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Buchtipps / 2004 / Juni

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Shel Silverstein: Lafcadio

Ein Löwe schießt zurück. Deutsch von Harry Rowohlt. Fischer Schatzinsel 2004. 111 S., € 11,90 ISBN 3-596-85140-8

„Nein“, sagte der junge Löwe, „ich glaube nicht, dass ich da mitmache. [...] Ich glaube nicht, dass ich Dein Vorleger bin, ich glaube auch nicht, dass du ein übermäßig netter Jäger bist, und ich glaube, dass ich dich fressen werde.“ [...] Und das tat er dann auch. Nun, man hat nicht übermäßig Mitleid mit diesem Jäger. Das hatte man wohl schon 1987 nicht, als die Geschichte vom marshmallowliebenden Löwen aus der Feder von Shel Silverstein, dessen Bücher (allen voran „The giving Tree) wohl beinahe jedem amerikanischen Kind bekannt sind, erstmals erschien. Und in der Zeitschrift „Stern“ vorabgedruckt wurde. Nun liegt die von Harry Rowohlt in all ihren humorigen Facetten ins Deutsche übertragene, bitterböse Variante einer Domestizierung in einer Neuauflage vor. Und kann endlich wieder gelesen und von all jenen neu entdeckt werden, die noch nie davon gehört haben, dass Lebensentscheidungen dadurch bedingt sein können, dass Löwen an sich gut hören, sich aber nie die Ohren waschen, weil sie niemanden finden, der ihnen dafür Seife verkauft. Die Wandlung des Löwen vom Gejagten über den Meisterschützen eines Zirkus’ zum Jäger wird mit Sprachwitz erzählt und solange mit skurrilen Wendungen angereichert, bis der Löwe eigentlich nirgends mehr hingehören kann und alleine zurückbleiben muss. Eine von Silverstein in Bild und Text mit Euphorie und Trauer gleichermaßen erzählte Geschichte. Sehr zu empfehlen zum Vorlesen und Selberlesen ab 9 Jahren.

Heidi Lexe / STUBE

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Nicola M. Browne: Fuchsfrau

Roman. Aus dem Engl. von Klaus Weimann. München: dtv junior 2004. 362 S., € 8,80 ISBN 3-423-70847-6

Karen liegt im Koma, nachdem sie wegen einer Eifersuchtsgeschichte brutal misshandelt worden ist. Während ihre Großeltern voll Trauer und tiefer Verzweiflung über ihr wachen, scheint Karens Seele in eine andere Welt geraten zu sein, die sich ihr mit den völlig neuen Erfahrungen aus der Lebensperspektive ausgerechnet einer Füchsin erschließt. Gejagt von Hunden wird sie im letzten Moment von einem jungen Mann gerettet, der sie in weiterer Folge als Wesen zwischen den Welten, als sogenannten magischen Arl erkennt. Mit ihm gemeinsam wird sie in die politischen Verstrickungen einer Wendezeit und in lebensgefährliche Abenteuer hineingezogen. Sie beweist Mut und nimmt den Kampf auf, um in dieser anderen Welt ihr Recht und ihren Standpunkt zu vertreten – und auch zu ihrer Liebe zu stehen. Damit löst sie sich endgültig von der Welt der Großeltern; mit ihrer angeschlagenen Lebenskraft kann die Rückverwandlung in die menschliche Gestalt gerade noch gelingen. Eine gut erzählte, spannungsvolle Abenteuergeschichte mit phantastisch-mythischen Elementen, sehr zu empfehlen ab 13 Jahren und besonders geeignet für lange Regen- oder heiße Strandtage.

Inge Cevela / STUBE

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Filippa Sayn-Wittgenstein: Filippas Engel

: aus den Tagebüchern von Filippa Sayn-Wittgenstein / Filippa Sayn-Wittgenstein. Hrsg. von Alexander u. Gabriela Sayn-Wittgenstein u. Vittorio Mazzetti d'Albertis. - 2. Aufl. - München : Don Bosco Verl., 2003. - 208 S. ISBN 3-7698-1437-1 fest geb. : ca. € 15,40

Die Tagebucheintragungen von Filippa Sayn-Wittgenstein, die im Alter von 21 Jahren bei einem Verkehrsunfall tödlich verunglückte.

Etwa drei Monate nach Filippas Tod saß die Familie beisammen, nach wie vor geschockt über die Ereignisse, als die Haushälterin Filippas Tagebuch findet: es soll ihnen allen viel Trost spenden und über die schwierige Zeit hinweghelfen. Filippa beginnt ihre Aufzeichnungen im Alter von acht Jahren: es sind vor allem Eintragungen, die den Tagesablauf betreffen. Schon bald aber beginnt sie über Gott und die Welt nachzudenken und zu philosophieren. Sie ist unternehmungsfreudig, gesellig, reist viel und gerne. Natürlich bleibt auch die Liebe nicht auf der Strecke: so mancher Junge lässt ihr Herz höher schlagen. Filippa ist eine sehr vielseitig begabte, aufgeschlossene junge Frau und entschließt sich, in Florenz zu studieren, wo sie auch ihren zukünftigen Ehemann kennen und lieben lernt. Aber schon drei Monate nach der Hochzeit nimmt das große Glück ein abruptes Ende, als Filippa bei einem Verkehrsunfall in England tödlich verunglückt. "Filippas Engel" ist ein sehr persönliches Werk. Sowohl das Vorwort, das Filippas Mutter verfasste, als auch die abschließenden Kapiteln, in denen Filippas Ehemann sein Leben mit seiner Prinzessin schildert, sind sehr tiefgreifend und bewegend. Sie sind Zeugnis von Harmonie mit und großer Liebe zu einer jungen Frau, die ein kurzes aber intensives Leben leben durfte. - Für Jugendliche aber auch Erwachsene zu empfehlen!

Irmgard Preißler / ÖBW

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Michael Frayn: Das Spionagespiel

Roman / Michael Frayn. - München : Hanser, 2004. - 222 S. Aus dem Engl. von Matthias Fienbork ISBN 3-446-20455-5 fest geb. : ca. € 20,50

Im Krieg ist oberflächlich betrachtet kaum etwas geschehen in dem kleinen Villenvorort, in dem der Ich-Erzähler aufwuchs. Alles ging seinen normalen Gang der Zeit. Doch unter dieser trügerischen Oberfläche brodelt es. Einerseits spielen die beiden Freunde Keith und Stephen psychisch ausgefuchste Dramen, wie zum Beispiel, der Nachbar sei ein Mörder. Die Mutter von Keith sei eine Spionin, stellt der Sohn eines Tages fest. Je tiefer sie in ihre Vorstellungen eindringen , desto mehr Beweise erkennen die beiden, dass dem wirklich so sei. Nächtliche Beschattungstouren, Geheimverstecke, das Auffinden einer seltsamen Truhe mit Kleidungsstücken und anderes mehr lässt die Jungen immer mehr dran glauben, dass sie eine wertvolle Tätigkeit für ihr Vaterland ausüben, doch immer mehr wachsen ihnen die tatsächlichen Dinge über den Kopf. Keiths stolze, elegante Mutter scheint tatsächlich etwas zu verbergen und die zwei Buben geraten mit schrecklicher Unausweichlichkeit in Probleme, die sie nicht mehr bewältigen können. Dennoch können sie nicht im Mindesten erahnen, obwohl sie doch so viele Puzzleteile der Wirklichkeit herausgefunden haben, was hier vor sich geht. - Raffiniert, subtil, äußerst spannend und toll zum Lesen. Ein Gustostück eines Romanes als Mischung von Krimi, Thriller und Erinnerungen an die Kindheit.

Angela Zemanek-Hackl / ÖBW

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Unni Lindell: Nachtschwester

: Roman / Unni Lindell. - Frankfurt : Scherz, 2004. - 399 S. Aus dem Norweg. von Gabriele Haefs ISBN 3-502-10413-1 fest geb. : ca. € 20,50

Skandinavische Krimikost vom Feinsten: Ein spannender Fall, aufgeklärt von einem skurrilen, liebenswerten Kriminalkommissar.

Ein junges Mädchen verschwindet spurlos, wenig später wird seine Großmutter auf offener Straße brutal ermordet. Oslo steht ganz im Zeichen der bevorstehenden Kronprinzenhochzeit, doch der kauzige Kriminalkommissar Cato Isaksen muss sich auf zwei komplizierte Fälle konzentrieren, in denen es keinerlei verwertbare Spuren zu geben scheint. Doch Isaksen, ein Vollblutkommissar, dessen Schrullen und Macken den Leser/Innen alsbald ans Herz wachsen, lässt nicht locker und muss schließlich erkennen, dass er es mit einem unglaublichen, dunklen Geheimnis zu tun hat. Autorin Unni Lindell hat einen extrem spannenden Krimi geschrieben, dessen komplexe Handlung dem Leser/der Leserin wahrlich keine Sekunde Zeit zum Atem holen lässt, sie hat ein dichtes Handlungsnetz gewoben und geschickt jede Menge Spuren gelegt, so dass nicht nur Kommissar Isaksen, sondern auch der Leser/die Leserin bis zuletzt im Dunkeln tappen. Die Autorin steigert die Spannung geschickt bis zum finalen Höhepunkt, sie beherrscht einen rasanten Schreibstil und eine prägnante, messerscharfe Sprache und hat einen Thriller geschrieben, dessen Charaktere scharf konturiert sind, bis ins Innerste ausgeleuchtet werden, und authentisch wirken. Wer intelligente Krimis liebt, wird von diesem Buch, das den Vergleich mit großen skandinavischen Kriminalromanen nicht zu scheuen braucht, begeistert sein.

Michaela Grames / ÖBW

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Roy Porter: Geschröpft und zur Ader gelassen

n : eine kleine Kulturgeschichte der Medizin / Roy Porter. - Zürich : Dörlemann, 2004. - 255 S. : Ill. Aus dem Engl. von Christian Detoux ISBN 3-908777-05-4 fest geb. : ca. € 17,80

Eine Zusammenfassung der wichtigsten Entwicklungen und Meilensteine der Geschichte menschlicher Medizin.

Dieses Buch hält, was der Untertitel verspricht. Roy Porter beschreibt auf kürzestem Raum die wichtigsten geschichtlichen Errungenschaften der Medizin auf verschiedensten Gebieten. Außerdem gibt er einen Ausblick auf mögliche Entwicklungen in der modernen Medizin. Er gliedert die Kulturgeschichte der Medizin in Bereiche wie Ärzte, das Labor, Chirurgie oder das Krankenhaus und fasst in diesen Kapiteln wichtige medizinische Fortschritte und Entdeckungen berühmter und unbekannter Persönlichkeiten leicht verständlich zusammen. Dadurch ist diese Kulturgeschichte nicht nur eine empfehlenswerte Lektüre für interessierte Nicht-Mediziner. Ein umfangreiches Register am Ende des Buches macht es auch zu einem leicht handhabbaren Nachschlagewerk, zu dem man immer wieder greifen kann, wenn man zum Beispiel wissen will, dass der Pharmakonzern Bayer nicht nur das Aspirin, sondern auch Heroin entwickelt hat, oder die Verätzung von Fleisch mit heißem Eisen zur Blutstillung "Kauterisation" genannt wird. Letzteres Beispiel soll darauf hinweisen, dass die Geschichte der Medizin durchaus morbide und schaurige Kapitel enthält, die für feinfühlige Menschen nicht immer zu empfehlen sind. Und auch Hartgesottenen sollten nach der Lektüre die moderne Medizin wieder zu schätzen wissen.

Lukas Schmuckermair / ÖBW

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Frank Schirrmacher: Das Methusalem-Komplott

München : Blessing, 2004. - 219 S. ISBN 3-89667-225-8 fest geb. : ca. € 14,40

Das globale Phänomen Altern -Konsequenzen für den Einzelnen. (PI)

"Die Menschheit altert in unvorstellbarem Ausmaß. Wir müssen das Problem unseres eigenen Alters lösen, um das Problem der Welt zu lösen", steht provokant unter dem Titel. Dass unser Land zu jenen mit dem höchsten Durchschnittsalter der Bevölkerung gehört, ist inzwischen hinreichend bekannt. Dass sich daran auf absehbare Zeit nichts ändern wird, weiß man auch. Noch nicht so ganz herumgesprochen hat sich, dass diese Alterung der Bevölkerung ein globales Phänomen ist, während in aller Munde wiederum Schlagwörter sind, die heftige Diskussionen auslösen: Rentenklau, Sicherung des Sozialsystems, Ausbau von Heimen und Pflegediensten, private Altersvorsorge. Diese Diskussionen enden zwangsläufig im ohnehin dominierenden Negativbild des Altwerdens. Ein Leben unter negativen Vorzeichen gehört nun sicherlich nicht zu den Idealvorstellungen der Menschen, besonders aber nicht zu den Vorstellungen jener Frauen und Männer, die jetzt noch zu den Jüngeren zählen, die aber die Alten von morgen sind. Ihr Protest, aber auch ihr Ideenreichtum ist jetzt gefragt. Nicht durch ein neues Bild von der Jugend, sondern nur durch eine Änderung des überholten Bildes vom Alten können sich Bewusstsein, Einstellung, Selbstbild und Fremdbild ändern. Rütteln jetzt nicht die Jungen am negativen Altersbild, werden sie in einigen Jahren selbst zu seinem Opfer. Im Reigen mehrerer anderer Titel zum Thema liegt hier ein Buch vor, das zunächst einmal aufrüttelnd wie fesselnd geschrieben ist und das ebenfalls im Gegensatz zu anderen Erscheinungen nicht nur Zahlen und Statistiken kommentiert und den Kostenfakor herausstreicht, sondern dem Leser vermittelt, dass er für sich selbst die Konsequenzen daraus ziehen muss. Anstöße gibt der Autor dazu aus seiner wissenschaftsjournalistischen Sicht. Dafür sei ihm gedankt und seinem Buch eine weite Verbreitung gewünscht. Damit verbunden ist ein weiterer Wunsch an Autoren, vor allem aus den theologisch/ religionswissenschaftlichen Disziplinen: die hier enthaltenen Anregungen aufzunehmen, weiterzudenken und sich auf ebenso positiv-aufrüttelnde Weise zu Wort zu melden.

Hanns Sauter / ÖBW

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Andreas Thalmayr: Lyrik nervt!

erste Hilfe für gestreßte Leser / Andreas Thalmayr. - München : Hanser, 2004. - 118 S. ISBN 3-446-20448-2 fest geb. : ca. € 13,30

Lustvolle Nachhilfe in Sachen Lyrik.

Das Buch leistet, was der Untertitel verspricht. SchülerInnen zwischen 12 und 20, denen von interpretationswütigen LehrerInnen Gedichte ordentlich vergrausigt wurden, sodass sie entnervt aufgeben, bietet es die versprochene Hilfe. Thalmayr vulgo Hans Magnus Enzensberger konstatiert das allgemeinmenschliche Vorhandensein von Bewusstsein für Rhythmus, Reim und anderen lyrischen Basisfunktionen, führt den Entnervten leichtfüßig und anschaulich Grundwissen über Strophenform und Metren zu, verordnet auch einige leichtverdauliche Dosen an Fachvokabular und literaturhistorischem Wissen und entlässt am Schluss die Lyrik-Patienten in die Selbstständigkeit, sich auch an eigenen Gedichte zu versuchen. Dermaßen geheilt sollen sie in Hinkunft vor Bevormundung und Lyrik-Zertrümmerung durch wen auch immer immun sein. - Lyrische Grundapotheke für SchülerInnen und Eltern, Laien und LehrerInnen, die Lust auf Lyrik macht. In jugendgerechtem Jargon mit interessantem Anschauungsmaterial. Sollte auch in Schulbibliotheken nicht fehlen.

Fritz Popp / ÖBW

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