rowohlt, 2005. - 301 S. - ISBN 3-498-03528-2 fest geb. : ca. € 20,50

Wenn sich die großen Geister begegnen, steht die Literatur nicht zurück: ein herausragender Roman über große Gestalten und Umbrüche. (DR)

Alexander von Humboldt (1769-1859) und Carl Friedrich Gauß (1777-1855). Naturforscher und Weltreisender der eine, Mathematiker und Astronom der andere. Besessene beide. Auf dem historischen Hintergrund dieser beiden berühmten Entdecker und Weltvermesser baut Daniel Kehlmann eine plastische Geschichte, aus der nicht nur unvergesslich markante Charaktere heraustreten, sondern auch der Lebensalltag sowie die sozialen und politischen Gegebenheiten der Zeit ablesbar sind. Daniel Kehlmann beherrscht es perfekt, die Atmosphäre von Situationen aus dem Blickwinkel ironischer Distanz in knappen Sätzen einzufangen. Hinter dem zweifellos parodistischen Zügen steckt ein ernsthafter und interesseweckender Blick auf die naturwissenschaftlichen und mathematischen Fragestellungen dieser Umbruchszeit. Von der Kritik wurde das Buch zu Recht euphorisch aufgenommen, und tatsächlich lassen einem die hier präsentierten Typen, die zugespitzten Szenen und die geschilderte Landschaftsszenerie so schnell nicht wieder los. – Allen Bibliotheken sehr zu empfehlen.

Reinhard Ehgartner / biblio

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Nelleke Noordervliet: Die Schatten von Pelican Bay

: Roman / Nelleke Noordervliet. Aus dem Niederländ. von Hanni Ehlers. - Wien : Zsolnay, 2005. - 491 S. ISBN 3-552-05350-6 fest geb. : ca. € 25,60

Spannender Roman, der das Schicksal einer Familie im Wechselspiel zwischen Gegenwart und Vergangenheit erzählt. (DR)

Ein grausamer Mord steht am Beginn dieses Romans. Im 18. Jahrhundert wird die hochschwangere Frau eines holländischen Pflanzers auf einer Karibikinsel bestialisch getötet. Schwenk in die Gegenwart: Die Historikerin Ada reist in die Karibik, um dem Schicksal ihrer Vorfahren auf den Grund zu gehen. Doch auch ihre eigene, aktuelle Familiengeschichte - die Suche nach ihrem Adoptivbruder - hat sie auf die malerische Insel getrieben. Die Autorin hat ein fesselndes Buch geschrieben, das geschickt zwischen Vergangenheit und Gegenwart wechselt und zwei Storys in einem Buch erzählt, die über die Jahrhunderte hinweg miteinander verwoben sind. Noordervliet bedient sich einer leidenschaftlichen, mitreißenden Sprache, sie versteht es Spannung aufzubauen und die Handlung ihrem Höhepunkt entgegenzutreiben, um letztlich mit einem höchst raffinierten Ende sämtliche Spekulationen ihrer LeserInnen zu pulverisieren. Historischer Abenteuerroman und exotischer Krimi in einem, bietet diese Erzählung intelligente Unterhaltung auf hohem Niveau und übt pointiert Gesellschaftskritik. Sehr zu empfehlen.

Michaela Grames / biblio

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Zeruya Shalev: Späte Familie

: Roman / Zeruya Shalev. Aus dem Hebr. von Mirjam Pressler. - Berlin : Berlin Verl., 2005. - 580 S. ISBN 3-8270-0474-8 fest geb. : ca. € 22,70

Psychologisch raffinierter, unverblümter Roman über das qualvolle Ende einer gescheiterten Ehe und den steinigen Neuanfang einer Patchworkfamilie. (DR)

Nach den beiden international hochgelobten Romanen "Liebesleben" und "Mann und Frau" legt die israelische Autorin mit "Späte Familie" den letzten Teil ihrer großen Trilogie über die moderne Liebe vor. Dass nicht alles, wovon wir träumen, in der Realität das Ideal ist, erfährt die Protagonistin Ella schmerzhaft am eigenen Leib. Mutig und radikal setzt die selbstbewusste Archäologin ihrer quälenden Ehe ein Ende und bleibt vorerst als Alleinerzieherin eines Sohnes zurück. Rasch trüben Ängste, Zweifel und Gewissensbisse das anfängliche Freiheitsgefühl. Dennoch geht Ella mit ihrer neuen Liebe (einem Psychiater!) das Risiko einer "späten" Familie ein, eine Entscheidung, die allen Beteiligten vieles abverlangt... Keine billige Ratgeberliteratur und gewiss mehr als eine starke Frauengeschichte verbirgt sich hinter diesem umfangreichen, psychologischen Roman, der die Verletzungen, Sehnsüchte, Träume und Illusionen einer in die Krise geratenen, selbstbewussten Frau intelligent und schonungslos analysiert. Politische Hintergründe werden nur angedeutet, Shalev widmet sich in erster Linie den privaten Dingen des Lebens. Shalevs Erzähltempo ist trotz langer, beistrichbeladener Sätze rasant, die Sprache ist metaphernreich, direkt und entwickelt eine starke Sogwirkung. Der Roman vermag die Sehnsucht des Lesers nach einem neuen, anderen Leben zu stillen. Shalev gelingt es, den Spannungsbogen bis zur letzten Seite aufrecht zu erhalten. Ihre Figurenzeichnung ist sehr differenziert und plastisch. Der Leser wird durch das Wechselspiel von Gut und Böse permanent dazu genötigt, Position zu beziehen, es ist schier unmöglich eine distanzierte Haltung zu bewahren und nichts über sich selbst zu erfahren. Die geglückte deutsche Übersetzung stammt wiederum von der Kinderbuchautorin Mirjam Pressler. Ein Roman, bei dem keineswegs nur Frauen und Hobbypsychologen ins Schwärmen geraten!

Elisabeth Zehetmayer / biblio

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Sigrid Laube : Aber Mozart!

: Roman über das Wunderkind W. A. Mozart / Sigrid Laube. - Wien : Ueberreuter, 2005. - 183 S. ISBN 3-8000-5171-0 fest geb. : ca. € 12,95

Über die Kindheit, das Talent und das familiäre Umfeld des jungen Mozart. (ab 10) (JE)

In leichtem und humorvollem Erzählstil berichtet die Autorin Sigrid Laube anhand von einzelnen Episoden aus dem Leben des Wunderkindes Wolfgang Amadeus Mozart. Sie schreibt über Mozarts freche, ehrliche und aufgeweckte Art, sein außergewöhnliches Talent und seine musikalische Begabung. Durch zahlreiche Dialoge und anschauliche Schilderungen bringt sie den Leser mitten ins Geschehen. Er wird stiller Beobachter des Ehrgeizes von Mozarts Vaters, der mit der ganzen Familie und dem kränklichen Sohn weite Konzertreisen von Hof zu Hof unternimmt, und der Eifersucht seiner um fünf Jahre älteren Schwester Nannerl, die immer im Schatten ihres kleinen Bruders steht. Die Szenen sind immer wieder mit Textzeilen aus Briefen und witzigen Begebenheiten geschmückt. So wird erzählt, dass Mozart während eines privaten Klavierkonzerts vor der Kaiserfamilie Maria Theresia auf den Schoß kletterte und ihr ganz spontan einen Kuss auf die Wange drückte. Die Beschreibungen des alltäglichen Lebens und der umständlichen Reisen der Familie Mozart mit der Postkutsche geben einen interessanten Blick auf die Zeit. Durch die Sprache in den Dialogen wird eine historische Atmosphäre vermittelt. Zeittafel, Personenregister und Erklärung der musikalischen Fachbegriffe im Anhang geben weiterführende Informationen. Von den zum Mozartjahr erschienenen Büchern ist dieses sicher eines der außergewöhnlichsten. Leicht und humorvoll zu lesen, ist es bereits für Kinder sehr empfehlenswert.

Stefanie Preiner / biblio

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Moritz Neumann: Shabbat Shalom

: Streifzüge durch die jüdische Welt / Moritz Neumann. Hrsg. von Lothar Bauerochse und Klaus Hofmeister und dem Landesverband der Jüdischen Gemeinden in Hessen. - Würzburg : Echter, 2005. - 229 S. - ISBN 3-429-02727-6 fest geb. : ca. € 17,30

Eine lebendige Hinführung zum Judentum. (PR)

Papst Johannes Paul II nannte die Juden die "älteren Geschwister" der Christen. Doch besonders viel wissen diese nicht über sie. Wer seine Kenntnisse auf den richtigen Stand bringen möchte, sollte hier zugreifen. Das Buch, das aus einer Sendereihe des Hessischen Rundfunks hervorgegangen ist, erzählt in überschaubaren Abschnitten von jüdischen Festen, Bräuchen und Alltagsritualen, spricht sozialethische Themen an wie Tierschutz, Schächten, Euthanasie und Todesstrafe und geht ein auf das jüdische Selbstverständnis nach der Shoa und auf die Wandlungen, die sich für die Juden durch die Zuwanderung ergeben. Es vermittelt einen farbigen Eindruck vom jüdischen Leben und ist durch seinen lebendigen Stil angenehm zu lesen. Alles in allem - eine ideale Informationsquelle, der eine große Leserschaft zu wünschen ist. Für alle Öffentlichen Bibliotheken!

Hanns Sauter / biblio

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Johann Grolle (Hrsg.): Evolution

: Wege des Lebens / hrsg. von Johann Grolle für das Deutsche Hygiene-Museum Dresden. - München : Deutsche Verlags-Anstalt, 2005. - 224 S. : Ill. (farb.) - ISBN 3-421-05904-7 fest geb. : ca. € 20,50

20 erhellende Aufsätze über die Entwicklung des Lebens. (NA)

Am Deutschen Hygiene-Museum in Dresden findet von September 2005 bis Juli 2006 eine Ausstellung zum Thema "Evolution. Wege des Lebens" statt. Das zugehörige und gleichnamige Buch enthält 20 Aufsätze von renommierten Forschern und Wissenschaftsjournalisten und ist wie die Ausstellung thematisch in drei Teile gegliedert. Der erste beschäftigt sich mit den Mechanismen der Evolution: Wie konnte erstes, einfaches Leben entstehen und sich daraus diese Vielfalt entwickeln? Der zweite Teil ist ganz der Evolution des Menschen und seiner hervorstechenden Eigenheiten gewidmet: Wie entwickelten sich aufrechter Gang, die menschliche Sprache, unser kulturelles Schaffen, aber auch unsere Mordlust? Die Aufsätze des letzten Drittels sind in die Zukunft gerichtet und versuchen vor allem den Einfluss des Menschen auf den Lauf der Natur zu beleuchten. Wie kam es zur Häufung von weltumspannenden Epidemien in den letzten drei Jahrzehnten? Welche Chancen und Risiken gehen mit der modernen Gentechnologie einher? Wird es je Genmanipulationen am Menschen geben? Dieses Buch ist vor allem deshalb zu empfehlen, weil es das übliche Basiswissen über die Evolution mit höchst interessanten Theorien und Forschungsergebnissen erweitert. Die Autoren - allesamt Experten auf ihrem Gebiet - schaffen es, die Einblicke in die neuesten Erkenntnisse ihrer Wissenschaft trotz des anspruchsvollen Themas verständlich und klar zu transportieren.

Lukas Schmuckermair / biblio

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