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Zielstandards für Österreichs Büchereien

Dass es in Österreich im Jahr 2010 gelungen ist, erstmalig Zielstandards für Öffentliche Bibliotheken zu erstellen, eröffnet die Chance, in einen intensiveren Diskurs über die Weiterentwicklung unserer Bibliotheken zu treten. Diese Standards sind nicht ein schulisches Notensystem, das bewertend über die Bibliotheken gelegt wird, sondern Orientierungspunkte, nach denen Ausrichtungen erfolgen können und das Vergleichsmöglichkeiten bietet.

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Zielstandards Tabelle


„Von enormer Wichtigkeit“

Die Bedeutung von Zielstandards für das österreichische Büchereiwesen

Ein Gespräch mit Dr. Silvia Adamek, bm:ukk


bn: In anderen Ländern gibt es schon lange Standards für Öffentliche Büchereien. Warum hat es in Österreich so lange gedauert?

Silvia Adamek: Dafür gibt es viele Gründe. Es gab zwar bei uns immer wieder Anläufe, Standards für Öffentliche Büchereien zu formulieren, diese Bemühungen sind aber stets im Sand verlaufen, die Ängste und die Skepsis waren zu groß. So sind immer nur nicht sehr ambitionierte Mindeststandards herausgekommen. Denn es fehlten die nötigen Rahmenbedingungen und die längste Zeit leider auch der politische Wille. Aber mit dem Regierungsabkommen vom November 2008 waren das Öffentliche Büchereiwesen und die Forderung nach einer Weiterentwicklung zum ersten Mal in einem Regierungsprogramm festgeschrieben.
Unser Ressort unterstützt diese Weiterentwicklung im Büchereiwesen sehr ambitioniert, denn es ist ihm ein wichtiges Anliegen. Das hat eine regelrechte Aufbruchstimmung ausgelöst. Die Erwartungshaltung von Seiten der Büchereien und der Verbände war enorm.

bn: Welche Funktion haben diese Zielstandards, was können sie bewirken?

Silvia Adamek: Für das österreichische Büchereiwesen sind diese Zielstandards von großer Bedeutung, um sich hinsichtlich seiner Weiterentwicklung auch orientieren zu können. Wir brauchen festgeschriebene Ziele, die wir anstreben können und sollen, was nur auf der Basis von konkreten Zahlen geht. Ergänzend dazu brauchen wir Rahmenbedingungen und ein darauf abgestimmtes Fördersystem, mit dem man steuern sowie Anreize zur Leistungssteigerung setzen kann.

bn: Besteht nicht die Gefahr, dass BibliothekarInnen von Anforderungen, die ihre Bibliotheken noch nicht erfüllen, demotiviert werden?

Silvia Adamek: Zielstandards müssen auf jeden Fall fordernd und ambitioniert sein. Viele BibliothekarInnen hatten mir gegenüber die Befürchtung geäußert, dass diese Zielstandards nicht hoch genug angesetzt werden würden. Wir alle wissen, wie überaus engagiert die BibliothekarInnen arbeiten. Wenn Büchereien diese Standards nicht erfüllen können, bedeutet dies vermutlich, dass den Büchereien nicht die nötigen Mittel zur Verfügung gestellt werden, die Voraussetzungen leider oft nicht optimal sind und auch tatkräftige Unterstützung fehlt.

bn: Wie wurden die nun publizierten Werte ermittelt und festgelegt?

Silvia Adamek: Wir haben uns schon seit vielen Jahren immer wieder mit den Zielstandards beschäftigt. Dazu gab es auch Tagungen und Klausuren. In der Arbeitsgruppe haben wir uns an den Standards internationaler Vorbilder, insbesondere an Deutschland und Südtirol, orientiert und zusätzlich die Leistungsdaten unserer Öffentlichen Büchereien herangezogen.

bn: Wenn man Standards für mehr als 1.500 Öffentliche Büchereien erstellt, besteht dann nicht auch die Gefahr, den Gegebenheiten und Voraussetzungen einzelner Büchereien nicht gerecht zu werden?

Silvia Adamek: Auf Grund der gewählten Größenordnungen entsprechend der Einwohnerzahlen erfolgen Differenzierungen auch bei den Anforderungen. Natürlich kann ein bewusst so klar und kurz gehaltener Leistungsraster nicht alle Eventualitäten und Spezifika berücksichtigen.
Richtig ist, dass es vereinzelt Punkte gibt, die eine Bücherei aus ganz bestimmten Gründen nicht erreichen kann. Solche individuellen Besonderheiten können aber schwer in einem österreichweit geltenden Raster berücksichtigt werden. Da wir aber aus Büchereien unterschiedlichster Größe die Rückmeldung erhalten, dass ihnen die Anforderungen gerade in ihrer Kategorie sehr ambitioniert erscheinen, glaube ich, dass wir bei der Festlegung der Werte insgesamt richtig liegen.

bn: Die seit der Ausschreibung 2010 geltenden Fördervoraussetzungen orientieren sich an den neuen Zielstandards. Wie reagieren die BibliothekarInnen auf das neue Modell?

Silvia Adamek: Natürlich unterschiedlich. Allerdings war ich doch sehr überrascht, als schon kurz nach der Ausschreibung viele überaus positive Rückmeldungen von KollegInnen gekommen sind, die die Möglichkeit zur Weiterentwicklung erkannt und sich sogar für diese neuen Förderungsrichtlinien bedankt haben. Auch wurde mir schon von vielen BibliothekarInnen berichtet, dass sie sich auf Grund der neuen Voraussetzungen intensiver oder gar erstmals mit den Kennzahlen ihrer Bücherei auseinandergesetzt und auch bereits Maßnahmen zur Verbesserung und Weiterentwicklung in ihrer Bücherei gestartet haben, z. B. durch Verlängerung der Öffnungszeiten oder Sichtung des Medienbestandes. Auch in einigen Förderanträgen ist schon eine Bewegung sichtbar. Viele BibliothekarInnen wollen das heurige Jahr dafür nutzen, um die Förderrichtlinien bei der nächsten Ausschreibung erfüllen zu können. Andererseits melden sich auch KollegInnen, um auf vermeintliche Ungerechtigkeiten auf Grund der Besonderheiten ihrer Bücherei hinzuweisen.

bn: Ein Wunsch zum Schluss?

Silvia Adamek: Ich wünsche mir, dass die Zielstandards österreichweit zum Thema werden und man über sie ausgiebig informiert und diskutiert. Die Förderrichtlinien sollen als wichtiges Instrument zur Weiterentwicklung und nachhaltigen Leistungssteigerung unserer Öffentlichen Büchereien beitragen. Die Qualifizierung der BibliothekarInnen wie auch die Ausweitung der Öffnungszeiten und eine Qualitätssteigerung des Medienangebotes sind unabdingbare Voraussetzungen auf dem Weg in Richtung Zielstandards. Zusätzlich bedarf es in den Büchereien noch einer intensiveren Auseinandersetzung mit den eigenen Kennzahlen.
Dass es der Arbeitsgruppe gelungen ist, diese wirklich ambitionierten Zielstandards für Öffentliche Büchereien zu erarbeiten, ist für mich DAS bibliothekarische Jahrhundertereignis. Dafür möchte ich mich nochmals ganz herzlich bei allen beteiligten KollegInnen bedanken.


Das Gespräch mit Dr. Silvia Adamek führte Reinhard Ehgartner.

 

Silvia Adamek

Dr. Silvia Adamek ist Leiterin des Referats
„Öffentliches Büchereiwesen“ im bm:ukk.

 

 

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