Bücherdörfer – eine Idee zieht bibliophile Kreise
Die imposanten Bücherwelten entwickelten sich im Mittelalter in den Klöstern, in der Neuzeit fanden sie ihren Ausdruck an den Fürstenhöfen und in den Universitätsstädten. Aber Bücher und Dörfer?
Es war der Waliser Richard Booth, der mit der Idee eines Bücherdorfes eine Bewegung auslöste, die mittlerweile in vielen Ländern Nachahmung gefunden hat. 1961 eröffnete er in der kleinen Ortschaft Hay-on-Wye im alten Feuerwehrhaus ein Buch-Antiquariat. Zu dieser Zeit schlossen in den USA viele Buchhandlungen. Booth fuhr dort hin, kaufte günstig Tonnen von Bücher auf und verschiffte sie in seine kleine Heimatstadt, die immer mehr Buchliebhaber und damit auch Buchhändler anzog.
Am 1. April 1977 proklamierte er Hay zum unabhängigen Köngigreich, sich selbst als Richard Cœur de Livre zum Herrscher und sein Pferd zum Premierminister. Heute verfügt der Ort mit seinen 1.500 Einwohnern über 38 Antiquariate und eine bibliophile Anziehungskraft, die Touristen aus aller Welt nach Hay strömen lässt.
Die Faszination, die Hay-on-Wye ausströmt, hat wesentlich damit zu tun, dass sich hier ein Raum auftut, der gänzlich einer einzigen Idee folgt. Eine verrückte Idee wie aus einem verrückten Buch. Buchliebhaber haben offenbar Sinn für die Radikalität von Entwürfen und Konzepten.
Eine Idee zieht Kreise
Die Idee von Hay-on-Wye hat mittlerweile große Kreise gezogen und in der ganzen Welt Nachahmung gefunden. Vor allem in den 1990er-Jahren wurde das Konzept von verschiedenen Dörfern aufgegriffen und in ähnlicher Weise umgesetzt. So gibt es z.B. in Frankreich heute mit Bécherel, Fontenoy-la-Joûte, La Charité-sur-Loire, Montmorillon und Montolieu eine ganze Reihe an Bücherdörfern. Das niederländische Bredevoort oder das belgische Redu zählen mit etwa 30 Antiquariaten zu den großen Bücherdörfern, das österreichische Purgstall gehört mit 3 Händlern zu den kleinen Orten.
Wenn Sie auf einer Ihrer nächsten Reisen einmal ein solches Bücherdorf kennenlernen möchten – die Chancen zwischen Norwegen und Australien eines zu finden, sind gar nicht so schlecht: Liste der Bücherdörfer auf Wikipedia.