Literacy als Menschenrecht – eine Konferenz in Schweden

Impressionen von der 18th European Conference on Reading

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Während Österreich unter brütender Hitze litt, fand im hohen Norden, in Schweden,  von 6. bis 9. August die 18. European Conference on Reading statt: Organisiert von SCIRA (Swedish Council of the International Reading Association), FELA (Federation of European Literacy Associations), IDEC (International Development in European Committee of the International Reading Association) und der Universität Jönköping, brachte die Tagung rund 350 TeilnehmerInnen aus der ganzen Welt in der 90.000 Einwohner-Stadt Jönköping am Vättern-See zusammen.

Ein reichhaltiges Programm und unterschiedlichste Zugänge

Die 170 Workshops, Poster-Präsentationen, Arbeitskreise und Plenarvorträge standen unter dem Generalthema „New Literacies – New Challenges“: Das Hauptaugenmerk lag bei allen ReferentInnen auf dem digitalen Lesen, dem Einsatz von bspw. iPad und Whiteboard, interaktiver Lernsoftware, Social Media wie Facebook oder Twitter in Schule und Kinderbetreuungseinrichtungen, auf der zunehmenden Bedeutung von LehrerInnenaus- und -fortbildung, die den neuen Anforderungen auch gerecht wird sowie auf der vor allem im anglo-amerikanischen Raum sehr stark betriebenen Literacy-Forschung – die sich z.B. mittels Studien an Zwillingen damit beschäftigt, zu welchem Anteil Lesekompetenz neurobiologisch bedingt ist.

“Literacy is not just new today, it becomes new every single day.”

Literacy wird dabei als ein sich stets wandelnder Begriff verstanden:  Es gibt also nicht mehr „die Lesekompetenz“, vielmehr schließt das weiter gefasste Literacy-Konzept Informations- und Recherchekompetenz, soziale Praxis in Elternhaus und Bildungseinrichtungen, neuartige Denkmuster und Kultur (z.B. durch mobile Nutzung des Internets am Smartphone oder Tablet Entgrenzung von Raum und Zeit) sowie kritische Handhabe von multimodalen Texten aller Art (offline und online) mit ein.

Es gilt verstärkt, vor allem die folgenden vier Lücken zu schließen, die eine hohe Chancenungleichheit der heranwachsenden Generation hinsichtlich Literacy, die als Menschenrecht verstanden werden muss, nach sich ziehen:

  • Migration (Herausforderung der Zwei-/Mehrsprachigkeit aber auch der mangelnden Inklusion von MigrantInnen),
  • Geschlecht (Studien/standardisierte Testungen zeigen, dass Buben über schlechtere literacy skills (“Lesekompetenz”) als Mädchen verfügen),
  • sozioökonomischer Hintergrund (bestimmt nach wie vor Zugang zu Bildung) und
  • Digitalisierung (nicht alle Kinder und Jugendlichen haben Zugang zu den modernen Technologien, die aber die Leitmedien der Gegenwart sind).

Vor dem Hintergrund, dass 1 von 5 EuropäerInnen nicht über ausreichende „literacy skills“ verfügt, die jedoch Grundvoraussetzung für soziale, berufliche, staatsbürgerliche Teilhabe sind und wesentlich zum individuellen Befinden, im weiteren Zusammenhang auch zum wirtschaftlichen Wachstum einer Nation, zu Kohäsion und Innovation beitragen, müssen passgenaue Angebote für alle Altersgruppen und individuell erstellt werden.

Auch hinsichtlich family literacy herrscht internationale Einigkeit: Eltern können wesentlich die (frühen) literacy skills ihrer Kinder beeinflussen, dabei spielen Bibliotheken eine wichtige Rolle: Um Kinder und Jugendliche optimal auf die Anforderung ihrer Lebenswelt vorbereiten zu können, müssen auch Bibliotheken Zugang zu neuen Technologien haben bzw. ermöglichen. Das Leben der nächsten Generationen wird nämlich noch stärker als bisher vom (mobilen) Internet und Interaktivität geprägt sein.

Nach vier intensiven Tagen mit engagierten und begeisterten Literacy-Menschen aus aller Welt sind zwar viele Fragen geklärt, doch gleichzeitig mindestens so viele neue Fragen entstanden, die nur darauf warten, auf der nächsten Konferenz* behandelt zu werden.

| Verena Gangl (Lesezentrum Steiermark) & Elisabeth Wörter

 Die nächste European Conference on Reading wird im Sommer 2015 in Österreich stattfinden und – so viel sei schon verraten – die Stadt liegt auch an einem großen See…

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