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Buchtipps / 2005 / Juni

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Janet Tashjian: Cinnamon Girl

/ Janet Tashjian. - Hamburg : Dressler, 2005. - 251 S. - Dt. von Frank Böhmert ISBN 3-7915-1993-X fest geb. : ca. € 14,30

“I could be happy the rest of my live with a Cinnamon Girl.” Dieserart hat Rock-Legende Neil Young einst die große Liebe beschworen. Mit ihren langen roten Locken und ihrem sommersprossigen Gesicht erinnert Becky den gut aussehenden Kip sofort an ein solches zimtiges Wesen. Und auch die große Liebe scheint sich anzubahnen: Kip schafft es, immer da zu sein, ist aufmerksam, charmant und voller Ideen, wie er Becky seine Zuneigung bezeugen kann. Fast unbemerkt schleicht sich für die Ich-Erzählerin Becky ein Gefühl der Überforderung ein, ein Gefühl der Enge und Ausschließlichkeit, mit der Kip ihre Beziehung leben will. Ist er ihr nicht wichtig genug, um alles mit ihm zu teilen? Was vorerst als zermürbende Beziehungskiste erscheint, erhält rasch Eigendynamik: Permanente Kontrolle, ein Übergriff, ein Befreiungsversuch, Trennung, Therapie. Wie aber mit dieser Lücke umgehen, die Kip hinterlässt? Janet Tashjian gelingt es, ihre Geschichte nicht der Erkenntnis zu verpflichten, sondern vielmehr der Ehrlichkeit ihren Figuren gegenüber. Und so beobachtet man tief bewegt, wie Becky doch noch ins Unheil rennt. Vom Textverlauf grafisch abgesetzt, werden Tagebuchnotizen beider Hauptfiguren mit eingebunden. Perspektiven und Standpunkte werden damit nicht verständlicher, aber deutlich relativiert. Janet Tashjian erzählt von einem brisanten Thema. Aber gerade, indem die das vor dem Hintergrund einer jugendlichen Comedy-Szene erzählt, zeigt sie, dass einem Jugendbuch nicht sofort das Stigma des Problemorientierten anhaften muss, nur weil nicht PartyPartyParty geschildert wird. Zu empfehlen ab 14 Jahren. Heidi Lexe / STUBE

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Peter Stamm / Jutta Bauer: Warum wir in der Stadt wohnen

/ Peter Stamm ; Jutta Bauer. - Weinheim : Beltz&Gelberg, 2005. - 42 S. : zahlr. Ill. (farb.) ISBN 3-407-79875-X fest geb. : ca. € 18,-

Den einen erscheint es alltäglich, dass ein Haus vier Ecken und das Jahr vier Jahreszeiten hat. Für andere jedoch liegen in diesem Raum und Rhythmus die Möglichkeit, endlich zur Ruhe zu kommen und seinen Platz zu finden. Davor nämlich liegen 17 andere Varianten des Wohnens, die auch einem ganz anderen Rhythmus verpflichtet waren: Dem Gefühl nämlich, permanent angezählt zu werden, und dann wie der geschlagene Boxer in eine neue Arena wechseln zu müssen. Bestimmt werden diese 17 Wohn-„Orte“ von der Lust am Gedankenverlorenen ebenso wie vom Versuch, das Denkbare ebenso wie das Undenkbare auszuformulieren. Und so wohnt man im Trolleybus oder auf dem Dach der Kirche, aber auch im Inneren einer Geige oder gar im Nirgendwo. Assoziativ werden Details der Örtlichkeit vermengt mit dem jeweiligen Wohnerlebnis und von Jutta Bauer in pastellerne Bilder übertragen. Sie gibt der Phantasie Raum und erzählt von den kleinen Widrigkeiten und Traurigkeiten, die in den Geschichten innewohnen. Dem Bedürfnis permanenter Bewegung und Raumerkundung der Erlebnisgesellschaft stellen Peter Stamm und Jutta Bauer Bilder und Geschichten über das Verloren-Sein im Raum gegenüber. Die darin enthaltene Verlangsamung führt natürlich zu Frage der Zielgruppe. Aber wer will die bei einem so schönen Buch schon wirklich kennen? Zu Empfehlen ab 9 Jahren, zum Vorlesen und gemeinsam Lesen ab 6.

Heidi Lexe / STUBE

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Patricia Josefine Marchart: Jemand

: Roman / Patricia Josefine Marchart. - Salzburg : Jung und Jung, 2005. - 165 S. ISBN 3-902144-89-0 fest geb. : ca. € 19,50

Wunderbar leichtes Buch über die schwerste aller Lebensfragen. (DR)

Wie lebt man fort, wenn einem ein knackiger polnischer Sportler unter den massagegeübten Händen wegstirbt? Dieser zugegeben nicht alltägliche Fall markiert für die Romanheldin den Ausgangspunkt einer existentiellen "tour de force". Wie findet man seinen Platz in der Welt? Und vor allem: Wie macht man sein Leben zu einem glücklichen? Patricia Marcharts erster Roman ist das Tagebuch einer jungen Frau, die sich "auf die Schliche kommen" will. Sie erinnert in ihrer Schrulligkeit an die Protagonistin in Annette Pehnts "Insel 34", wie überhaupt die beiden Bücher eine atmosphärische Ähnlichkeit aufweisen. "Jemand" ist fünfaktig wie ein klassisches Drama, mit dem Unterschied, dass am Ende alles gut ausgeht. Das Buch überzeugt von der ersten bis zur letzten Seite. Hervorragend komponiert, wird es von einer immensen inneren Spannung getragen. Die junge Frau gelangt in Stationen zum Glück; das zweite Kapitel ist ein Vanitas-Stillleben, das letzte eine Mittelmeeridylle. "Jemand" ist ein realistischer Roman mit so lebensnahen, gut beobachteten und zugleich originellen und skurrilen Ausblicken und Einsichten, dass man sich wünscht, er ginge nie zu Ende. Der Weg zum Glück führt für die Protagonistin über Leichen. Am Ende wartete ein eiswürfelgekühltes Limonetta-Getränk.

Kristina Werndl / biblio

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Catherine Rey: Was Jones erzählt

/ Catherine Rey. - Zürich : Unionsverl., 2005. - 265 S. Aus dem Franz. von Claudia Kalscheuer ISBN 3-293-00347-8 fest geb. : ca. € 19,90

Farbenprächtiges Drama vor australischer Kulisse - Aufstieg und Niedergang einer Zirkusdynastie. (DR)

Hereinspaziert, hereinspaziert! Hören Sie die schier unglaubliche Geschichte der Familie Nagalingam. Mit Jones hat die Autorin eine phantasievolle Figur im Stil eines Legendenerzählers geschaffen. Kleine Puzzleteilchen fügen sich in seinem verwinkelten Geschichtenlabyrinth zu einem überwältigenden Resultat zusammen. Der greise Tarcisius Nagalingam, ein einst stolzer und angesehener Zirkusdirektor, lebt verarmt umgeben von seiner Frau und drei missratenen Söhnen im Nirgendwo nahe der australischen Wüste. Magnolita Rosaria, sein geldgieriges Weib und größter Feind, sehnt seinen Tod herbei, um in der Witwenschaft endlich ein neues Leben zu beginnen. Die Söhne, verdorben und fanatisch die beiden älteren, dumpf und phlegmatisch der jüngste, sind nach Jahren in der Fremde an Mutters Herd zurückgekehrt. Gewalt und Wahnsinn säumen ihren Lebensweg. Magnolita Rosaria, die vom Schicksal enttäuschte, einstige Königin der Lüfte, grazil und von gekrönten Häuptern angebetet, hadert als wandelnder Fleischkloß mit ihrem Schicksal - ihr Frust entlädt sich über ihren "Lieben". Mit über 100 Jahren vegetiert Tarcisius als lebender Leichnam, von der Familie misshandelt und gehasst, auf der Veranda vor sich hin. Die ungeliebte Schwiegertochter hält man in einem Verschlag gefangen. Die Urgewalt, mit der sich die Gefühle in diesem Roman entladen, die unglaubliche Intensität, mit der das Leben im trostlosen australischen Kaff erzählt wird, lassen einen erschaudern. Sprachlich und erzählerisch großartig (ein Meisterstück auch die Übersetzung von Claudia Kalscheuer). Lesen, eintauchen und staunen!!

Barbara Rieder / biblio

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Philippe Ségur: Yagudins Rückkehr

: Roman / Philippe Ségur. - Wien : Picus, 2005. - 232 S. Aus dem Franz. von Natalie Freund-Giesbert ISBN 3-85452-488-9 fest geb. : ca. € 19,90

Rabenschwarze, hintergründige Erzählung über die Macht der Imagination. (DR)

Nichts ist, wie es scheint, in dieser Erzählung - scheinbar Reales wird irreal, Schicksale verkehren sich in ihr Gegenteil, Existenzen lösen sich in Nichts auf. Nils Immarskjöld Dugay, Rechtsprofessor in Toulouse, glücklich verheiratet und Vater zweier entzückender Töchter ist Hauptfigur dieses Romans. Alles in seinem Leben scheint geregelt, ein ereignisloser Tag gleicht dem anderen - wäre da nicht die alte nordische Sage von Yagudin, die er seinen Kindern jeden Abend erzählt. Als die mythische Figur mehr und mehr von Dugays Gedanken Besitz ergreift, läuft sein Leben aus dem Ruder. Autor Ségur spielt in diesem Roman mit Realität und Imagination, er erzählt eine spannende Geschichte, die sich anfänglich auf zwei Ebenen - der des Lebens des gelangweilten Professors und der der geheimnisumwobenen Saga von Yagudin - abspielt. Als sich die beiden Erzählstränge immer mehr ineinander verstricken, kommt es zu einer spektakulären Wende und die Dinge verkehren sich auf faszinierende Weise in ihr Gegenteil. Ségur ist ein Meister des Erzählens und der Wortspielereien und er hat einen spannenden, hochintelligenten Roman geschrieben, der - Psychothriller und Schicksalsdrama zugleich - die Leserschaft in seinen Bann ziehen und bis zur letzten Seite immer wieder überraschen wird.

Michaela Grames / biblio

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Martin Stangl: Martin Stangls Gartenratgeber

/ Martin Stangl. - München : BLV, 2005. - 255 S. : zahlr. Ill. (farb.) ; 26,5 cm ISBN 3-405-16685-3 fest geb. : ca. € 10,30

Ratgeber, der Lust auf Kirschen im eigenen Garten macht. (NL)

Früher bepflanzten Menschen mit grünen Daumen ihr Anwesen, andere hielten sich Petersilie am Fenster und was mit dem Besitzer eines kleinen, grünen Kaktusses passierte, wurde auflagenstark besungen: Sie alle kamen ohne Gartenbücher aus. Heute wächst die Produktion an selbigen ungehemmt und werbekräftig vermarktet auf die mittlerweile unkundiger gewordenen grünen Daumen zu. Der vorliegende Band ist nicht nur auffallend günstig, er ist dazu auch noch wohltuend klar und deutlich geschrieben und nimmt seinen Platz nicht neben Prunkbänden zum Thema Garten im Bücherregal ein, sondern wird am besten gleich neben die Gartenhandschuhe auf Balkon oder Gartenhäusl gelegt. Was BibliothekarInnen vielleicht beunruhigt, denn sie wollen diesen Begleiter "Vom Nichts zum grünen Paradies" ja wohlbehalten zurückbekommen: Kaufen Sie ihn, zeigen Sie Ihren LeserInnen wie günstig und gut layoutiert Informationen über Wegebau und Wegeeinfassungen, hin zu der richtigen Grundausstattung, weiter zur Anzucht von Gemüsepflanzen und Blumen und vorbei an der fachmännischen Bodenanalyse, den Stauden, Zwiebel- und Knollenpflanzen sein kann. Sie und Ihre LeserInnen kommen schließlich an: bei einem wohl konzipierten Garten bzw. einem wunderschönen Gärtchen. Dieses Buch mit den übersichtlichen Tabellen über Schädlinge und Krankheiten, dem praktischen Arbeitskalender sowie den Bezugsquellen, Spezialgärtnereien sowie dem Stichwortverzeichnis im Anhang macht die Stacheln der Rosen erträglich und das Gärtnern zum Vergnügen. Sehr zu empfehlen.

Christina Gastager-Repolust / biblio

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Das Buch Österreich

: Texte, die man kennen muss / hrsg. von Hans Rauscher. - Wien : Brandstätter, 2005. - 608 S. ISBN 3-85498-391-3 fest geb. : ca. € 29,90

Hausbuch für gelernte und noch auszubildende Österreicher. (PL)

Gedenkjahre haben auch ihr Gutes. Dieses Buch etwa, das zur (Wieder-)Entdeckung Österreichs beitragen könnte. Der Journalist Hans Rauscher hat Klassisches, Vertrautes, aber auch Kritisches und noch zu wenig Rezipiertes zu Geschichte, Mentalität und BewohnerInnen des Landes zusammengetragen und geschickt aufbereitet, jeweils versehen mit hinführenden Hinweisen, und ebenso intelligent komponiert. In zehn Kapiteln erfolgt eine Art Selbstvergewisserung anhand von so unterschiedlichen Texten wie historischen Dokumenten, Volksliedern, literarischen Texten, Essays und politischen Statements. Die Bandbreite der Aussagen reicht von Verklärung und Idylle über differenzierte Analysen bis zu Verdammung, Vorurteil und Schelte. Offizielle RepräsentantInnen und KritikerInnen kommen zu Wort, auch historisch Peinliches und Beschämendes wird nicht unterschlagen. Die Kapitel sind - nach einem Vorwort und einem Abschnitt über das konstant ambivalente Wesen der Bewohner dieser Gegend - chronologisch aufgebaut und das umfangreiche Buch endet mit der Präambel und Zielformulierungen der EU-Verfassung sowie einem abschließenden Beitrag des derzeitigen Bundespräsidenten. Dieses Buch müssten Österreicherinnen und Österreicher auf eine Insel mitnehmen, wenn sie nur eines zur Auswahl hätten. Standardwerk für alle Bibliotheken und historisch Interessierte. Dringend empfohlen.

Fritz Popp / biblio

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Christoph Schönborn: Wovon wir leben können

: das Geheimnis der Eucharistie / Christoph Schönborn. Hrsg. von Hubert Philipp Weber. - Freiburg i. Br. : Herder, 2005. - 159 S. : Ill. ISBN 3-451-28602-5 fest geb. : ca. € 15,40

Eine vielschichtige Heranführung an das Wesen und die Bedeutung der Eucharistie. (PR)

„Nehmt und esst; das ist mein Leib. [...] Trinkt alle daraus; das ist mein Blut.“ Ähnlich wie hier bei Matthäus finden sich die Abendmahlworte Jesu auch bei Markus, Lukas und im 1. Brief an die Korinther. Das Unglaubliche dieser Sätze ist gleichermaßen zum Zentrum wie zum bleibenden Geheimnis des katholischen und orthodoxen Glaubens geworden. Der Wiener Kardinal Schönborn hat sich im „Jahr der Eucharistie“, das von Papst Johannes Paul II. für die Zeit von Oktober 2004 bis Oktober 2005 ausgerufen wurde, in Katechesenvorträgen des Themas der „Eucharistie“ angenommen. Der vorliegende Band bietet, herausgegeben von Hubert Philipp Weber, eine schriftliche Zusammenstellung dieser Vorträge. Die Stärke dieses Bandes ist es, dass Religionsgeschichtliches, Theologisches und Mystisches in einer erklärenden und angenehm unakademischen Sprache mit heutiger Lebenserfahrung in Beziehung gesetzt wird. Man spürt sich freundlich an der Hand genommen und begleitend herangeführt an die zentrale Bedeutsamkeit der Eucharistie. Schönborn erläutert die jüdische Herkunft des Pesach-Mahles und geht der Frage nach, wie Jesus selbst das Abendmahl gefeiert hat. Es folgen die Wandlung von Brot und Wein in Leib und Blut Christi, seine Präsenz in diesen Gestalten und der bleibende Auftrag, in seinem Gedächtnis dieses Fest zu feiern. Sinn und Praxis des Kommunionsempfanges und Problemkreise rund um die Zulassung zur Mahlgemeinschaft und ökumenische Trenn- und Berührungspunkte schließen den Band. - Allen Bibliotheken nachdrücklich empfohlen.

Reinhard Ehgartner / biblio

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