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biblio : aktuelle buchtipps

Buchtipps / 2010 / Dezember

erstellt von der STUBE und dem Österreichischen Bibliothekswerk

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Mark Walden: F. I. E. S. - Fachinstitut für extreme Schurkenerziehung

 / Mark Walden. Aus dem Engl. von Ilse Rothfuss - Aarau : Sauerländer, 2010. - 297 S.
ISBN 978-3-7941-6166-9     fest geb. : ca. € 17,50

Der 13-jährige Otto hat mit einer fragwürdigen Aktion für den Rücktritt des britischen Premierministers gesorgt, was einen unerwünschten Nebeneffekt hervorruft: Er wird betäubt und aufs F.I.E.S. gebracht, eine Institution zur Ausbildung führender Verbrecher mit Stil. Grundsätzlich wäre diese hochtechnisierte Schule, in der man u.a. lernt Geld zu waschen und Mission Impossible-artige Gadgets zu bedienen, gar nicht so übel – wenn nicht bis zum Abschluss kein Kontakt zur Außenwelt erlaubt wäre. Da eingesperrt zu sein Otto gar nicht zusagt, hilft nur ein gut durchdachter Fluchtplan.
Mark Walden haucht mit seiner parodistischen Neuaufnahme dem Genre der Internatsgeschichte neues Leben ein. Er hält dabei eine interessante Balance zwischen unerwarteten Wendungen, für ein eingelesenes Phantastikpublikum voraussehbaren Entwicklungen und Leerstellen, die in Fortsetzungen aufgefüllt werden könnten.

Sonja Loidl | STUBE 

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Tim Wynne-Jones/Eric Beddows: Kater Carter fährt zur See

/ Tim Wynne-Jones. Mit Bildern von Eric Beddows. Aus dem Engl. von Nicola T. Stuart. - Berlin : Jacoby & Stuart, 2010. - 30 S. : zahlr. Ill.
ISBN 978-3-941787-02-5    fest geb. : ca. € 13,40

Kater Carter ist anders als andere Katzen. Nachts widmet er sich weder der Mäusejagd, noch streunt er draußen herum, wasserscheu ist er auch nicht, ganz im Gegenteil, Nacht für Nacht segelt er in einem Weidenkorb in der Badewanne, denn: „Kater Carter liebte Wasser“. Eines Tages findet er durch eine rätselhafte Nachricht seines Onkels den Weg zu einer mysteriösen Frau, die ihm seinen größten Traum ganz sonderbar erfüllt – durch ihre Wohnung findet er den Zugang zum offenen Meer.
In Kanada bereits 1983 erschienen und zum Klassiker statuiert, ist die Geschichte von Kater Carter nun auch in deutscher Sprache erhältlich. Auf der Bildebene von Beddows mit ausdrucksstarken Schwarz-Weiß-Illustrationen gestaltet und auf der Textebene stimmungsgeladen von Wynne-Jones erzählt, verschmilzt diese Geschichte zu einem zeitlosen Gesamtkunstwerk.

Katharina Portugal | STUBE

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Walter Müller: Kleine Schritte

: Roman / Walter Müller. - Salzburg : O. Müller, 2010. - 198 S.
ISBN 978-3-7013-1180-4      fest geb. : ca. € 20,00

Jugend in Salzburg im Jahr 1940. (DR)

Um halb sieben am Abend beginnt im Radio die Führerrede, die dauert bis acht. Dann wäre heute der Heimabend vom Bund Deutscher Mädel, aber den schwänzt Grete, denn sie hat ein Stelldichein. Ihr Bruder Werner ist in Hella verliebt, Hella erlaubt aber Robert, den Arm um sie zu legen. Dem selben "Scheißkerl" Robert, den Grete im "Juxstandesamt" des Winterhilfswerks heiratet. Im Kurpark spielt man "Bomben werfen auf England" und wenn sich jemand wehtut, sagt der Hausarzt: "Denen an der Front geht es hundertmal schlechter." Die Jugendlichen des Jahres 1940 schreiben einander Liebesbriefe, die nicht immer beantwortet werden, und leiden an Liebeskummer. Alles andere ist nebensächlich. Von der Front kommen ohnehin nur Siegesmeldungen. Die vereinzelten Todesnachrichten werden erstaunlich gelassen zur Kenntnis genommen. Offenbar akzeptiert man sie als notwendige Kollateralschäden auf dem Weg zur Welteroberung. Schließlich lebt man in einer "großen, bedeutsamen Zeit". Derweil geht der Alltag mit seinen kleinen Sorgen und Freuden ziemlich ungestört weiter. Grete schreibt gleich mehreren Soldaten Briefe an die Front, denn die haben ohnehin nicht gleichzeitig Urlaub.
Walter Müller hat ein Tagebuch seiner Mutter als Quelle für diesen Roman benützt. Die damals Siebzehnjährige interessiert sich nicht für die Weltgeschichte, sondern für ihre vielen Verehrer und ob sie mehr Liebesbriefe bekommt als ihre Freundinnen. Wer will es ihr verübeln? Die jungen Soldaten auf Fronturlaub erzählen ja auch nichts von ihren Erlebnissen, sondern wollen sich mit der unbeschwert naiven Grete amüsieren. Wenn schon die meisten Erwachsenen im zweiten Kriegsjahr die Augen vor der Wirklichkeit verschließen, kann man von den Jugendlichen wohl kaum verlangen, dass sie sich über Politik den Kopf zerbrechen.
In einer unprätentiösen, klaren Sprache beschreibt dieses Buch ein Leben im Ausnahmezustand und zeigt, dass dieses Leben erschreckend normal ist, obwohl die Barbarei längst alle Lebensbereiche infiltriert hat. Es wäre aus heutiger Sicht einfach, über diese Jugendlichen und Erwachsenen den Stab zu brechen, doch ihre Realitätsverleugnung und ihr zähes Festhalten am Alltäglichen waren wohl eine Überlebensstrategie. Sehr zu empfehlen, auch für Jugendliche.

Renate Langer | biblio

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Anne Holt: Gotteszahl

: Kriminalroman / Anne Holt. Aus dem Norweg. von Gabriele Haefs. - München : Piper, 2010. - 463 S.
ISBN 978-3-492-05395-2      fest geb. : ca. € 20,60

Lebenslügen, die tödlich enden und doch so viel Respekt verdienen. (DR)

Anne Holt ist Juristin, war kurzzeitig Norwegens Justizministerin und ist mit ihren Themen meist dem Zeitgeist voraus. Wer profitiert vom Tod der angesehenen Bischöfin, die in der Weihnachtsnacht niedergestochen wurde? Was hat eine weitere Frauenleiche mit religiösen homophoben Fanatikern aus den USA zu tun? Der Roman beginnt wie ein Andersen-Märchen und präsentiert den LeserInnen ein unschuldiges Kind im Nachthemd, das singend durch die Nacht wandert und beinahe von der Straßenbahn überfahren wird. Seine erschrockenen Eltern sind Holts berühmte Ermittler: Kommissar Yngvar Stubo und die Profilerin Inger Johanne Vik. Dass der Retter ihres Kindes zum großen und gefährlichen Unbekannten mutiert, erhöht die Spannung - beim Lesen und in den Beziehungsgeflechten der Ermittler. Hier helfen keine skandinavischen Zimtschnecken mehr, um das Grauen der Morde und die Selbstgerechtigkeit des Täters erträglich zu machen.
Es ist Holts Spezialität, Tabuthemen aufzugreifen, differenziert zu sezieren und die LeserInnen zu einer Stellungnahme zu provozieren. Häusliche Gewalt, Kindesmissbrauch und jetzt, aktuell, Lebenslügen und -entwürfe friedlich lebender Menschen in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften. Engagiert, spannend, differenziert, so präsentiert Holt ein großes Gesellschafts- und Lebensthema.

Christina Repolust | biblio

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Melinda Nadj Abonji: Tauben fliegen auf

: Roman / Melinda Nadj Abonji. - Salzburg : Jung und Jung, 2010. - 314 S.
ISBN 978-3-902497-78-9      fest geb. : ca. € 22,00

Vom Ankommen in der Fremde, vom Ankommen bei sich: Die Geschichte einer jungen Frau zwischen den Kulturen, zwischen der Vojvodina und der Schweiz. (DR)

"Wir haben hier noch kein menschliches Schicksal, das müssen wir uns erst noch erarbeiten." (S. 85) Dieser Satz ist zum Motto der hart arbeitenden Eltern von Ich-Erzählerin Ildikó Kocsis geworden, die aus dem Norden Serbiens in die Schweiz emigrierten, um sich im Westen eine neue Existenz aufzubauen. Sie, die Kinder Ildi und Nomi, sollten "es einmal besser haben". Präzise beschreibt Melinda Nadj Abonji, 1968 in Becsej, Serbien, geboren und seit 1973 in der Schweiz wohnhaft, den Seelenkonflikt Ildikós, die zwischen den Kulturen steht, ein "Mischwesen" ist (S. 160), das sich trotz dem sicheren Zuhause in der Schweiz hier nicht immer angenommen fühlt, sich zurücksehnt in ihr altes Leben an der Seite der Großmutter, in ihre Heimat in der Vojvodina, wo die ungarische Minderheit lebt, zu der ihre Familie gehört. Die intelligente Ildi, die sich als Bedienstete im Café ihrer Eltern immer mehr ihrer Identität beraubt fühlt, die die Demut, mit der sich ihre Eltern in fremdenfeindliche Situationen fügen, nicht versteht, merkt zunehmend, dass sie verschwinden muss aus dieser Art Leben, bevor sie ganz zur immer freundlich lächelnden Serviertochter wird.
Versiert verschränkt Abonji Gegenwärtiges mit Vergangenem, indem sie Ildi in Reminiszenzen die Geschichte ihrer Familie vor dem Hintergrund des Balkankonflikts zusammensetzen lässt. Lebendig erzählte Erinnerungen an die Kindheit im kommunistischen Jugoslawien, an die späteren Besuche daheim, als man im schokoladefarbenen Chevrolet einfuhr und für Aufsehen sorgte, an die geliebte Mamika, die ihren Mann sehr früh unter tragischen Umständen verlor, wechseln einander ab mit Schilderungen vom Fußfassen in der Schweiz. Als 1992 die Situation am Balkan eskaliert, der Bürgerkrieg ausbricht und der Kontakt zu den Verwandten in der Vojvodina immer spärlicher wird, fühlt man sich hilflos, führt man ein Leben "im Zuschauerraum" (S. 154).
Melinda Nadj Abonji zeigt mit dieser Familiengeschichte, die durch die politischen Umbrüche im Jugoslawien des 20. Jahrhunderts von schmerzlichen Einschnitten geprägt ist, äußerst feinsinnig, was Emigration bedeuten, wie sich die Zerrissenheit zwischen Zuhause und Heimat anfühlen kann. Ein Buch, dem man ein paar Seiten Zeit schenken muss, bis man mit dem Erzählduktus vertraut ist. Der mit dem Deutschen und dem Schweizer Buchpreis ausgezeichnete Roman eignet sich hervorragend für Literaturgesprächskreise und sei allen LiebhaberInnen anspruchsvoller Literatur sehr gerne empfohlen!

Cornelia Gstöttinger | biblio

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Franz Küberl: Mein armes Österreich

: und wie es reicher sein könnte / Franz Küberl. [Aufgezeichnet von] Barbara Tóth. - Wien : Ueberreuter, 2010. - 190 S.
ISBN 978-3-8000-7486-0      fest geb. : ca. € 21,95

Einblick in Formen der Armut und Modelle der Hilfe. (GS)

Von den meisten Stadtbewohnern unbemerkt, fährt ein Bus durch Graz, der von Insidern als die „Rollende“ bezeichnet wird und eine medizinische Ambulanz auf Rädern bietet. Für Menschen, die über keine Versicherung verfügen oder den Weg in ein normales Krankenhaus scheuen, bietet diese Einrichtung der Marienambulanz der Caritas eine Anlaufstelle in Augenblicken körperlicher Schmerzen und Verzweiflung. Zu diesem und vielen weiteren Brennpunkten, an denen Armut und Hilfe, Arme und Helfende einander begegnen, nimmt uns Franz Küberl mit: "Der ehemalige Obdachlose im Ressidorf, die ältere, gepflegte Mindestpensionistin im Marienstüberl, der bettelnde Roma im VinziNest, der Drogenabhängige im Kontaktladen, die von ihrer Familie getrennte Frau im Haus Elisabeth [...]: Sie alle teilen das Schicksal der Armut - die einen in einer sehr offensichtlichen Form, die anderen versteckter, verschämter." (S. 41)
Hinter den Fassaden des Wohlstands gibt es Welten der Armut. Küberl mutet uns zu, den Blick auf diese Entwicklungen und die dahinterliegenden persönlichen Schicksale zu richten, zeigt den Wert ehrenamtlichen Engagements und holt die Diskussion über Flüchtlinge aus dem verlogenen Diskurs. Bei aller ungeschönten Härte, die ein Blick auf die Lebenssituationen von Menschen an den Rändern unserer Gesellschaft eröffnet, zieht sich aber doch ein Faden der Hoffnung durch diesen Band: Man stößt auf Menschen, die sich den schwierigen Situationen stellen, Modelle der Hilfe und des mitmenschlichen Zusammenlebens entwickeln und diese auch konkret leben. Armut und Hilfe erhalten ein Gesicht.
Küberl wird getragen vom Traum einer von wechselseitiger Achtung und Hilfsbereitschaft geprägten Welt, in der religiöses Leben und kulturelle Werte lebendig sind. Von Barbara Tóth stilistisch souverän und gut zugänglich aufbereitet, sei dieser Band allen Bibliotheken nachdrücklich empfohlen.

Reinhard Ehgartner | biblio

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Sandra Sommerfeld: Das Kindergartenweihnachtsbuch

: die schönsten Anregungen für die Advents- und Weihnachtszeit / Sandra Sommerfeld. - Freiburg i. Br. : Herder, 2010. - 139 S. : Ill., Noten
ISBN 978-3-451-32337-9      kart. : ca. € 17,50

Ideen für eine stimmungsvolle Advent- und Weihnachtszeit im Kindergarten. (PN)

Die Advent- und Weihnachtszeit ist eine ganz besondere Zeit im Jahr, gerade deshalb kann man nie genug Ideen für eine besinnliche Gestaltung haben. Dieses Buch bietet eine große Auswahl an Geschichten, Bastelideen, Sinnesspielen, Gedichten, Rollenspielen, Ideen für Adventstunden, Entspannungs- und Traumreisen und traditionellen Liedern für Advent, Weihnachten und andere besondere Tage während dieser Zeit (Nikolo, Hl. Barbara). Ein eigenes Kapitel widmet sich dem Weihnachtsfest in anderen Ländern, denn wer kennt schon das Jolka-Fest, das Rezept für den Dreikönigskuchen aus Spanien oder weiß, wie im Libanon Weihnachten gefeiert wird?
Die im Buch erläuterten Spiele sind eher für Kindergruppen geeignet, Geschichten und Bastelideen können aber ohne weiteres auch zuhause durchgeführt werden!

Barbara Sauter | biblio

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Christian Wessely: Einfach katholisch

: was katholische Christen glauben und wie sie feiern ; [der Kirchen-Knigge] / Christian Wessely. - Innsbruck : Tyrolia, 2010. - 207 S. : graph. Darst.
ISBN 978-3-7022-3095-1      kart. : ca. € 17,95

Eine Einführung in das katholische Leben für Interessierte. (PR)

Das Buch richtet sich an Menschen, die dem katholischen Christentum zwar verbunden sind, aber dennoch nicht genau wissen, worum es dabei geht, an jene, die - obwohl entfremdet - wieder in Berührung damit kommen, sowie an alle, die sich einfach nur darüber informieren möchten.
Der erste Teil des Buches gibt zunächst Auskunft über Inhalt und Riten des katholischen Glaubens und erklärt die häufigsten Feiern wie Messe, Taufe, Firmung, Trauung, Beichte, Begräbnis. Dabei zeigt es, was geschieht, warum es geschieht und welche Elemente man mitgestalten kann. In gleicher Weise erläutert es anschließend Inhalt und Feier der christlichen Feste im Jahreslauf. Der zweite Teil des Buches geht auf Hintergründigeres ein: Wie ist Gott zu denken? Gott und Leid? Wozu gibt es die Kirche? Der Schlussteil beschäftigt sich mit der Frage nach dem Menschen sowie mit der Schöpfungsverantwortung und den Grundlinien der katholischen Soziallehre - wobei die Stellung der Kirche zu "heißen Eisen" wie Abtreibung, Sexualität, Leben mit Behinderung und Euthanasie schlüssig erläutert wird.
Hier ist ein flott geschriebenes, angenehm zu lesendes Buch mit viel Tiefgang entstanden, das in seinem Gesamtduktus und dann nochmals im Schlusswort deutlich macht, dass es beim "Glauben" nicht um Gebote und Verbote, um Institution oder Zeremoniell oder um ein unreflektiertes Nachplappern irgendwelcher Aussagen geht, sondern um die Grundentscheidung für eine Lebensgestaltung, die auf einen Gott ausgerichtet ist, der für die Menschen da ist. Interessant für alle Öffentlichen Büchereien.

Hanns Sauter | biblio

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