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Buchtipps / 2005 / Jänner

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Isabel Abedi: Hier kommt Lola

Band 1 / Isabel Abedi. Mit Ill. von Dagmar Henze. - Bindlach : Loewe, 2004. - 185 S. : Ill. ISBN 3-7855-5169-X fest geb. : ca. € 10,20

Vom Wunsch nach einer besten Freundin. (ab 8)

Lola ist neun Jahre alt und ist mit ihrer Familie nach Hamburg gezogen: ihre Familie, das sind ihre Mama, ihr brasilianischer Papa, ihre kleine Tante, Oma und Opa. Wenn sie abends nicht einschlafen kann, dann verwandelt sie sich immer in die 15jährige Sängerin Jacky Jones, die mit ihren Popkonzerten wahnsinnig erfolgreich ist.Doch nun muss sie in eine neue Schule gehen und sie kennt dort noch niemanden. Sie hätte so gerne eine beste Freundin, doch in der Schule gibt es nur Flo, die so unangenehm nach Fisch stinkt. Und die anderen Mädchen interessieren sich nicht wirklich für sie. Als sie beim Schulfest mit Gas gefüllte Luftballons steigen lassen, schreibt sie ihre Adresse und ihren größten Wunsch auf einen Zettel und hängt ihn an den Luftballon und schickt ihn auf die Reise. Und tatsächlich erhält sie ungewöhnliche Antwort und die Erfüllung ihres Wunsches scheint in greifbare Nähe gerückt zu sein. Als ich das gänzlich rosarote Buch sah, dachte ich mir, das wird eine typische Mädchengeschichte sein, und wollte das Buch schon weglegen. Aber was ist schon typisch? Und schon nach den ersten Seiten war ich sehr positiv überrascht und das Buch war sehr bald ausgelesen. Nicht nur Lolas Geschichte steht im Vordergrund; es werden auch Ururteile, wie Ausländerfeindlichkeit thematisiert. Für junge Leserinnen ab 8 Jahren sehr zu empfehlen!

Irmgard Preißler / biblio

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Alyssa Brugman: Zeig dein Gesicht

München : Hanser, 2004. - 188 S. Aus dem austral. Engl. von Ulli und Herbert Günther ISBN 3-446-20519-5 fest geb. : ca. € 15,40

Über Gruppenzwang und Freundschaften. (ab 12)

In jeder Schule und in jeder Clique gibt es Außenseiter. Sie haben immer irgendein Merkmal, das die Gruppe ablehnt. Auch bei Perdita ist das so. Obwohl sie niemand wirklich kennt, gilt sie als der "Freak" in der Schule. Sie wird gemieden, es wird alles mögliche über sie behauptet, obwohl genau genommen keiner weiß, ob diese Dinge überhaupt stimmen. Megan ist das genaue Gegenteil zu Perdita, sie ist der Star der Schule, sie schaut gut aus, ist gescheit und sehr kritisch, sie gehört zu einer Clique, die sich ihre Mitglieder sehr gezielt aussucht. Durch einen Zufall muss die sonst so strebsame Megan nachsitzen, ausgerechnet gemeinsam mit Perdita. Durch diese erzwungene Situation entwickelt sich fast so etwas wie eine Freundschaft zwischen diesen zwei völlig konträren Personen. Obwohl Megan immer mehr von Perdita fasziniert ist, sich sogar privat mit ihr trifft, hält sie diese Beziehung völlig geheim vor ihrer Clique. Sie ist in einem ständigen Konflikt zwischen dem, was sie eigentlich möchte, und dem was die Gruppe vorschreibt. Diese innere Zerrissenheit führt schließlich in eine folgenschwere Entscheidung. Cliquenbildung, Gruppenzwang und Außenseitertum betrifft wohl alle Jugendlichen irgendwann einmal. Für Leser aus dem europäischen Kulturraum ist aber sicher manchmal die Identifikation schwierig, da diese besondere Form der Cliquenbildung eher typisch ist für den amerikanischen und australischen Raum. Ein wenig störend empfand ich auch, dass bis auf Perditas Eltern alle Eltern Akademiker waren, die in wissenschaftlichen Randbereichen forschten. Auch die eingeflochtenen Gedichte und die Anmerkungen zur Bedeutung von Lyrik erscheinen mir etwas zu pädagogisierend. Trotz allem halte ich "Zeig dein Gesicht" für ein hervorragendes und sehr empfehlenswertes Buch zu einem immer aktuellen Thema.

Uschi Pirker / biblio

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Leonie Osswoski: Der einarmige Engel

Roman / Leonie Ossowski. - München : Piper, 2004. - 317 S. ISBN 3-492-04629-0 fest geb. : ca. € 20,50

Die Berliner Mauer fällt - Schicksale zwischen Ost und West.

Die Zwillinge Conrad und Ludwig von Scherkow müssen im Kindesalter 1945 vor der herannahenden Roten Armee aus Brandenburg flüchten und verlieren Besitz und Heimat. Conrad, der Ältere, ist im Westen als Landwirt glücklos, auch seine Ehe scheitert, sein Sohn Carl geht nach Kanada. Ludwig, der Jüngere, ist als Geschäftsmann erfolgreich, vermögend, glücklich verheiratet, sein Sohn Moritz geht seine eigenen Wege. Plötzlich im November 1989 fällt die Berliner Mauer. Der Weg in die alte Heimat ist wieder offen. Und sofort versuchen beide unabhängig voneinander Fuß zu fassen. Von den Einwohnern belächelt, von ihren Familienangehörigen abgelehnt, kämpfen sie um ihr Erbe. Aber alles ist anders. Ist Recht nicht mehr Recht? Einfühlsam und gefühlsbetont wird das Aufeinanderprallen zweier Welten, die unterschiedlicher nicht sein könnten, geschildert. Die Mentalitätsunterschiede zwischen Ossis und Wessis werden beleuchtet und stellen fast unüberwindbare Hürden dar. Carl wird von den Ereignissen in sonderbarer Weise berührt und erfasst. Letztendlich kommt man sich näher und eine glückliche Fügung führt zu einem annähernd versöhnlichen Schluss. Interessant und spannend recherchiert wird ein Kapitel der aktuellen Zeitgeschichte in einen Roman verpackt, der die verschiedenen Sichtweisen und die damit verbundenen Schwierigkeiten darlegt. Allen Bibliotheken sehr zu empfehlen.

Maria Dorrer / biblio

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Tajjib Salich: Sains Hochzeit

Roman aus dem Sudan / Tajjib Salich. M. e. Nachw. von Hartmut Fähndrich. - Basel : Lenos-Verl., 2004. - 108 S. Aus dem Arab. von Regina Karachouli ISBN 3-85787-350-7 fest geb. : ca. € 14,90

Das Leben eines Eigenbrötlers in einem sudanesischen Dorf.

Sain nimmt in seinem sudanesischen Dorf eine Sonderstellung ein. Körperlich ein wenig verwachsen und mit nur zwei Zähnen im Mund halten ihn die Bewohner für etwas beschränkt, necken ihn fortwährend und sind an seine Eskapaden und Streiche mit den Mädchen und Frauen gewöhnt. Gleichwohl ist er bei allen beliebt und immer für einen Plausch willkommen, weil er nicht nur die Männerrunden in Heiterkeit versetzt, sondern auch die zahlreichen Hochzeitsgesellschaften. Denn Sain verliebt sich fortwährend, verkündet diese Neuigkeit lauthals überall und lenkt damit die Aufmerksamkeit der jungen Männer auf das Mädchen. Er wird dadurch zum Gespött der Leute, was ihn jedoch nicht davon abhält, auf der Hochzeit seiner Angebeteten mit einem anderen am lautesten zu singen und am wildesten zu tanzen. Andererseits pflegt Sain einen innigen Umgang mit dem Asketen Hanin, was ihm im Dorf einen gewissen Respekt verschafft. Dieser prophezeit ihm eines Tages die Hochzeit mit "dem besten Mädchen des Dorfes", was jung und alt in helle Aufregung versetzt. Tajjib Salich liefert in diesem schmalen Büchlein die hinreißend komische Schilderung des Lebens eines Außenseiters in einem sudanesischen Dorf, der trotz Armut und Behinderung die Sonnenseite des Lebens zu genießen und auch zu verschenken weiß. - Eine Schmunzellektüre für einen Abend.

Hertwiga Kröss / biblio

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Elisabeth Bowen: Kalte Herzen

: Roman / Elizabeth Bowen. - Frankfurt a. M. : Schöffling & Co., 2004. - 470 S. Aus dem Engl. von Sigrid Ruschmeier ISBN 3-89561-243-X fest geb. : ca. € 25,60

Ein beeindruckendes und bedrückendes Porträt einer englischen Familie.

Portia ist unerwünscht. Ein unstandesgemäßes Kind, Frucht einer Liaison ihres alternden Vaters mit einer jungen Geliebten. Von der ersten Frau zu Scheidung und neuer Heirat gedrängt, driftet er, heimatlos und unstet, mit der neuen Frau durch schäbige Pensionen und Hotels. Mit seinem Tod und dem seiner Frau tritt ein letzter Wunsch in Kraft: Portia soll bei ihrem Halbbruder Thomas und deren Frau Anna aufgenommen werden, für ein Jahr nur. So kommt die sechzehnjährige Waise in das herrschaftliche Haus ihres Bruders, in eine kalte Atmosphäre der nichtausgesprochenen Gedanken, von Gesprächen, die aneinander vorbeiführen, von Leben, die sich nicht berühren wollen. Man lebt nebeneinander, nicht miteinander, und erwartet von Portia, sich einzufügen, ihrer Aufnahme dankbar zu sein und sich nicht über ihre Herkunft und Stellung Gedanken zu machen. Doch Portia eckt an, mit ihrem Bedürfnis nach Verstandensein, Akzeptanz und unbedingten Gefühlen, mit ihrer Liebe zu Eddie, der auf seine Weise auch ein unverstandener Mensch ist, in ihr aber nicht mehr sieht als ein süßes Mädchen und sich auf seine kapriziösen Neurosen fixiert. Ob er ihr dennoch einen Ausweg zeigen kann - es bleibt am Leser zu entscheiden, wo Portia am Ende des Romans wirklich steht. "Kalte Herzen" von Elizabeth Bowen ist ein ausgefeilter Familienroman, der auch sprachlich den Leser in seinen Bann zu ziehen versteht. Die Sätze bestechen durch detailgetreues Beobachten und analytische Schärfe, die menschliche Motivationen schonungslos offenlegen. Dabei lassen diese Betrachtungen jedoch nie die menschliche Perspektive vermissen. Scheinbar mühelos scheint es Bowen darüber hinaus gelingen, Alltäglichkeiten einen Hauch des Poetischen zu verleihen, Stimmungsbilder in ergreifender Natürlichkeit zu zeichnen. Keine vordergründig heitere Lektüre, jedoch mit einem feinen Hauch von Ironie. Lohnenswert.

Eva Unterhuber / biblio

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Hubertus Halbfas: Das Christentum

erschlossen und kommentiert von Hubertus Halbfas. - Düsseldorf : Patmos, 2004. - 591 S. : zahlr. Ill. (z.T. farb.) ISBN 3-491-70377-8 fest geb. : ca. € 59,70

Eine inhaltlich anregende und gut lesbare Darstellung der Geschichte des Christentums.

Vorweg: Die Leserinnen erwartet keine chronologische Abfolge der Ereignisse der 2000jährigen Geschichte des Christentums; vielmehr orientiert sich Halbfas an bestimmten Kernthemen, die er je neu in Längsschnitten entfaltet. Naturgemäß beginnt der Autor mit Jesus von Nazaret und den Anfängen der Urgemeinde, um mit den Themen Kirche und Staat, Juden, Krieg, Klöster, Mission, Nächste, Gott, Ketzer, Kirche, Kult, Frauen, Volksreligion und Lehre fortzusetzen. In einer differenzierten Betrachtungsweise, die das grundsätzlich Positive des Christentums immer im Auge hat, zeigt er dessen hervorragende Leistungen aber auch tragische Fehlentwicklungen sachlich und stets auf Grundlage des neuesten Forschungsstandes auf. Das Werk ist auch didaktisch gut strukturiert: Es bietet Informationen in thematischer Konzentration und dazu eine große Anzahl von erklärenden Werken der zeitgenössischen Kunst, bezieht sich oft auf Primärquellen und verhilft auch weniger Bekanntem zu einer bisher wenig beachteten Bedeutung. Zudem findet sich auf jeder Seite eine Randspalte mit nützlichen Informationen zu im Text angesprochenen relevanten Persönlichkeiten, Orten oder Gegenständen. Fazit: Ein anregend und übersichtlich gestaltetes, informatives und gut lesbares Buch über die komplexe Geschichte des Christentums.

Karl Krendl / biblio

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Richard Bletschacher: Mozart und Da Ponte

: Chronik einer Begegnung / Richard Bletschacher. - Salzburg : Residenz Verl., 2004. - 327 S. ISBN 3-7017-1364-2 fest geb. : ca. € 24,90

Doppelbiografie der beiden begnadeten Autoren, die ein Glücksfall zusammenführte.

Gleich im Vorwort entschuldigt sich Bletschacher, der Regisseur und ehemalige Chefdramaturg der Wiener Staatsoper, dass er dieses Buch nicht in erster Linie für die Bibliotheken geschrieben hat. Verbieten und vorenthalten wird man das klug und kenntnisreich geschriebene Werk den Lesern und Bibliothekaren dennoch nicht können, im Gegenteil. Der bayrisch-österreichische Mozart-Kenner und -Regisseur Richard Bletschacher versucht hier möglichst lückenlos zusammenzufassen, was zu den drei Opern des Dream-Teams Mozart und da Ponte einerseits von beiden selbst und andererseits von den Zeitzeugen geschrieben wurde. Daneben legt er die äußeren Umstände und Bedingungen einer der fruchtbarsten Epochen des Musiktheaters dar. Einprägsam und mit interessanten Details zum Wiener Musik- und Theaterleben der Regierungszeit des Sohnes Maria Theresias, hineinreichend in die Epoche der zwei nächsten Kaiser, beschreibt Bletschacher das Arbeitsleben, die Arbeitstechnik, die Querelen der beiden Autoren. Dabei knüpft er eng an die Standard-Biografie von Harald Goertz Mozarts Dichter Lorenzo Dan Ponte aus dem Jahre 1985 an, ebenso an Volkmar Braunbehrens' Mozart in Wien aus dem Jahr 1986. Nachdem sich das erste Kapitel mit Leben und Schaffen beider Ausnahme-Autoren widmet, handelt das zweite von den Werken Le nozze di Figaro, Don Giovanni und Cosi fan tutte. Im dritten werden informative Angaben zu den Sängerinnen und Sängern der italienischen Oper am Kaiserlichen Hoftheater in Wien vermittelt, und das vierte legt in einem Anhang weitere wesentliche, wenngleich eher spezielle Quellen dar, etwa die Textvarianten einer Wiener Dirigierpartitur des Don Giovanni oder da Pontes Verteidigungsschriften während seines Entlassungsverfahrens. Nach dem Lesen steht es um so mehr fest: es war ein großer Glückfall, der das gemeinsame Wirken zweier sehr unterschiedlicher Künstler unter der Schutzherrschaft eines kunstsinnigen Kaisers im Zeitalter der Aufklärung ermöglichte. Fazit Bletschachers: "Ohne diese drei alles überragenden, heute allgemein so genannten da Ponte-Opern wäre selbst Mozart nicht der große Musikdramatiker geworden, als der er heute verehrt wird". Es wäre also geradezu zu wünschen, dass das Buch in jeder Bibliothek seinen Platz finden möge.

Beate Hennenberg / biblio

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Wilfried Wichard / Wolfgang Weitschat: Im Bernsteinwald

Hildesheim : Gerstenberg, 2004. - 168 S. : überw. Ill. (farb.) ISBN 3-8067-2551-9 fest geb. : ca. € 36,00

Großartiger Bildband mit faszinierenden Aufnahmen von in Bernstein eingeschlossenen Lebewesen inklusive fundierter Erläuterungen.

Vor zirka 50 Millionen Jahren in einem Kiefernwald in den heutigen baltischen Staaten: Ein Langbeinfliegenmännchen umwirbt ein Langbeinfliegenweibchen und überredete es zu einem Hochzeitsflug. Doch noch während des Kopulierens passiert es: Ein Windstoß weht sie genau in einen Harztropfen, der aus der Rinde einer Pinus succinifera ausgetreten ist, wo sie kleben bleiben und von einem nachfolgenden Harztropfen eingeschlossen werden. Ob es nun Glück ist so zu sterben oder nicht: Das Schicksal und zahlreiche geologische Prozesse wollten es, dass dieser Tropfen trocknet und in Meeressedimenten so lange konserviert wird, bis eine Gruppe deutscher Wissenschafter das zu Bernstein gewordene Harz wieder findet, diesen schleift, poliert, das Liebespärchen fotografiert und die Aufnahme für uns Voyeure auf Hochglanzpapier drucken lässt. Seit mindestens 6000 Jahren sind Laien und Wissenschafter gleichermaßen vom Bernstein und seinen Inklusen, den eingeschlossene Lebewesen, fasziniert; sind sie doch Fenster in eine längst vergangene Welt. Das Buch bietet neben den faszinierenden Bildern auch sehr erhellende und wissenschaftlich fundierte Anmerkungen und Aufsätze zum Thema Bernstein und enthält auch praktische Anhänge, wie ein Glossar, in dem wichtige Fachbegriffe einfach erklärt werden, eine Tafel mit den Epochen der Erdgeschichte und einen interessanten Werkstattbericht über die Feinarbeit, die den beeindruckenden Aufnahmen vorangeht. Ein kleiner "Goldschatz" im Bildbandregal.

Lukas Schmuckermair / biblio

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