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Buchtipps / 2004 / Februar

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Philip Waechter: ich

Beltz&Gelberg 2004. 64 S. ISBN 3-407-79873-3 fest geb. : ca. € 10,20

KHG und Ich-AG: Viel war in den letzten Jahren von einer Generation zu hören und zu lesen, die Selbstinszenierung als soziales, gesellschaftliches und politisches Ziel begreift. Wie also Kinder zum selbstbewussten „Ich“ zu erziehen, ohne sie gleich einer Welt selbstverliebter Feschaks auszuliefern? „Ich mag mich.“ stellt der verschmitzt lächelnde Bär fest. „Ich gehe meinen Weg. Ich bin toll.“ Und riesig fällt dabei der Schatten des Bären über die kleinformatige Doppelseite. Zahlreiche Situationen über die Gutmütigkeit, attraktive Erscheinung und Weltgewandtheit des Bären werden entworfen und von Philip Waechter liebevoll-reduziert in Szene gesetzt. Immer stärker jedoch schleicht sich die eine oder andere Ironisierung bäriger Freude an sich selbst ein, wenn es zum Beispiel heißt: „Großzügigkeit ist für mich mehr als nun ein Wort. ich teile gern.“ und der Bär dabei einem kleinen Jungen mit offensichtlicher Zurückhaltung aus einer riesigen Tüte mit Bonbon exakt ein Stück reicht. Denn letztlich – so die ebenso schöne wie wichtige Erkenntnis – gibt es Tage, an denen man sich inmitten aller Menschen einsam fühlt. Und klein. Und dann hilft dem Ich nur eins: das Du. Die humorig ins Bild gesetzte Ich-Geschichte reift zur Liebeserklärung ans Du: Eltern, Geschwister, Freund/innen und Lebenspartner/innen können damit gemeint sein. Entsprechend die Empfehlung für Kinder ab 4 und alle Befürworter/innen einer Ich&Du-AG.

Heidi Lexe / STUBE

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Reingard Witzmann: Wunderorte & Zauberzeichen

Sagenwege durch Wien. St. Pölten: NP 2003. 80 S. : zahlr. Ill. (farb.) fest geb. : ca. € 19,90 ISBN 3-85326-271-6

Wer oder was sind Spirifankerl und Springingkerl? Wer war der erste Leister der kaiserlichen Hofbibliothek? Wie genau war das mit dem Donauweibchen und wo steht die Spinnerin am Kreuz? Angereichert mit historischem Bildmaterial wird von der Museumspädagogin Reingard Witzmann ein schmackhaftes Crossover aus Stadtführer, Sagenbuch und historischer Einführung vorgelegt: Ausgehend vom reichen Wiener Sagenschatz werden 20 Routen durch Wien (sogenannte „sagen.wege“) zusammengestellt und mit Kartenmaterial sowie detailreichen Beschreibungen von Plätzen, Straßen, Gebäuden oder Denkmälern ergänzt. Die Sagen selbst werden dabei auf ihren historischen Hintergrund befragt: Was geschah wirklich? Woher stammen das Sagenhafte und Wunderliche, das sich in den Erzählungen verbirgt? Und worin sind die reinen Daten & Fakten zu erkennen? Es entsteht eine genussreich zu lesende Mischung, die es ermöglicht, schon einmal Gehörtes wieder zu entdecken und besser einzuordnen, oder auch Neues, vielleicht oftmals Übersehenes wahrzunehmen. Wer mit Kindern durch Wien spaziert oder mit Kindern nach Wien reisen will, soll sich die wunder.bare Möglichkeit einer sagen.haften Annäherung an diese Stadt jedenfalls nicht entgehen lassen. Sehr zu empfehlen zum Vorlesen ab 7 Jahren und zum Selberlesen ab 10 Jahren.

Heidi Lexe / STUBE

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Das Wasserbuch

: Wissen und Spaß für kleine Wasserforscher / Claudia Haas ; Schießer, Sigrid ; Wahrenberg, Astrid. Mit Bildern von Fiening, Annette. - Düsseldorf : Patmos, 2004. - 31 S. : zahlr. Ill. (farb.) ISBN 3-491-42024-5 fest geb. : ca. € 14,30

Wasser begegnet Kindern überall im Alltagsleben - so wie den Geschwistern Annika und Julian in diesem Buch. Die Autorinnen laden ein, mit Kindern das Element Wasser spielerisch und kreativ zu erforschen. Wichtige Informationen erweitern das Wissen, das Ausprobieren und Experimentieren führt zu Erkenntnisgewinn und regt die Fantasie an. Der Spaß kommt bei den Anregungen nicht zu kurz und das Staunen wird groß sein, wenn man anhand der Mini-Kläranlagen nachvollziehen kann, wie die Wasserentsorgung funktioniert, oder die verschiedenen Aggregatzustände erfasst. Die Informationen, in die Wissen gut dosiert verpackt sind, können von Kindern ab 5 Jahren verarbeitet werden, die grafische Aufbereitung unterstützt die Verstehensprozesse. Die Anregungen brauchen manchmal Geduld, etwa wenn Planzen oder Tiere wachsen sollen, sie versetzen in Erstaunen (welche Gegenstände sinken und welche schwimmen auf der Wasseroberfläche? Zaubertricks) und fordern Kinder wie Erwachsene heraus, das Wasser als kostbares Gut zu erfahren und damit sorgfältig umzugehen. Insofern ist dieses Experimentierbuch, in dem es auch Rätselaufgaben zu lösen gibt, ein Erziehungsbuch. Die einzige Frage, die sich stellt: Lassen sich Kleinstlebewesen im Wasser ohne Zuhilfenahme eines Mikroskops erkennen? Ausprobieren - dann weiß ich es! Gut einsetzbar ist dieses Buch auch in Kindergruppen.

Martina Lainer / ÖBW

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Allgemeinbildung Naturwissenschaften

: das musst du wissen / Ingo Loa (Hrsg.). Mit Bildern von Hauke Kock. Beitr. von Ingo Loa... - Würzburg : Arena, 2003. - 198 S. : zahlr. Ill. ISBN 3-401-05571-2 fest geb. : ca. € 15,50

Ohne die Naturwissenschaften wäre unsere hochtechnisierte Welt nicht mal im Ansatz möglich. Wer das immer noch verkennt und beim Erklären des Begriffes „Allgemeinbildung“ die Naturwissenschaften vergisst, ist für unsere moderne Welt wenig gewappnet und außerdem schlecht beraten. Man fragt sich, wie einem breiten Publikum auf durchschnittlich 20 Seiten pro dargestellter Disziplin das inzwischen fast unübersehbar angewachsene naturwissenschaftliche Wissen auch nur einigermaßen vermittelbar ist. Mit Unterstützung mehrerer Fachautoren hat der am Max-Planck-Institut forschende Herausgeber Ingo Loa diese Aufgabe aber mit Bravour gelöst: mit Kompetenz, gekonnter Beschränkung auf das Wesentliche, geschickter, leicht verständlicher Darstellung, exakter Begrifflichkeit und kristallklarer Sprache. Und das alles ganz ohne Mathematik, obwohl die Mathematik als Sprache der Naturwissenschaften gilt. Schwerpunktmäßig werden die Gebiete Physik, Chemie, Mathematik, Geowissenschaften, Metereologie, Astronomie, Biologie und Medizin behandelt. Alle Teilgebiete lassen sich unabhängig voneinander lesen. Jedes Kapitel beginnt mit einem historischen Überblick. Wichtige Begriffe sind am Rande jeweils gesondert erklärt, ein ausführliches Sach- und Namensregister hilft bei der Klärung von aufkommenden Fragen. Damit kein Missverständnis entsteht: Nicht nur naturwissenschaftlichen Laien und Jugendlichen sei dieses Buch empfohlen. Wie hilfreich und anregend kann es doch auch für Naturwissenschafter sein, immer mal wieder über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen, ganz ohne Mathematik.

Frieder Rabus / ÖBW

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Charles Simmons: Belles Lettres

Roman / Charles Simmons. - München : C. H. Beck, 2003. - 182 S. Aus dem Engl. von Klaus Modick und Ulrike Draesner ISBN 3-406-50970-3 fest geb. : ca. € 18,50

Charles Simmons, jahrzehntelang Redakteur bei der "New York Times Book Review", beschreibt im vorliegenden Roman ein Milieu, das er genau kennt. Durch die Brille des Studenten Frank Page, der eigentlich nur eine Seminararbeit über die Literaturzeitschrift "Belles Lettres" verfassen wollte und sich als Redakteur und Vertrauensperson des fünften Chefredakteurs Jonathan Margin wiederfindet, wird der Leser in die bunte, zeitweise abgehobene und abstruse Welt der New Yorker Literaturkritik und Literaturszene eingeführt. Simmons spart nicht mit pikanten und amüsanten Details und leicht verqueren Protagonisten wie beispielsweise der ausgezeichneten Sekretärin, die alle Hebel in Bewegung setzt, um eine unbegabte Rezensentin zu werden, oder dem Redaktionsboten, der sich am Verkauf der zur Verfügung gestellten Rezensionsexemplare eine goldene Nase verdient. Auch der berühmte Schriftsteller, der im Kleiderschrank auf den Mantel des unbeliebten sechsten Chefredakteurs uriniert, oder das „Informationsleck“, ein Mitarbeiter, der Kollegen/innen stets diensteifrig bei höheren Stellen denunziert, dürfen im Sammelsurium skurriler Persönlichkeiten nicht fehlen. Der Machtkampf in den höheren Etagen von "Belles Lettres", die Zufälligkeit, mit der eine Liste der 25 bedeutendsten Autoren Amerikas zustande kommt, sowie die Affäre um neun angeblich neu gefundene Sonette Shakespeares sind dann nur noch das Tüpfelchen auf dem „i“. Simmons ist ein Roman gelungen, der sich von der ersten bis zur letzten Seite leicht und flüssig liest und durch seinen ironischen Stil, die gelungene, wenn auch wohl überzeichnete Milieuschilderung und nicht zuletzt durch die treffenden "speaking names" (siehe z.B. "Buckram" "Goldesel" für den Gründer der Zeitschrift) besticht.

Monika Roth / ÖBW

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Morten H. Olsen: Das Kind aus dem Moor

Roman / Morten H. Olsen. - München : Piper, 2003. - 325 S. Aus dem Norweg. von Dagmar Lendt ISBN 3-492-70031-4 fest geb. : ca. € 20,50

In der norwegischen Kleinstadt Oscarshavn bricht ein Brand aus, nach dessen Beendigung eine Prostituierte und ihre Tochter vermisst werden. Wie alle anderen rätselt auch der Antiquar Francis über deren Verbleib. Um so mehr ist er überrascht, als ein kleines Mädchen plötzlich vor ihm aus dem Nebel auftaucht, ihm die Stelle zeigt, an der die beiden Vermissten zu finden sind, und wieder verschwindet. Widerstrebend entschließt sich Francis, der Polizei davon zu berichten, und tatsächlich werden die Leichen der beiden Vermissten an dem bezeichneten Ort entdeckt. Nun wird der zurückhaltende Francis nicht nur der Polizei verdächtig, er gerät auch ins Kreuzfeuer der sensationslüsternen Presse. Da erweist sich das Auftauchen eines pensionierten Kommissars, der eine Parallele zu einem lange zurück liegenden Fall sieht, als Hilfe. Damals verschwand ein kleines Mädchen spurlos im Moor. Und wieder bekommt Francis einen übersinnlichen Hinweis, der ihm die Stelle angibt, an der das Mädchen zu finden ist. Auch dieser Hinweis erweist sich als richtig, doch nun tut sich ein Verdacht auf, der mit einer ganz konkreten Person in Oscarshavn zu tun hat. Der spannende Roman bezieht seinen Reiz bei weitem nicht nur aus der Schilderung der unheimlichen Ereignisse; noch faszinierender ist die Person des Protagonisten gestaltet, der gegen seinen Willen, unschuldig aber nicht zufällig, in einen Kriminalfall hineingezogen wird. Das Übersinnliche, so unvermutet es in das Leben des skeptischen Mannes einbricht, erscheint letzten Endes als etwas, das aus den gleichen Tiefenschichten aufsteigt wie die Liebe, der Glaube oder das Gefühl für Musik, das hier eine große Rolle spielt. Ein wunderbarer Roman vor dem grandiosen Hintergrund der norwegischen Landschaft.

Ingrid Kainzner / ÖBW

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Alexander Kostinskij: Der Sternenverkäufer

Geschichten vom wunderbaren Tuch / Alexander Kostinskij. - München : Sankt Michaelsbund, 2003. - 104 S. : Ill. (farb.) Aus dem Russ. von Ganna-Maria Braungardt ISBN 3-920821-38-6 fest geb. : ca. € 19,00

Der Autor breitet in einer märchenhaften Rahmenhandlung vor einfachen Holzfällern ein "wunderbares Tuch" aus, auf dem Geschichten - insgesamt acht - hintereinander sichtbar werden. Es sind einfache, menschlich anrührende - so gerade die Titelgeschichte - Begebenheiten, märchen-, teils sogar parabelhaft gehalten, durchzogen von ein wenig Humor, ebenso mit etwas Schwermut. Sie laufen in einem fiktiven, "kleinen", ostjüdischen Ambiente ab, erkennbar ohne Bezug auf reelle Gegebenheiten, örtlich wie zeitlich. Dass sie dennoch nichts Synthetisches an sich haben, weist die Erzählfähigkeit des Autors aus. Was hier von gelebter Toleranz, Mitmenschlichkeit und Mitgefühl zu lesen ist, nimmt einen einfach ein. Der Autor, Jude, geboren 1946 in Kiew, seit 1992 als Emigrant in Deutschland, legt hier ein Buch vor, das Kindern (etwa ab 10) nicht weniger wie Erwachsenen gefallen wird und schlechthin Freude macht.

Heinz Steuer / ÖBW

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Javier Cercas: Der Mieter

Roman / Javier Cercas. - Berlin : Wagenbach, 2003. - 107 S. Aus dem Span. von Willi Zurbrüggen ISBN 3-8031-1217-6 fest geb. : ca. € 13,30

Mario Rota joggt wie jeden Morgen seine Runde am Campus in Pennsylvania. Mario ist Linguistikdozent an der dortigen Universität. Durch eine kleine Unachtsamkeit bei einem Sprung über ein Blumenbeet verstaucht er sich seinen Knöchel am Fuß und schon beginnt eine Kette von Unglücksfällen. Zeitgleich zieht neben Rotas Wohnung ein neuer Mieter ein. Doch nicht nur als neuer und charmanter Nachbar macht Daniel Berkowickz Mario das Leben schwer. Berkowickz, ein renommierter und ehrgeiziger junger Wissenschafter, ist außerdem auch sein neuer Kollege und Konkurrent am Universitätsinstitut, der sofort einen Teil seiner Vorlesungen übernimmt. Mario muss sein schönes Büro für ihn räumen und teilt sich nun mit einem sonderbaren Kollegen ein winziges Kämmerlein. Wie heißt es so schön: ein Unglück kommt selten allein. Berkowickz spannt ihm zu guter Letzt auch noch seine attraktive Freundin Ginger, die bei Mario ihre Dissertation schreibt, aus. Erst als sein Fuß als geheilt diagnostiziert wird, findet sich Mario wieder langsam im alltäglichen Leben zurecht und erwacht aus seinem schrecklichen Albtraum. Der erfolgreiche spanische Autor Javier Cercas, der selber als Universitätsdozent lehrt, hat eine wunderbare Geschichte verfasst: mit viel Liebe zum Detail und zur Sprache, dennoch leicht lesbar, unterhaltsam und sehr amüsant - kurzum alles was ein gutes Buch auszeichnet. Beim Lesen taucht man mit dem Protagonisten ein in die unglaubliche Geschichte. Wer zwischen den Zeilen liest, findet zahlreiche Seitenhiebe auf das amerikanische Universitätssystem. Mit viel Witz und Ironie stellt er die Ernsthaftigkeit mancher Wissenschaftszweige und in weiterer Folge auch "ernsthafter Wissenschafter" in Frage. Ein grandioses Buch, das übrigens auch mit seiner hübschen, in rotem Leinen gehaltenen Aufmachung und dem schönen Layout besticht. Ein Gewinn für jede Bibliothek und sicherlich auch für jede/n Leser/in.

Barbara Allgäuer-Wörter / ÖBW

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