Bereits 100.000 Bücher frei verfügbar
: das Digitalisierungsprojekt der ÖNB
Bei der Frankfurter Buchmesse im Jahr 2004 stellte Google ein überaus ambitioniertes Projekt vor: Unter der Bezeichnung “Google Books” sollten bis zum Jahr 2015 15 Millionen Bücher gescannt und der Öffentlichkeit frei zugänglich gemacht werden.
Im Rahmen dieses Projekts digitalisiert Google den kompletten historischen Buchbestand der Österreichischen Nationalbibliothek vom 16. bis zum 19. Jahrhundert und macht die Werke für die Öffentlichkeit kostenlos online zugänglich. Es werden circa 600.000 urheberrechtsfreie Werke digitalisiert, darunter rund 200.000 Bände des Prunksaals sowie die mehr als 100.000 Bände umfassende Fideikommissbibliothek, der ehemaligen Privatbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen. Alle diese Bücher stehen dann uneingeschränkt und kostenfrei über die Digitale Bibliothek der Österreichischen Nationalbibliothek und über die Google Buchsuche zur Verfügung.
Das Projekt läuft, Begeisterung und Bedenken halten sich die Waage. So heißt es z.B. auf Seiten der Befürworter:
Dieser Coup in der Nationalbibliothek erspart ihr 30 Millionen Euro, bringt sie in die digitale Avantgarde und schafft den Lesern und Wissenschaftlern weltweit wesentlich erleichterte Lese- und Arbeitsbedingungen. Was früher in den besten Bibliotheken physisch mühsam zusammengeklaubt werden musste oder gar nicht zur Verfügung gestellt wurde, ist jetzt nur einen Mausklick entfernt. Das wird die Forschung beschleunigen, ein neues Licht auf den Bestand der besten Häuser werfen und die Lesesäle entlasten.
(Die Presse, 16.6.2010, S. 31)
Auch wird angemerkt:
Wissen, das nicht genutzt werden kann, ist totes Wissen. […] Diesen Umstand haben auch renommierte Bibliotheken weltweit erkannt. Und sind dem drohenden Vergessen werden ihrer Schätze zuvorgekommen, indem sie diese digitalisieren. Ziel ist es, als Universal-Bibliothek und als Gedächtnis der Menschheit von jedem Schreibtisch aus zugänglich zu sein. Ein Unterfangen, das jetzt auch die Österreichische Nationalbibliothek (ÖNB) in Angriff genommen hat.
(Wiener Zeitung, 16.6.2010, S. 13)
Andererseits wird die von der Österreichischen Nationalbibliothek angekündigte Änderung des Mediengesetzes vom Schriftstellerverband IG Autorinnen & Autoren kritisiert. Diese sieht unter anderem vor, dass etwa neue Bücher nur mehr in E-Book-Form an die Nationalbibliothek übergeben werden müssen, an die aber nach derzeitigem Recht zumindest eine physische Kopie der in Österreich erschienenen Bücher übermittelt werden muss.
Die IG Autoren vertritt die Meinung, dass Bücher bzw. Printmedien als kollektives gesellschaftliches Gedächtnis keinesfalls ausschließlich in virtueller Form aufbewahrt werden dürften. Die digitale Speicherung garantiere aufgrund der rasanten technologischen Veränderung keine dauerhafte und verlässliche Archivierung und bleibende Zugänglichkeit.
Des Weiteren wird kritisiert, dass man sich “einem privatwirtschaftlichen Oligopol“ in der Form von Google ausliefern würde, mit dem die Nationalbibliothek derzeit eine Kooperation betreibt. So werde “eine klare Marktsteuerung zugunsten des E-Books vorgenommen”, da Verlage, die nicht auf E-Books setzen, von der Archivierung ausgeschlossen würden. Die Nationalbibliothek verdeutlichte allerdings bereits bei der Ankündigung, dass die Art und Weise der Speicherung sowie der Daten noch nicht feststehe.
International zielen die Kooperationen mit großen Bibliotheken darauf, urheberrechtsfreie Werke zur Gänze digital verfügbar zu machen. Google hat derzeit rund zwei Millionen Werke über Verlagspartnerschaften und mehr als zehn Millionen Werke aus über 40 Bibliotheken, den Universitätsbibliotheken von Michigan, Harvard oder Stanford. Sie beteiligen sich mit ihren Millionenbeständen ebenso an diesem Projekt, wie die in New York.
- Katalogsuche der ÖNB nach digitalen Ressourcen
- Beispiel: Digitale Ressourcen mit dem Stichwort “Grillparzer”
Für Öffentliche Bibliotheken ist das Projekt insofern von Interesse, als spezifische Kundenwünsche auf elektronischem Weg befriedigt werden können. Es lohnt sich also, sich näher mit dem Projekt in seinen Inhalten vertraut zu machen.